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Grellbunte Klischees: Robin Poell (Bill) herzt Johanna Arrouas (Lois).

Foto: APA/BARBARA PALFFY/VOLKSOPER

Wien - Das Stück erzählt auch ein wenig Emanzipationsgeschichte der Nachkriegszeit, biegt alles weibliche Aufbegehren freilich rechtzeitig zum Finale zurecht. Die Schauspielerin Lilli Vanessi, die sich ihrem Ex-Mann und Chef, dem Regisseur und Produzenten Fred Graham, widersetzt, zwei Akte lang vor ihm Reißaus nehmen will, kehrt zum Happy End friedfertig zurück.

Kiss me, Kate von Cole Porter, uraufgeführt 1948 in New York, treibt dabei ein doppelbödiges Spiel. Denn die Schauspieltruppe probt ausgerechnet Shakespeares Der Widerspenstigen Zähmung, wo sich die ehemaligen Eheleute als Katharina und Petruchio wiederfinden und ihre Kämpfe auf zwei Ebenen zugleich austragen. Das Musical, das bereits 1956 durch das Engagement von Marcel Prawy an der Volksoper Wien heimisch wurde und hier seither mehr als 330-mal gegeben wurde, hat schon allein dadurch einen weit höheren Anspruch an Ensemble und Regie als die meisten klassischen Stücke seines Genres, vom jüngsten Einheitsbrei ganz zu schweigen.

Slapstick und Tempo als Selbstläufer

Denkbar dankbar ist es allerdings auch: Die Marotten der Shakespeare'schen Kratzbürste lassen sich leicht auf Lilli ausdehnen, die so sehr im Zentrum steht, dass die meisten der anderen Figuren fast zur Staffage verkommen dürfen, ohne der Wirksamkeit der Story abträglich zu sein - ein hinreichend präsenter Fred vorausgesetzt. Die Umkehrung der Rollen und die damit einhergehende Komik sind fast Selbstläufer, wenn sie nur halbwegs getimt werden.

Viel mehr als das geschieht denn auch in der Neuproduktion an der Volksoper, die seit Samstag auf dem Spielplan steht, nicht, wobei es Ausnahmen gibt. In ihrer letzten Nummer singt Lilli davon, sie wolle künftig die Hand unter die Fußsohle des Gatten legen: Hier kehrt Regisseur Bernd Mottl die Sache um, erniedrigt den Mann anstatt die Frau, wie im Text beschrieben.

Ansonsten sorgt die Inszenierung gemeinsam mit der Choreografie von Alonso Barros für Tempo und unverwüstlichen Slapstick. Die Ausstattung funktioniert, auch wenn das Bühnenbild von Friedrich Eggert die Aura einer sparsamen Laubsägearbeit besitzt und die Kostüme von Sue Blane so grellbunt zusammengewürfelt wurden, dass es manchmal fast wehtut.

Überzeichnetes Aus-der-Rolle-Fallen

Die Neufassung des deutschen Texts von Peter Lund kommt spritzig daher, geizt aber auch nicht mit gequälten Sexismen, die über den Originaltext weit an Deutlichkeit hinausgehen. In Kombination mit gar viel nackter Haut an den einschlägigen Stellen (Es ist viel zu heiß) werden somit doch vor allem allzu eindimensionale (Geschlechter-)Klischees bedient. Bei Lachnummern wie dem Schlag nach bei Shakespeare-Schlager der beiden Ganoven (Boris Eder und Herbert Steinböck) - mit einem kleinen Hänger bei der Premiere - funktioniert die reine Überzeichnung bestens, beim zweiten Paar (Robin Poell als Bill und Johanna Arrouas als Lois) auch auf gesanglicher Ebene weniger gut.

Das zentrale Paar agiert mit komödiantischer Lust am Rollenspiel und am Aus-der-Rolle fallen: Schräg und schrill outriert Franziska Becker (Lilli), auf die Andreas Lichtenberger (Fred) immer etwas behäbig, aber solid reagieren muss. Das Orchester bewährt sich unter Dirigent Lorenz C. Aichner mit Schmiss und fast ohne Schmisse. (Daniel Ender, DER STANDARD, 29.10.2012)