Ihr Regisseur bei „Maria Stuarda“ ist Christof Loy, der von der Zeitschrift „Opernwelt“ mehrmals zum „Regisseur des Jahres“ gewählt wurde. Sie selbst wurden drei Mal zur „Sängerin des Jahres“ gekürt. Im Rahmen Ihrer aufregenden Karriere haben Sie ja schon mit vielen interessanten, manchmal auch umstrittenen Regisseuren zusammengearbeitet. Wie ist es Ihnen dabei ergangen?

MARLIS PETERSEN: Es gibt natürlich genug gegen den Strich gebürstetes Zeug. Am wohlsten fühlt man sich, wenn es menschlich zugeht, wenn man miteinander kommunizieren kann Es kommt natürlich vor, dass einer nicht vorbereitet ist und sagt: „Bieten Sie mir etwas an!“ Oder andere, die eine Glocke drüberstülpen, bei denen man nichts einbringen und mitgestalten darf.

Peter Konwitschny ist bisweilen auch umstritten. Aber unter ihm feierten Sie als „Lulu“ Triumphe und einen ganz großen persönlichen Erfolg als Violetta in „La Traviata“ in Graz und Wien. Von Ihrer Leistung soll damals sogar der nicht als sentimental und zartfühlend bekannte Ex-Direktor der Wiener Staatsoper, Ioan Holender, so hingerissen gewesen sein, dass er weinte. . .

PETERSEN: Mein Gott, hatte ich mich vor dieser Premiere gefürchtet. Weil ich faktisch ins Dunkle ging. Das italienische Fach war ein Schritt ins Unbekannte. Wie man richtig Belcanto singt, hat bei den Italienern ja ganz große Tradition. Die haben das Augenmerk viel mehr auf die Vokale, alles spielt sich in einem ganz anderen Raum ab, gemessen daran, wie wir Deutsche das singen. Gott sei Dank hatte ich einen ausgezeichneten Korrepetitor, der mich ins italienische Fach begleitete. Das war ein echter Staunensprozess.

Jetzt also „Maria Stuarda“ im Theater an der Wien. Wie sehen Sie dieses Werk?

PETERSEN: Es ist die Geschichte zweier starker Frauen, die in verschiedene Richtungen gehen. Maria ist die Stürmische. Sie rast in ihr Unglück hinein, wobei sie viele Menschen mitreißt. Trotzdem wurde sie sehr geliebt. Die beiden Damen entzünden sich aneinander, getrieben von Eifersucht, Hass und Unsicherheit.

Gab es eine Lieblingspartie?

PETERSEN: Nach wie vor „Lulu“, die ich auch an der Wiener Staatsoper zum Besten geben durfte. Auch, wenn ich sie nun nicht mehr singe, lebt sie in mir.

Warum haben Sie gerade diese Figur so verinnerlicht?

PETERSEN: Ich denke, das kam einfach zu mir. Die Partie hat m i c h gefunden. Anfangs machte ich mir nicht so viele Gedanken, doch dann wurde die Figur für mich sehr essentiell, und durch verschiedene Regisseure öffneten sich immer neue Facetten. Über die Jahre – und ich habe die Lulu 18 Jahre lang gesungen – färbt das ab auf die Frauenseele. Ich wollte letztendlich bewusst Abstand gewinnen.

Opernsängerin wollten Sie eigentlich nicht von Anfang an werden?

PETERSEN: Nach dem Abitur war ich zunächst Mitglied der Popband Square. Da war ich noch so auf der Kippe zwischen Musical und klassischem Gesang. Anfang der neunziger Jahre habe ich in Hamburg für die Grizabella in „Cats“ vorgesungen. Doch auf einmal habe ich den Kopf geschüttelt und mir gesagt: Die ist ja alt. Marlis, du bist doch erst zwanzig und willst eine alte Katze spielen? Das ist nicht richtig! Aber den Song „Memory“ singe ich noch heute, wenn ich Gelegenheit dazu habe.

Zum Beispiel auf Kreuzfahrtschiffen? Ein ungewöhnliches Hobby für eine berühmte Opernsängerin?

PETERSEN: Das ist meine heimliche Leidenschaft. Ich liebe Schiffe und das Meer, und es macht Freude, all das auszuleben, was ich im Klassikbereich nicht machen kann. Die verschiedensten Musikstile und –richtungen. Neben „Memory“ ist übrigens auch „Send in The Clowns“ aus dem Musical „A Little Night Music“ einer meiner Lieblingssongs.

Auf die Frage, wie Sie Ihre Stimme in Form halten, haben Sie einmal eine überraschende Antwort gegeben, nämlich: durch tägliches Nichtüben?

PETERSEN: Ja, ich halte die Stimme durch meine Partien fit. Für jemanden, der auf der Bühne so viel singt wie ich, ist es am wichtigsten, hin und wieder zur Ruhe zu kommen.

Zum Beispiel in Ihrem griechischen Refugium?

PETERSEN: Es halt mich alle Jahre wieder dorthin gezogen, ganz so, wie es im STS-Song „Irgendwann bleib i dann dort“ heißt. Aber Athen gebe ich auf, weil ich nach Wien umziehe. Ich bin gerade auf Wohnungssuche. Nur mein griechisches Gut in unberührter Landschaft, wo ich eigenes Olivenöl produziere, behalte ich. Erst vor kurzem habe ich wieder geerntet.

Zum Schluss bitte noch ein paar Worte zu Ihrem aktuellen Album „Dimensionen Welt“. . .

PETERSEN: An dessen Ende steht die Erkenntnis, dass in allen Stürmen des Lebens die Hinwendung zum Lichten und Positiven das Leben zu einem bewussten Geschenk machen kann. Die Welt und der Mensch stehen im Mittelpunkt, seine Hoffnungen und Sorgen. Wichtig ist, denke ich, dass wir aus dem Hamsterrad und dem Stress rauskommen, dass wir uns zum Beispiel hinsetzen und Lieder anhören. Bei dieser musikalischen Reise sind mehrere Kapitel entstanden. Himmel und Erde, Mensch und Natur, Los und Erkenntnis, Hoffnung und Sehnsucht. Die Erkenntnis, dass unsere Kraft im Hier und Jetzt liegt. Mit Goethe als Conclusio und Schluss: „Willst du immer weiter schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah. Lerne nur das Glück ergreifen, denn das Glück ist immer da.“