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Pélleas et Mélisande

Lyrisches Drama in fünf Akten
Dichtung von Maurice Maeterlinck
Musik von Claude Debussy


in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln Sprache

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere im Aalto-Theater Essen am 6. Oktober 2012


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Theater Essen
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Eine Welt aus Licht und Dunkelheit

Von Stefan Schmöe / Fotos von Herman und Clärchen Baus

Vergrößerung in neuem Fenster Rätselhaftes Wesen aus einer fremden Welt: Mélisande (Michaela Selinger)

„Endlich mal ein Toter!" seufzt der Herr neben mir, dem Anschein nach gut situiertes Essener Bürgertum, im vierten Akt. Zuvor hatte er schon festgestellt, dass diese Oper „ganz zu Recht so selten gespielt" werde, „keine Melodien, immer nur dieses eintönige Zeug". Zum Glück steht's um die Aufführungszahlen von Debussys Meisterwerk gar nicht so schlecht - und mit dieser starken Essener Aufführung könnte Pelléas et Mélisande den einen oder anderen Liebhaber hinzugewinnen. Die etwas grob geratene künstlerische Analyse umreißt immerhin nicht ganz falsch den Stil des Werkes. Fehlende Melodik und Harmonik ist der Oper seit je vorgeworfen worden, aber genau darin liegt der besondere Reiz der Partitur. Debussys Abwendung von der Überdeutlichkeit des (bewunderten) Wagnerschen Musikdramas führt zu einer unendlichen Linie von fein verästelten Motiven (wobei die Nähe zum Parsifal in dieser Aufführung durchaus mehrfach hörbar wird).

Inhaltlich variiert das auf Maurice Materlinks gleichnamigem Drama basierende Libretto eine typische, ja keineswegs unopernhafte Eifersuchtsgeschichte (zwei Brüder rivalisieren um eine geheimnisvolle Frau) – aber der Reiz besteht eben darin, dass es ein Drama des Unausgesprochenen, Rätselhaft-Geheimnisvollen bleibt. An Stelle der Psychologisierung tritt die Verwendung von Symbolen. Was der Text nicht klärt, wird nicht einfach der Musik übergeben; vielmehr lässt sich der Orchesterpart als Stimme des Unbewussten, aber eben auch nicht Entschlüsselbaren deuten. Als „bürgerliches Trauerspiel mit zeitlosen Gestalten, denen eine mythische Dimension eigen ist" bezeichnet Regisseur Nikolaus Lenhoff das Werk im Programmheft, und damit ist auch das Wesentliche seiner Inszenierung umrissen.

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Gefährliches Spiel mit dem Ehering: Mélisande (Michaela Selinger) und Pelléas (Jacques Imbrailo)

Ein aufgeschnittener, mit der Diagonale zum Publikum ausgerichteter Quader mit schwerer dunkler Holzvertäfelung ist der Spielraum – eher Krupps Villa Hügel als Märchenschloss (Bühne: Raimund Bauer). Auch die eleganten, ein wenig mittelalterlich, ein wenig asiatisch angehauchten Kostüme (Andrea Schmidt-Futterer) lassen sich zeitlich nicht einordnen. Damit ist das Drama in der Sphäre des bürgerlichen Trauerspiels verankert, ohne dass dies genauer konkretisiert wird – weitere Requisiten aus dieser Sphäre gibt es nicht. Die verschiebbaren Wände schließen die Figuren ein wie eine Gruft, können sich aber auch öffnen und das Licht einfallen lassen. Überhaupt spielt das Licht (Olaf Frese) eine entscheidende Rolle. Bei den Szenenwechseln wird die Bühne langsam in mystisches Blau abgeblendet, sodass die Geschichte wie aus einem Nebel auftaucht und wieder verschwindet, nicht greifbar – das sieht fast ein wenig altmodisch aus, trifft aber die Atmosphäre sehr gut. Schade nur, dass Lenhoff ausgerechnet der Schluss misslingt. Da fahren bei Mélisandes Tod die Wände auseinander und die Sterbende gleitet in helles Licht (nun ja, nicht unbedingt originell, aber doch plausibel) – aber das verursacht viel zu viel Geräusch, was bei Debussys zart verlöschenden Schlusstakten ein Unding ist.

Vergrößerung in neuem Fenster Die Katastrophe: Pelléas und Mélisande werden von Golaud Vincent Le Texier) überrascht

Ansonsten vertraut diese angenehm ruhige und konzentrierte Regie der Musik, und was die fabelhaften Essener Philharmoniker daraus machen, ist schlichtweg großartig. Chefdirigent Stefan Soltesz kann sich auf ein höchst flexibles Orchester verlassen, das kleinste Bewegungen ungeheuer nuanciert nachzeichnet. Der Klang ist transparent und schlank, hat in den Streicherkantilenen aber auch expressiven Glanz. Die exzellenten, sehr disziplinierten Holzbläser fallen auch an den solistischen Stellen nie aus dem Gesamtklang heraus. Soltesz gelingt das Kunststück, die kleinmotivisch verästelte Musik im Detail sehr genau auszumusizieren und gleichzeitig immer den großen Spannungsbogen zu halten. Und obwohl er sehr sängerfreundlich und nie auftrumpfend dirigiert, übernimmt das Orchester ganz selbstverständlich (und durchaus im Sinne Debussys) die Hauptrolle.

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Mélisandes Tod; hinten Arkel (Wolfgang Schöne) und Geneviève (Doris Soffel)

Dem steht ein sehr ordentliches Sängerensemble gegenüber. Mit leicht ansprechendem, höhensicheren Bariton ist der junge Südafrikaner Jacques Imbrailo ein jugendlich schwärmerischer Pelléas, dem allein bei den Spitzentönen eine Spur Glanz und Geschmeidigkeit fehlt. Michaela Selinger gibt der Melisande eine warm leuchtende Mittellage mit etwas schärfer timbrierten Höhen; das ist tadellos gesungen – eine Spur entrückter dürfte die Partie klingen, aber das ist Kritik auf hohem Niveau. Vincent Le Texier singt den Golaud (den er seit 25 Jahren im Repertoire hat) mit großer Souveränität und Präsenz; der Stimme mangelt es ein wenig an den warmen Farben, aber gerade in den großen Ausbrüchen hat das hohes Format. Noch stärker merkt man Doris Soffel die lange und große Karriere an; die Stimme hat inzwischen manche (auch unangenehme) Schärfen, ist für die Partie der Geneviève auch sehr dramatisch, aber auf den Punkt genau gesungen. Wolfgang Schöne ist ein nicht nur klangschöner, sondern auch vitaler und agiler Arkel. Unglücklich besetzt ist der trotz elektronischer Verstärkung viel zu unscheinbare Knabensopran für den Yniold.


FAZIT

Keine Neudeutung, aber eine musikalisch ausgezeichnete Produktion in sehr schönen, klaren Bildern. Viel Applaus.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Stefan Soltesz

Inszenierung
Nikolaus Lehnhoff

Bühnenbild
Raimund Bauer

Kostüme
Andrea Schmidt-Futterer

Licht-Design
Olaf Freese

Chor
Alexander Eberle

Dramaturgie
Niels Szczepanski



Opernchor
des Aalto-Theaters

Essener Philharmoniker


Solisten

* Besetzung der Premiere

Arkel
* Wolfgang Schöne /
Franz-Josef Selig

Genevieve
* Doris Soffel /
Rebecca de Pont Davies

Pelleas
Jacques Imbrailo

Golaud
Vincent Le Texier

Melisande
Michaela Selinger

Yniold
* Dominik Eberle Martinez /
Diego Holtmeier

Arzt
Mateusz Kabala






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