Volksoper: "Walzertraum" mit Stammtischwitz

Walzertraum Stammtischwitz
Walzertraum Stammtischwitz(c) APA/BARBARA P�LFFY / VOLKSOPER (BARBARA P�LFFY / VOLKSOPER)
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Direktor Robert Meyer versuchte sich bei Oscar Straus' Operettenklassiker als Regisseur. Er sollte sich lieber intensiver um seine Sängerbesetzungen kümmern.

Alles was keck und fesch, alles was schick und resch, liegt mir im Blut, schmeckt mir so gut“, singt Leutnant Niki aus Wien, nachdem er mit Prinzessin Helene von Flausenthurn verheiratet wurde. Doch im deutschen Fantasiefürstentum gibt es wenig, was ihm schmeckt. Die Hochzeit war erzwungen, die Prinzessin ist ein fades Ding und der garstige Neffe, Graf Lothar, klärt Niki schnell auf: Er hat für den Thronfolger zu sorgen. Also findet Niki noch in der Hochzeitsnacht Trost bei Franzi, Kapellmeisterin einer vazierenden Wiener Damenkapelle. Man verliebt sich, doch Franzi merkt schnell, dass sie hier auf verlorenem Posten geigt – also zeigt sie der biederen Helene, wie sie ihrem Leutnant gefallen kann. Happy End. Soweit der „Walzertraum“ von Oscar Straus, ein hinreißender Operettenwurf mit herrlichsten Melodien, der, 1907 im Carltheater uraufgeführt, zum Welterfolg wurde.

Schön, dass sich die Volksoper zum Saisonstart an den Klassiker erinnert. Direktor Robert Meyer inszenierte sogar selbst, zur Premiere war das Parkett dicht mit Ehrengästen bestückt, vor der Vorstellung gab es Freibier und beim Nachhausegehen bittersüßen Blutorangen-Campari-Nektar von einer Marmeladenmanufaktur geschenkt.

Half alles nichts. Mehr bitter als süß gestimmt verließ man das Haus am Währinger Gürtel, sogar ein bisserl arg geniert, was dort aktuell unter Operettenpflege und Wiener Charme verstanden wird. Ganz klassisch stellt Meyer den „Walzertraum“ auf die Bühne. Man wähnt sich fast in einer Inszenierung, die gut 50 Jahre im Fundus verstaubt ist. Wäre da nicht das Bühnenbild von Christof Cremer mit seinem Heimwerker-Barock und Baumarkt-Jugendstil. So hat der Pavillon, in dem die Damenkapelle diesmal aufspielt, die Anmutung der chinesischen Aluguss-Kopie einer Pariser Metro-Station in Krachgrün.

„Wiener Mädel“ wie Gunstgewerblerinnen

Oder: Wo Niki sonst in Ehestreik geht, spielt er diesmal auf schwul, busserlt seinen Kameraden Montschi, tanzt mit ihm Walzer und begrapscht seinen Hintern, bis sich der die Jacke vom Leib reißt und plärrt: „Mir ist aber warm!“. Da grüßt der homophobe Stammtischwitz. Schließlich: Warum müssen die angeblich „süßen Wiener Mädel“ der Damenkapelle wie eine Gunstgewerblerinnenhorde aus Simmering agieren und sprechen? Selbst eine sichere Nummer wie die Ansprache des Fürsten von Flausenthurn verpufft wirkungslos im disparaten Arrangement, wobei das Timing der Inszenierung insgesamt nur selten stimmt. Dazu kommt eine Besetzung, die arg schwächelt. Da wäre vor allem Thomas Paul als Leutnant Niki, von dem man stimmlich bis auf ein paar hübsche Spitzentöne gar nichts mitbekommt. Weder hört man seinen Gesang, noch versteht man ein Wort von dem, was er singt. Caroline Melzers Helene bleibt mit apartem Sopran blasser, als es die Rolle erlaubt. Burgtheatergast Markus Meyer muss als Lothar outrieren und brüllen, singt allerdings besser als mancher Volksopernkollege, und Renée Schüttengruber liefert als Tschinellen-Fifi ihre „G'stellten Madeln“ als unappetitliche Ordinärnummer ab.

Bleibt Anita Götz, die mit schlankem Sopran für ein paar einsame Momente von Operettenzauber sorgt. Auch wie aus einer anderen Welt klingt das Volksopernorchester unter Guido Mancusi. Bis auf einige recht knallig genommene Passagen legt es einen feinen orchestralen Walzertraumteppich. Wenn schon klassisch und traditionell, dann hätte Robert Meyer vielleicht vorher Ernst Lubitschs grandiose „Walzertraum“-Verfilmung „The Smiling Lieutenant“ studieren sollen. Lubitsch hat schon 1931 gewusst, wie man mit weit weniger viel mehr sagt und mit Operettenstoffen zeitlos bezaubern kann. Der neue Wiener Volksopern-Leutnant ist dagegen weit unter der Gürtellinie gelandet – und zu Lächeln hat er gar nichts mehr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2012)

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