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Madame Pompadour (Annette Dasch) kümmert sich um eines ihrer zahllosen Opfer (Boris Pfeifer).

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

 Musikalisch bleibt die Angelegenheit an der Wiener Volksoper charmefrei.

Wien - Sie ist eine Art Carmen des Rokoko, die Madame Pompadour. Allerdings eine, die es vorzog, am Leben zu bleiben, um sich am königlichen Hofe (zumindest ökonomisch) gemütlich einzurichten. Allein, es juckt da irgendwo noch eine kleine Sehnsucht: Es drängt die Dame aus dem Goldkäfig des Hofzeremoniells in den "Schlamm des Lebens", etwa in eine Schenke, wo man anonym nach knuspriger Gesellschaft Ausschau zu halten geruht.

Dass sich das gefundene Spielobjekt der damenhaften Begierde (klangschön, aber etwas zu lieb Mirko Roschkowski als René) am Schluss von "Madame Pompadour" als Gatte der verlorenen Schwester Madeleine (Elvira Soukop) entpuppt, verwandelt Mätresse Pompadour in eine strenge Dame, die sittsam reinen Tisch macht und die Gunst des Königs (witzig Heinz Zednik) wiedererweckt.

Auch das kriegt Annette Dasch formidabel hin, wie sie zuvor auch in Ohnmacht fallende Soldaten zwecks Wiederherstellung ihrer Standfestigkeit ins Schlafgemach bringen hat lassen. Kurzum: Was die Rolle an slapstickartig zu entfesselnder Autorität oder unter vollem Körpereinsatz zu erledigender Männerpflege abverlangt, setzt Dasch mit Lockerheit um. Da vergibt man die grässliche Verstimmtheit der von ihr gezupften Minigitarre ebenso wie den Beweis, dass auch eine stattliche Opernstimme, so es diskret wird, in Operettennöte der Unscheinbarkeit geraten kann.

Dies mochte jedoch mit dem orchestralen Milieu in Zusammenhang stehen: Dirigent Andreas Schüller verließ den Bereich des Soliden nur, um mit dem Orchester in Regionen aufdringlich-lauter Emphase vorzudringen, wodurch die Sängerleben nicht leichter wurden.

Schade. Untadelige Musikinseln hätten bei dieser textlastigen Version, die Regisseur Hinrich Horstkotte (auch Kostüme und Bühnenbild) solide, jedoch nicht temporeich genug anlegte, das Gefühl von Überlänge verbannen können. So blieb der Eindruck, eine ganz gute Produktion habe sich selbst in den Käfig der Geschwätzigkeit gesteckt. Da half bisweilen weder, dass Boris Pfeifer (als Calicot), Gerhard Ernst (als Maurepas) und Beate Ritter (als Belotte) einiges Leben in die Operettenbude brachten, noch, dass das Bühnenbild lustig-schrill mit Dimensionen spielte.

Wobei: Der optische Kalauer - ein begehbarer Pompadour/Dasch-Oberkörper, der zum Doppelbett mit "Busendach" mutiert - wird sicher zum großen Publikumserfolg beigetragen haben.  (Ljubisa Tosic, DER STANDARD, 11.6.2012)