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Schwerer Abschied von den eigenen WertevorstellungenVon Stefan Schmöe / Fotos von Thomas M. Jauk / Stage PicturesSoll man nun der Musik glauben oder dem Text? Bei Cosí fan tutte ist nicht immer ganz einfach zu beantworten. Das Libretto erzählt eine Verwechslungskomödie im kalten Licht der Aufklärung, und die Musik spricht währenddessen derart berückend von den großen Gefühlen, dass man an deren Wahrhaftigkeit nicht zweifeln möchte. Zwei Männer, die auf die Treue ihrer verlobten wetten und die jeweils Falsche verführen? Das auf wahre Treue und romantische Liebe setzende 19. Jahrhundert mochte diese reichlich zynische Sichtweise nicht besonders, der Musik zum Trotz. Lucian Krasznec (Ferrando), Christian Sist (Don Alfonso) und Gerardo Garciacano (Guglielmo, v.l.)
Jens-Daniel Herzog, gleichzeitig Intendant des Hauses, glaubt eher dem Text, jedenfalls im stark komödiantisch angelegten ersten Akt. Wenn Ferrando und Guglielmo vorgeblich zum Feldzug einberufen werden, dann marschieren Chor und Statisterie im falschen Stechschritt mit Sturmhelm in einen Spielzeugweltkrieg - und die todtraurigen Fiordiligi und Dorabella schmieren ihren Liebsten Stullen für den Marsch. Herzog gibt die beiden Frauen, die sich wie Hunde den Angebeteten vor die Füße werfen, um dann in 50er-Jahre-Piefigkeit an das Bügelbrett zu treten, der Lächerlichkeit preis. Alle Gefühle nicht echt? Das große Quintett dazu sagt musikalisch anderes, spricht von einem wirklichen Abschied (der es ja auch ist, denn wenn die beiden Herren wiederkommen, wird nichts mehr so sein wie zuvor). Vielleicht liefert die kleinbürgerliche Nachkriegszeit (die aber nur ganz dezent angedeutet wird) tatsächlich passende weil vertrautere Bilder für das Spiel um Gefühl und Moral, aber die Inszenierung gerät zunächst in eine Schieflage zuungunsten der Musik, weil sie die Zwischentöne nicht findet. Eleonore Marguerre (Fiordiligi), Julia Amos (Despina) und Ileana Mateescu (Dorabella, v.l.)
Herzog lässt Fiordiligi zu ihrer Arie Come soglio mit Schuhen um sich werfen und mit dem Langenscheidt und allerlei Gebärden den vermeintlichen Ausländern ihren Unmut verkünden, was zwar ganz lustig ist (und immerhin die extrem angespannte Gefühlslage aufzeigt), aber doch sehr von der Musik ablenkt. Ganz amüsant sind die teilweise modernisierten und sehr flapsig formulierten Übertitel (Scheißjob, Aber Hallo!, Da heirate ich doch lieber Tatjana Gsell oder Cindy von Marzahn) - da wird einiges vom sprachlichen Witz des Librettos deutlich. Die selbstbewusste Zofe Despina darf auch schon 'mal ausfallend werden, und überhaupt geht man recht ruppig miteinander um. Aber immer wieder hat die Regie einen bemühten Beigeschmack, als müsse auf Biegen und Brechen eine Idee her, obwohl das Stück bei einer genauen Personenregie - die Herzog im Übrigen durchgehend sehr detailliert gestaltet - mit weniger Aufwand (besser) funktionieren würde. Zur Pause scheint diese Cosí auf der Verliererstraße. Manches, wenn auch nicht alles, entschlüsselt sich im sehr viel überzeugenderen zweiten Akt. Hier zeigt Herzog mit einem äußert engagiert singenden und spielenden Ensemble, wie die Konventionen und Wertevorstellungen, an die sich die Protagonisten im ersten Akt noch einigermaßen erfolgreich klammern, nach und nach aufbrechen. Es zahlt sich hier aus, dass die Charaktere von Beginn an vielschichtig und auch modern" angelegt sind. So erzählt Herzog nicht nur davon, dass die eigentlich falschen Paare durch das absurde Spiel den jeweils passenderen Partner finden (so ähnlich zeigen das ja fast alle Inszenierungen), sondern wie sie damit konfrontiert werden, dass ihr Welt- und Selbstbild zusammenbricht und das ist eine doch sehr spannende Sicht. Wenn die liebestolle Despina zwischendurch in den Orchestergraben klettert und mit dem Dirigenten verschwindet (zum folgenden Rezitativ spielt der Solocellist das Bassfundament) und auch Guglielmo zu seiner Tirade gegen das flatterhafte Wesen der Frauen in den Zuschauerraum hinab steigt, bedient Herzog quasi nebenbei noch die Theaterkonvention, sehr zur Freude des Publikums Lucian Krasznec (Ferrando) und Gerardo Garciacano (Guglielmo, v.l.)
Nicht ganz überzeugend bleibt eine andere Leitlinie der Regie: Jens-Daniel Herzog sieht Cosí fan tutte auch als Stück des permanenten Beobachtet-seins, was aber nicht recht plausibel wirkt. Das widerspricht dem Kammerspielgestus der Oper (die ja nur sechs Darsteller hat; der musikalisch überaus konventionell behandelte Chor ist nicht mehr als Staffage). Herzog lässt die Oper im Foyer eines Theaters beginnen, im weiteren sieht man eine Bühne auf der Bühne. Nun steht gerade diese Oper kaum unter dem Verdacht, Realität vorgaukeln zu wollen da ist eine Verfremdung durch eine konstruierte Theater-auf-dem-Theater-Situation ziemlich überflüssig. Die Konstellation erlaubt es immerhin, aus dem Spiel herauszutreten, was ja richtig ist, aber eben auch wider sehr regiegewollt. Das beste daran ist noch, dass durch das permanente Verschieben dieser Bühne und der umrahmenden Wände immer wieder ein scheinbarer Perspektivenwechsel entsteht: Nichts ist so, wie es eben noch schien. Ökonomisch ist dieses Regiekonzept sicher nicht, und mehr Strenge und Stringenz hätten wohl nicht geschadet. Allerdings gelingt Herzog ein zwingendes Schlussbild, bei dem die Protagonisten quasi konzertant an der Rampe stehen, noch während des Schlusscouplets Blumen überreicht bekommen, diese aber frustriert zu Boden werfen. Am bitteren Ende ist nichts mehr gut und alle Komödie vergessen, da hilft auch alle Theaterkunst nichts. Eleonore Marguerre (Fiordiligi)
Die Schärfe, die die Regie in den besseren Momenten dieser Produktion an den Tag legt, hat die musikalische Seite nicht. Kapellmeister Monotori Kobayashi am Pult der sehr guten Dortmunder Philharmoniker pflegt einen eher weichen, samtigen Tonfall, zeigt dazu viel Sinn für eleganten Phrasierungen das ist vom aufgerauten Klangbild, das die historische Aufführungspraxis einst wieder eingeführt hatte, ziemlich weit weg und mildert die Zuspitzung der Regie ab. Auch die Besetzung der Frauenpartien mit großen, belcantistisch geprägten Stimmen (mit entsprechend großem Vibrato) entspricht eher den Klangvorstellungen des 19. Jahrhunderts als der Aufklärung. Dabei punktet Eleonore Maguerre nicht nur mit voller Stimme, sondern auch mit blitzsauberen Koloraturen. Ileana Mateescu als Dorabella verliert sich insbesondere im ersten Akt (Premierennervosität?) allzu häufig in Intonationsunschärfen, und wenn die Stimme aufdreht, bekommt sie eine recht affektiert wirkende Einfärbung. Überzeugender ist das warme und tragfähige Piano. Julia Amos zeigt als Despina, dass sie dem Soubrettenfach entwachsen ist und es sie zu größeren Aufgaben zieht was die Partie aufwertet und sie den beiden Chefinnen (wie Despina gemäß den Übertiteln ihre Arbeitgeberinnen tituliert) auf stimmlicher Augenhöhe begegnet, an Präzision und punktgenauem Singen dabei locker übertrifft. Bei den Herren glänzt Lucian Krasznec als Ferrando mit agilem, strahlendem Tenor, der mit einer kleinen Spur mehr Geschmeidigkeit und Wärme geradezu perfekt für die Partie wäre. Gerardo Garciacano ist ein tadelloser, durch und durch souveräner Guglielmo, dem man allein ein wenig mehr Sinnlichkeit im etwas unauffälligen Timbre wünschte. Ziemlich vordergründig bleibt der lautstark polternde, aber in den leisen Tönen substanzlose Don Alfonso von Christian Sist. Der Chor erfüllt seine kleinen Aufgaben zuverlässig. FAZITEine sehr ambitionierte Produktion, die zwar nicht durchgehend schlüssig gerät, aber gerade im zweiten Teil bemerkenswerte Momente hat. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne und Kostüme
Choreinstudierung
Dramaturgie
Solisten* Besetzung der rezensierten Aufführung
Fiordiligi
Dorabella
Ferrando
Guglielmo
Despina
Don Alfonso
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