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Musiktheater
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Die Walküre

Erster Tag des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen
Text und Musik von Richard Wagner


In deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 5h 30' (zwei Pausen)

Premiere am 25. März 2012 am Nationaltheater Mannheim



Homepage

Nationaltheater Mannheim
(Homepage)
Zeitlupen-Stehparty auf dem Drehteller

Von Michael Cramer / Fotos von Hans Jörg Michel


Es sollte eine Rundumaktion von Achim Freyer in Mannheim werden – die Walküre eingebettet in den Rheingold-Rest mit dem erschlagenen Fasolt an der Rampe und dem Tatvideo auf dem Vorhang sowie dem Siegfried-Beginn, einem im Schlussbild aus dem Off einschwebenden rothaarigen Knaben. Dazu grüßen Erda, Donner und Froh vom Oberrand, die Nornen-Fäden hängen 'rum ebenso wie Grane das Pferd, ein kiffender Loge lungert immer wieder herum, dazu lodernde Video-Flammen, ein Rabe, eine lebendige, gut dressierte Hundemeute. Wotan als spiritus rector ist ständig präsent, und über allem der Orbit der Götterwelt als sich drehende Gestirne des Wagnerschen Universums. Auch Wotans Speer schwebt markant als rot leuchtender Stab über allem, ebenso das Schwert Nothung, etwas kürzer, welches pflichtgemäß bei Siegmunds Kampf zerbricht. Jede Menge Ring-Zubehör und Anspielungen, verwirrend viel.


Foto kommt später Karsten Mewes, Judith Nemeth

Insgesamt gibt es eine Fülle an Bildern, die sich aber nur schwer erschließen lassen, etwa wie die mehrfach vorhandenen Personen, der als Toter ständig präsente Siegmund, die skurrilen Kostüme oder die zahlreichen Puppen. Aber alles, was hier vielfältig und in ästhetisch ansprechenden Szenen passiert, unterstützt durch eine fantastische Lichtführung, gibt der Text bei genauem Lesen dann doch einwandfrei her.

Zunächst auch unverständlich – und wegen der dunklen Bühne kaum erkennbar – schieben regelmäßig schwarz gewandete Gestalten abenteuerliche Karren quer über die Bühne, die sich später als Walküren entpuppen, die mit ihren Einkaufswagen, voll von Heldenteilen und Kriegsgerät, zur berühmten Musik wie die Autoscooter auf der Kirmes ziellos quer über die Bühne fahren. Schade drum, denn sie vermögen herrlich zu singen, wenn auch nicht immer ganz synchron mit dem Dirigat. Was bei der Unrast auf der Bühne allerdings nicht verwundert.

Rundum geht es auch lange 5 ½ Stunden, die puppenhaften Figuren bewegen sich weitgehend in Zeitlupe in einer unwirklichen Sphäre, meist mit hoch erhobenen rudernden Armen auf der Dauer-Drehbühne, die aber die mangelnde Aktivität kaum ersetzen kann . Es zieht sich halt in dem Einheits-Bühnenbild, welches trotz der vielfältigen Mystik nicht den ganzen Abend „trägt", sodass sich spätestens im dritten Aufzug eine gewisse Langeweile breit zu machen droht.

Foto kommt später

Manfred Hemm, Endrik Wottrich, Heike Wessels

Vorteil der Inszenierung ist natürlich, dass man viel Muße hat, der Musik und den fantastischen Sängern zuzuhören. Das Hausorchester spielte durchweg auf ordentlichem Niveau, wenn auch meist ohne wirklichen Glanz; Patzer und unsaubere Einsätze hielten sich in Grenzen. Leider deckte das Blech die Sänger gelegentlich zu; den auf dem Rezensentenplatz extrem laut klingenden Tubisten sollte man vielleicht im Orchestergraben umsetzen.

Ärgerlich war das außergewöhnlich langsame Tempo im ersten Aufzug mit gelegentlichem gefühltem Stillstand, der Dirigent und Hausherr Dan Ettinger schien sich vom Zeitlupentempo der Akteure auf der Bühne arg beeinflussen zu lassen. Wenig Drive und innere Spannung, die die Musik zerfiel in Einzelaktionen mit Pausen, die zwangsläufig unpräzise Einsätze nach sich zogen. Deutlich prägnanter dann die beiden anderen Aufzüge, wenngleich das Tempo immer mal wieder unnötig abflachte.

Foto kommt später

Heike Wessels, Judith Nemeth

Heike Wessels als Sieglinde gleichermaßen wie die Fricka von Edna Prochnik, ein doppeltes Rollendebüt, gebühren die Palme des Abends, schwer zu entscheiden, wer besser gefiel. Beide mit kultivierter voll tönender Stimme und wunderbarer Linienführung, ohne in der Höhe jegliche Anstrengung hören zu lassen; perfektes Opernglück mit Rückenschauern. Siegmund (Endrik Wottrich), gestandener Bayreuther Heldentenor; hatte wohl nicht seinen besten Tag. In den Mittellagen baritonal rund klang er in den Höhen dumpf und angestrengt. Vielleicht weil er bei den berühmten „Winterstürmen“ nicht mit Sieglinde kuscheln durfte, sondern beide rechts und links an den Bühnenrand verwiesen waren. Auch die Verabschiedung des stimmlich und schauspielerisch sehr überzeugenden Wotan (Karsten Mewes) von seiner Lieblingstochter erfolgt räumlich getrennt; nichts für Romantiker. Herrlich die Brünhilde von Judith Németh und Manfred Hemm als Hunding im bunten Fuchskostüm, allesamt große Wagnerstimmen allerfeinster Klasse.

Foto kommt später

Ludmilla Slepneva, Cornelia Ptassek

Es ist schon erstaunlich, dass das Nationaltheater Mannheim ein solches Werk fast ausschließlich mit eigenem Ensemble stemmen kann. Interessant wären Etat-Zahlen etwa im Vergleich zu Köln, wo es große Finanznot gibt, um das wieder erreichte hohe Niveau auch halten zu können. Mannheim nennt sich ein traditionelles Wagnerhaus; aber braucht es dazu auch eine traditionelle Inszenierung? Oder Wagner-Pralinen, Wagner-Bälle oder Wagner-Taschen zur Finanzierung?
Das Premierenpublikum war unterschiedlicher Ansicht über den Abend. Die ersten Missfallensäußerungen gab es schon nach dem 1. Aufzug, nach der zweiten Pause sah man etliche freie Plätze. Das Ensemble wurde begeistert gefeiert, aber dann zahlreiche Buhs für den Dirigenten, noch mehr für den Regisseur.

Der Rezensent hat da nicht mitgemacht. Denn das tun nur diejenigen Fans, die meinen, ständig und überall eine Höchstleistung und ein Weltspitzenniveau einfordern zu müssen. Und bei Achim Freyer erst recht nicht, denn dieser unglaubliche und vielschichtige Geist hat eine Interpretation des Rings erarbeite, die man an einem Abend ohnehin nicht erfassen kann. Und der die ihm geltenden Buhs weise lächelnd vorne auf der Rampe hat abprallen lassen. Es ist natürlich eine berechtigte Frage, ob man in Mannheim das Werk und die Intention Wagners wiedererkennen kann, ohne einen Einführungskurs belegen zu müssen. Zweifellos ja, wenn man mit dem Ring und seinen vielen Bildern vertraut ist und sich mit der Inszenierung wirklich befasst. Der gelegentliche oder gar Wagner-unbelastete Opernfreund dürfte aber erhebliche Probleme mit dem Verständnis dieser Inszenierung haben. Alternative: einfach nur entspannt hören und schauen.


FAZIT

Viel Licht und etwas Schatten. Für den Wagner-Fan sehr empfehlenswert, nicht nur wegen der wirklich herausragenden Stimmen, sondern auch wegen der ungewohnten und einfach schönen Bilder, die die Fantasie schweifen lassen, ohne die Musik einzuschränken. Das Orchester mag sich noch steigern, wie es auch beim Rheingold zu vernehmen war. Und man darf schon gespannt sein auf Mannheims Siegfried.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Dan Ettinger

Inszenierung / Bühne / Kostüme / Lichtkonzept
Achim Freyer

Licht
Sebastian Alphons
Ralf Schanz

Dramaturgie
Regine Elzenheimer

Mitarbeit Regie
Sebastian Bauer

Konzeptionelle Mitarbeit Regie
Tilman Hecker

Mitarbeit Bühne und Kostüme
Petra Weikert



Statisterie des
Nationaltheaters Mannheim

Orchester des
Nationaltheaters Mannheim


Solisten

Siegmund
Endrik Wottrich

Hunding
Manfred Hemm

Wotan
Karsten Mewes

Sieglinde
Heike Wessels

Brünnhilde
Judith Németh

Fricka
Edna Prochnik

Helmwige
Cornelia Ptassek

Ggerhilde
Ludmila Slepneva

Ortlinde
Marina Ivanova

Waltraute
Marie-Belle Sandis

Siegrune
Katrin Wagner

Rossweiße
Anne-Theresa Møller

Grimgerde
Andrea Szántó

Schwertleite
Edna Prochnik



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Nationaltheater Mannheim
(Homepage)



Da capo al Fine

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