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La Traviata

Melodramma in drei Akten
Text von Francesco Maria Piave
nach dem Drama "La dame aux camélias" von Alexandre Dumas d. J.
Musik von Giuseppe Verdi

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1h 45' (keine Pause)

Premiere im Aalto-Theater Essen am 5. Mai 2012


Logo:  Theater Essen

Theater Essen
(Homepage)
Erotische Phantasien im Sanatorium des Dr. Grenville

Von Stefan Schmöe / Fotos von Jörg Landsberg

La Traviata vom Ende her zu erzählen, das ist ja durchaus ein plausibler Ansatz: Die sterbende Violetta erinnert sich im Moment des Todes an Stationen ihres Lebens. Die Durchdringung von Liebe und Tod, von Eros und Thanatos, von der diese Oper durchtränkt ist, wird durch diese Sichtweise noch akzentuiert. So sieht man in der Inszenierung von Josef Ernst Köpplinger schon zur Musik des Vorspiels die todkranke Edelkurtisane im Krankenbett. Dazu passt die Entscheidung, das Stück ohne Pause durchspielen zu lassen.

Vergrößerung in neuem Fenster Violetta und Alfredo teilen die frivole Grundstimmung nicht so recht

Schöne Idee, aber es keimen schnell Zweifel an der Ernsthaftigkeit dieses Interpretationsansatzes auf. Für ein Sanatorium der 20er-Jahre (Köpplinger verlegt die Handlung in die Zeit kurz vor dem großen Börsenkrach und der Erfindung des Penicillins, ein ziemlich zynischer Gedanke, den das hätte ja die Tuberkulose heilen und die Handlung der Oper nachhaltig verändern können) sieht der große Sanatoriumssaal, den Bühnenbildner Johannes Leiacker für alle Akte gebaut hat, verdächtig edel aus, und das große Hochgebirgspanorama an den Wänden gaukelt eine Zauberberg-Romantik vor, die Thomas Mann sicher nicht so gemeint hat. Warum trägt Violetta in ihren letzten Lebensminuten eine violette Kombination, die ihr, nebenbei, nicht einmal besonders steht (Kostüme: Alfred Mayerhofer)? Warum wird so gar nichts vom Elend der Kranken dargestellt? Da stellt sich sehr schnell der Eindruck ein, dass hier, gewollt oder nicht, letztendlich doch Ausstattungstheater ohne allzu tiefe Bedeutung geboten wird.

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Vater Giorgio Germont stellt sich demaonstrativ zwischen Violetta und Alfredo. Zum besseren Verständnis darf auch die engelsgleiche Tochter (im Hintergrund), wegen deren Heiratsaussichten die zwielichtige Beziehung beendet werden muss, zuschauen.

Natürlich hat Köpplinger sich Gedanken gemacht, das kann man im Programmheft nachlesen. Da wettert er gegen die Figur des Giorgio Germont, der bekanntlich seinem Sohn die Liebesbeziehung zu Violetta erfolgreich hintertreibt. Köpplinger zeichnet ihn als herzlosen Tyrannen, dessen späte Sympathien für Violetta kühl berechnend vorgetäuscht sind. Sicher ist die Figur in ihrem aus heutiger Sicht kaum nachvollziehbaren Moralkodex problematisch, aber in dieser Sichtweise wird sie eindimensional – und langweilig. Dadurch fehlt der Geschichte aber ein greifbarer Grundkonflikt und damit die Spannung. Ob die doch recht unbeteiligte Haltung Alfredos mehr dem Konzept, der mangelnden schauspielerischen Begabung des Darstellers oder einer überhaupt ziemlich banalen Personenregie geschuldet ist, lässt sich nicht entscheiden. So plätschert das Stück szenisch hübsch anzusehen, aber doch recht belanglos dahin. Das müsste durchweg radikaler, sehr viel genauer inszeniert sein. Dass es sich um Rückblenden handelt, hat man schnell vergessen. Mit viel Statisterie und einem bestenfalls zweitklassigen Mini-Ballett ist die Bühne gut gefüllt, aber auch barbusige Mädchen und vollends entkleidete Jünglinge – Eros! – in Kopulationsgestik im Krankenbett – Thanatos! - führen nicht näher an den Kern des Dramas heran. Dem Publikum gefiel dieses in erster Linie dekorative Herangehen an die Traviata nur in Maßen: Für eine im Grunde konventionelle Inszenierung war die Intensität der Buh-Rufe erstaunlich.

Vergrößerung in neuem Fenster Das Sanatorium des Dr. Grenville, der laut Interview mit dem Regisseur auch zu den Entdeckern des Penicillin gehören soll - ein Grund, weshalb die Handlung in den Winter 1928/29 verlegt wird. (Dann hätte man Violetta aber ruhig gesunden lassen können.)

Die musikalischen Glanzlichter setzen einmal mehr die ganz hervorragenden Essener Philharmoniker unter der Leitung von Stefan Soltesz. Die ersten Takte des Vorspiels, die Einleitung zum letzten Bild mit den entrückt flirrenden Streichern sind das eigentliche Ereignis dieser Produktion, aber auch die delikaten Holzbläser spielen mit berückender Schönheit. Dagegen fallen manche Schlüsselstellen der Oper etwas ab: Germonts Arie „Pura siccome un angelo“, mit der er Violetta zum Verzicht auf Alfredo überreden will, handelt Soltesz arg flott ab (was ja zur Personenzeichnung passen mag), Violettas Ausbruch „Amami, Alfredo“ wird dagegen übermäßig breit und pathetisch ausgetragen. Dennoch: Zumindest orchestral ist dies eine wirklich große Traviata.

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Natürlich stirb Violetta doch, Penicillin hin oder her.

Nun lebt diese Oper natürlich von den Sängern, und restlos glücklich machen die trotz unverkennbarer Qualitäten nicht. Liana Aleksanyan bewältigt die Titelpartie stimmlich souverän, ihr kultiviertes und durchaus angenehmes, aber immer gleiches Vibrato nivelliert aber manches Detail – wobei insbesondere in der ersten Hälfte doch alles sehr pauschal und wenig nuanciert gestaltet ist. Für das Schlussbild hat sie sich ein schönes Pianissimo aufgespart, das aber eben auch sehr kalkuliert wirkt. Es mag Geschmackssache sein, auf mich wirkt die Sängerin allzu neutral im Ausdruck. Ähnliches gilt für Felipe Rojas Velozo, der mit angenehm vollen, nicht zu hellem Tenor den Alfredo singt, über eine sichere Höhe und ein schönes Legato verfügt; im Piano wird die Stimme etwas brüchig, und im Übergang zum Forte fehlt es an ein wenig an Glanz. Vielleicht liegt es auch an seiner szenischen Unbeholfenheit (womit ein Regisseur besser umgehen müsste), dass er ziemlich teilnahmslos mitläuft. Und Aris Argiris als Vater Giorgio hat zwar eine große, aber etwas ungeschlacht „bellende“ Stimme – das passt ja zur Charakterzeichnung der Figur in dieser Inszenierung, wirklich schön ist es nicht, auch wenn Argiris sorgfältig phrasiert und sich um eine differenzierte Ausgestaltung bemüht. Die Sänger der kleineren Partien hinterlassen im Gewusel der oft überfüllten Bühne kaum nachhaltigen Eindruck, der Chor bewältigt seine Partie überzeugend.


FAZIT

Keine schlechte, aber eine nur aus orchestraler Sicht wirklich gute Traviata, die in vieler Hinsicht oberflächlich bleibt.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Stefan Soltesz

Inszenierung
Josef Ernst Köpplinger

Bühnenbild und Kostüme
Johannes Leiacker

Kostüme
Alfred Mayerhofer

Choreographie
Karl Alfred Schreiner

Chor
Alexander Eberle

Dramaturgie
Niels Szczepanski



Statisterie
des Aalto-Theaters

Opernchor
des Aalto-Theaters

Essener Philharmoniker


Solisten

Violetta Valéry
Liana Aleksanyan

Alfredo Germont
Felipe Rojas Velozo

Giorgio Germont
Aris Argiris

Flora
Francisca Devos

Annina
Marion Thienel

Gastone
Rainer Maria Röhr

Barone Douphol
Mateusz Kabala

Marchese
Marcel Rosca

Dottore Grenvil
Michael Haag

Giuseppe
René Aguilar

Diener Floras
Arman Manukyan

Ein Komissionär
Michael Kunze






Weitere Informationen
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