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Antonio Pappano: Nachdenken über München

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Antonio Pappano ist derzeit Chefdirigent an der Royal Opera in London und an der Accademia di Santa Cecilia in Rom.
Antonio Pappano ist derzeit Chefdirigent an der Royal Opera in London und an der Accademia di Santa Cecilia in Rom. © Foto: Musacchio & Ianniello

München - Für viele wäre er eine Art natürlicher Nachfolger von Kirill Petrenko an der Bayerischen Staatsoper. 2021 steht der Wechsel an - und Antonio Pappano hat sich schon Gedanken über München gemacht.

Sir Antonio Pappano ist Musikdirektor des Royal Opera House Covent Garden in London und Chefdirigent der Accademia Nazionale di Santa Cecilia in Rom. Sein britischer Vertrag endet 2020, sein italienischer 2021. Der 57-Jährige gilt als einer der besten Operndirigenten und wird als Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper gehandelt. 2021 verlässt Kirill Petrenko München – nicht nur vertragstechnisch würde das also passen. Pappano ist Engländer mit italienischen Vorfahren.

Sie haben immer gesagt, man solle sich als Dirigent Zeit nehmen. Betrachtet man Ihren Lebenslauf, so entdeckt man Kontinuitäten, aber auch klare Veränderungen. Zwölf Jahre waren Sie Korrepetitor unter anderem in Barcelona und Frankfurt, zehn Jahre Opernchef in Brüssel. Seit 2002 sind Sie Chefdirigent in London. Ist es nun wieder Zeit für einen neuen Schritt?

Antonio Pappano: Vielleicht. Im Augenblick bin ich aber ziemlich passiv. Ich warte, um zu sehen, was mit meinem Leben passiert. Die Antwort auf diese Frage fällt mir schwer. Ich weiß, dass ich mehr freie Zeit brauche. Nicht nur, um mich auszuruhen, sondern auch um nachzudenken. Und um zu genießen, was ich gemacht habe. Die Dinge klingen nicht aus. Kaum ist das eine Konzert zu Ende, hat man schon wieder den nächsten Flug. Das ist extrem belastend für den Körper und die Seele.

Wie gefällt Ihnen München?

Pappano:

Ich habe nie an der Staatsoper dirigiert. Ich war einmal bei den Münchner Philharmonikern und einmal beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Da ist auch ein neues Projekt geplant, die Konzerte sind im Juni 2018. Ich kenne München nicht so gut – das ist die einfache Antwort. München ist natürlich eine wunderbare Stadt, die Orchester sind fabelhaft.

Nicht nur die Presse spekuliert über Sie als Kandidat für die Nachfolge von Kirill Petrenko an der Bayerischen Staatsoper. Wie gehen Sie damit um?

Pappano:

Natürlich ist die Bayerische Staatsoper ein wichtiges Haus. Dort gibt es allerdings ein völlig anderes System als in Covent Garden, wo wir zum Beispiel kein festes Gesangsensemble haben. Die ganze Organisation, die Proben – alles ist ganz anders. Für mich wäre das eine große Entscheidung, ob ich mich in meinem Alter nochmals darauf einstellen könnte.

Sie machen sich also Gedanken zu München.

Pappano:

Ja.

Für Sie würde sich ein Kreis schließen, weil Sie in Deutschland Ihre Karriere begonnen haben. Was gefällt Ihnen am Musikleben in Deutschland?

Pappano:

Das Publikum ist das beste der Welt: konzentriert, mit großem Enthusiasmus und Liebe zur Musik und den Künstlern. Die Musik ist in Deutschland kulturell enorm wichtig – das weiß auch die Regierung. Natürlich gibt es wie überall Schwierigkeiten, aber der Staat unterstützt die Kultur. Deutschland ist ein Beispiel dafür, dass die jungen Leute mit Kunst besser, informierter und vielschichtiger werden.

Im Bereich der Oper hatten Sie jetzt schon zwei Chefpositionen in Brüssel und London. Wie eng war beziehungsweise ist die Zusammenarbeit mit dem Intendanten?

Pappano:

In Brüssel war es sehr eng – da gab es einen gemeinsamen künstlerischen und administrativen Neuanfang. In London gibt es zwar einen Geschäftsführer, aber wir sind alle auf Augenhöhe. Der Geschäftsführer beschäftigt sich allerdings weniger mit künstlerischen Fragen. Wir haben einen Musik-, Ballett-, Opern- und Casting-Direktor, die eng zusammenarbeiten. Es geht immer um das Interesse des ganzen Hauses.

Was macht für Sie einen guten Intendanten aus?

Pappano:

Er muss eine große Sensibilität anderen Leuten gegenüber haben. Er muss die Oper lieben und einen breiten Horizont haben. Es ist gut, wenn jemand einen persönlichen Geschmack hat, aber es ist auch wichtig, was das Publikum liebt und was für das Haus gut und notwendig ist. Das Paket muss stimmen.

In London machen Sie viel Vermittlungsarbeit und sind in Einführungsvideos zu erleben.

Pappano:

Der Chefdirigent ist das Gesicht des Hauses. Mit der BBC zusammen habe ich viele Sendungen über die Oper und den Gesang gemacht. Ich führe auch die Pauseninterviews für die Kinoübertragungen und mache Einführungsvideos über die Oper, bei denen ich am Klavier sitze und ein paar Stellen erkläre. Wir müssen unser Publikum informieren. Es gibt ja auch die Angst vor der Oper oder das Desinteresse von sehr vielen Menschen. Deshalb ist es für mich als Dirigent die Pflicht, über diese Arbeit zu sprechen. Die Technologie ist da – man muss sie benutzen, sonst ist man verloren heutzutage.

Das Gespräch führte Georg Rudiger.

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