Berlin. Die Komische Oper hat nach einer gefeierten Aufführung von Händels „Saul“ das Haus geschlossen. Es geht jetzt ins Schiller-Theater.

Die Komische Oper ist geschlossen. Am Sonnabend fand die letzte Aufführung im traditionsreichen Haus an der Behrenstraße statt, das nunmehr einer mehrjährigen Sanierung und Erweiterung unterzogen wird. Georg Friedrich Händels Oratorium „Saul“ war nicht nur die letzte Premiere vor der Sanierung der Komischen Oper, es bildete auch das Abschlussstück am Wochenende. Hier gaben Künstler und Ensemble in der komplett ausverkauften Vorstellung noch einmal ihr Bestes und das Publikum spendete frenetischen Applaus, vor allem der amerikanische Countertenor Aryeh Nussbaum Cohen wurde gefeiert. Nach den Reden versammelten sich die Mitwirkenden und Mitarbeiter auf der Bühne für ein großes Abschiedsfoto. „Wir sehen uns @schillertheater“ stand auf dem Transparent.

Für einen Künstler bildete diese letzte Aufführung im Haus auch einen persönlichen Abschied: Der Tenor Tansel Akzeybek wird nach über zehn Jahren das Ensemble der Komischen Oper verlassen. Der gebürtige Berliner türkischer Abstammung studierte am Dokuz Eylül Konservatorium in Izmir und sang an der dortigen Staatsoper. Seit 2012 war er Ensemblemitglied der Komischen Oper, wo er unter anderem als Lysander in Benjamin Brittens Shakespeare-Vertonung „A Midsummer Night’s Dream“ zu erleben war und als Graf Almaviva in Gioachino Rossinis „Barbier von Sevilla“. Akzeybek wechselt in der kommenden Saison an die Bayerische Staatsoper, bleibt jedoch erfreulicherweise der Komischen Oper als Gast erhalten.

Nach der Aufführung teilte sich das Publikum auf. Die einen gingen fröhlich beschwingt nach Hause, während die anderen noch im Foyer und den Aufenthaltsräumen miteinander feierten. Ein besonderes Highlight hat sich die Komische Oper für die 80 Mitglieder ihres Kinderchors ausgedacht. Für sie wurde auf der Seitenbühne des Hauses eine Pyjama-Party organisiert, sie durften dort auch übernachten. Für die popmusikaffinen Opernbesucher hatte die Komische Oper extra einen DJ engagiert, der vor allem Klassiker aus Pop, Funk und Soul der 70er- und 80er-Jahre servierte. Dabei war es keineswegs so, dass die jüngeren Besucher auf der Party unter sich blieben, vielmehr zeigte sich hier wieder eine berlintypische Mischung von Menschen verschiedener Generationen.

Rede der Berliner Kulturstaatssekretärin Sarah Wedl-Wilson

Dabei war die queere Szene, die eine besondere Affinität zu Händels Opern und Oratorien und den darin mitwirkenden Countertenören mitbringt, stark vertreten. Da tanzten bunt geschminkte Transvestiten und schwule Bartmänner neben heterosexuellen Paaren zu den Klängen von „Wham“ und den „Weather Girls“, und teilweise waren die Haarfarben der Feiernden bunter als die Abendkleider mancher Damen. Auch Prominente konnte man sichten: Neben der Linken-Politikerin Gesine Lötzsch waren das zum Beispiel die frühere Kulturstaatsministerin Monika Grütters oder die frisch berufene Berliner Kulturstaatssekretärin Sarah Wedl-Wilson, die das Fest auch mit einer Rede einleitete.

Die Berliner Kulturstaatssekretärin Sarah Wedl-Wilson (M.) spricht zum Abschied ebenso wie das Intendanten-Duo Susanne Moser und Philip Bröking.
Die Berliner Kulturstaatssekretärin Sarah Wedl-Wilson (M.) spricht zum Abschied ebenso wie das Intendanten-Duo Susanne Moser und Philip Bröking. © Jan Windszus

Wer einen Eindruck davon bekommen wollte, wie das Opernhaus nach der Sanierung aussehen wird, konnte sich ein Modell ansehen, das im ersten Stock in einem Glaskasten ausgestellt wurde. Es stammt von dem Aachener Büro Kadawittfeldarchitektur, das den Zuschlag für die Sanierung und Erweiterung des Gebäudes bekam. Dessen Ziel ist es, das Ensemble, das sich aus mehreren denkmalgeschützten Baukörpern unterschiedlicher Epochen von 1890 bis 1980 zusammensetzt, „behutsam zu ertüchtigen und zu sanieren“. Dabei sollen „verschiedene Zeitschichten, die von der reichen Geschichte des Hauses erzählen“, erhalten bleiben und zum Teil wieder freigelegt werden. Der Neubau an der Glinkastraße ergänzt mit verschiedenen kleineren Bauten dann die Funktionsbereiche der Oper und optimiert die organisatorischen Abläufe.

Die Neugestaltung der Fassaden vergleichen die Architekten mit einem inszenierten Bühnenbild. Sie soll sich aus verschiedenen Elementen und Materialien zusammensetzen, „die aus dem Gestaltungskanon der Bestandsfassaden entwickelt wurden“. Dabei werden vier verschiedenen Funktionsbereiche des Neubaus strukturierte Oberflächen aus Stein, Stahl, Keramik und Metall erhalten, die sich in verschiedenen Farbtönen von Champagner bis Rot präsentieren werden. Die publikumsbezogenen Bereiche im Erdgeschoss wie die Kasse, Eingänge, Café und Casino hingegen werden mit transparenten Glasfassaden ausgestattet. Durch eine Struktur mit Vor- und Rücksprüngen werden dabei Balkone, Loggien und begrünte Dachterrassen entstehen.

Die Komische Oper will sich auch ein neues Publikum erschließen

Diese Pläne klingen vielversprechend und dürften dem in die Jahr gekommenen Opernhaus neuen Glanz verleihen. Bis es soweit ist wird die Komische Oper jedoch auf alternative Spielstätten ausweichen. Abgesehen vom Schiller-Theater, das bereits für die Staatsoper Unter den Linden als Ausweichspielstätte diente, werden das eine ganze Reihe weiterer Orte sein. Neben etablierten bürgerlichen Kulturinstitutionen wie dem Konzerthaus Berlin oder dem Ernst-Reuter-Saal wird es auch Aufführungen an Orten geben, die eher zur Alternativ- oder Subkultur gehören, etwa im Schwuz Queer Club, der üblicherweise Partys und Konzerte für die LGBTQ-Gemeinde veranstaltet, oder im Heimathafen Neukölln. So könnte sich die Komische Oper zusätzlich ein Publikum erschließen, das bisher den Weg in die ehrwürdigen Räume der Behrenstraße gescheut hat. Und würde somit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.

In den nächsten Wochen ziehen die Mitarbeiter ins Schiller-Theater um. Aber bevor dort der reguläre Spielbetrieb aufgenommen werden kann, findet zum Saisonauftakt im Hangar 1 des Flughafens Tempelhof die erste große „Satelliten“-Produktion der Komischen Oper statt. Bei den sechs Musiktheater-Aufführungen von Hans Werner Henzes Oratorium „Das Floß der Medusa“ ab 16. September werden jeweils 1600 Besucher darin Platz finden. Der Hangar ist 6000 Quadratmeter groß.

Nicht nur der technische, auch der künstlerische Aufwand ist bei dem szenischen Oratorium beachtlich. Es sind 83 Chorsänger und Chorsängerinnen, mehr als 40 Statist:innen, 20 Chorknaben, 82 Musiker und Musikerinnen und drei Solisten, darunter Gloria Rehm als La Mort und Günter Papendell als Jean-Charles, angekündigt. Das Bühnenbild stammt von Rainer Sellmaier. Starregisseur Tobias Kratzer spricht bei dem Opernprojekt lieber von einer Performance. Im Schiller-Theater wird der Spielbetrieb am 15. Oktober mit einem Fest eröffnet.