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Wexford Festival Opera
24.10.2012 - 04.11.2012


A Village Romeo and Juliet

Lyrisches Drama in sechs Szenen
Libretto vom Komponisten und Jelka Delius nach Gottfried Kellers Novelle Romeo und Julia auf dem Dorfe
Musik von Frederick Delius

In englischer Sprache mit englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 30' (eine Pause)

Premiere im O'Reilly Theatre im Wexford Opera House am 26. Oktober 2012
(rezensierte Aufführung: 01.11.2012)



 

 

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Liebestod im Fluss

Von Thomas Molke / Fotos von Clive Barda


Obwohl man in diesem Jahr den 150. Geburtstag von Frederick Delius feiert, wird seinem musikalischen Schaffen anlässlich dieses Jubiläums keine allzu große Aufmerksamkeit geschenkt. Das mag daran liegen, dass seine Opern nahezu in Vergessenheit geraten sind und man sein wohl bekanntestes Werk zumindest in Deutschland eher mit Gottfried Kellers literarischer Vorlage Romeo und Julia auf dem Dorfe in Verbindung bringt. So fand die Uraufführung seiner vierten Oper A Village Romeo and Juliet auch 1907 zunächst an der Komischen Oper in Berlin unter dem Titel der Novelle von Keller auf Deutsch statt, bevor sie dann für die Premiere in London ins Englische übersetzt wurde. Da sich das Wexford Festival Opera seit nunmehr 61 Jahren auf Opern-Raritäten konzentriert, nimmt man den 150. Geburtstag zum Anlass, dem recht vernachlässigten Opernschaffen dieses englischen Komponisten mehr Aufmerksamkeit zu schenken und präsentiert neben der genannten Oper eine Matinee mit Kompositionen von Delius und seinen Zeitgenossen und an den Tagen der Opernaufführung Ken Russells biographische Verfilmung Song of Summer über Delius' letzte Lebensjahre, der auf den Memoiren von Eric Fenby basiert, Delius' Sekretär, der dem in seinen letzten Lebensjahren blinden und gelähmten Komponisten ermöglichte, seine Kompositionen zu Papier zu bringen.

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Noch herrscht Friede zwischen Manz (Quentin Hayes, links) und Marti (Andrew Greenan, rechts), doch das Land des Dark Fiddler (David Stout, hinten Mitte) macht die beiden Nachbarn zu Erzfeinden.

A Village Romeo and Juliet erzählt die tragische Liebesgeschichte von Sali und Vreli, den Kindern der beiden verfeindeten Bauern Manz und Marti in einem kleinen Dorf in der Schweiz. Grund für die Fehde ist ein unbedeutendes Stück Land, das zwischen den Anwesen der beiden Familien liegt und welches beide Väter erwerben wollen, da der Sohn des ehemaligen Eigentümers als uneheliches Kind nicht erbberechtigt ist und nun unter dem Namen Dark Fiddler mit seinen Freunden ein Leben als Landstreicher fernab von allen gesellschaftlichen Konventionen führt, so dass das Land allmählich verwildert. Obwohl Manz und Marti ihren Kindern den Umgang miteinander verbieten, verlieben sich die beiden ineinander. Als Marti seine Tochter bei einem Treffen mit Sali erwischt, kommt es zu einem Kampf zwischen den beiden Männern, bei dem Sali Marti so schwer verletzt, dass dieser seinen Verstand verliert. Vreli will daraufhin mit Sali das Dorf verlassen und verbringt eine letzte gemeinsame Nacht mit Sali, in der sie von einer glücklichen Zukunft träumt. Auf einem nahe gelegenen Jahrmarkt versuchen die beiden, auf andere Gedanken zu kommen. Doch die anderen Menschen betrachten sie auch dort als Außenseiter und machen ihnen deutlich, dass sie hier nicht erwünscht sind. Folglich begeben sie sich zu einem Wirtshaus am Fluss, dem Paradise Garden, in dem der Dark Fiddler sie einlädt, mit seinen Freunden ein Leben in Freiheit zu führen. Aber Sali und Vreli erkennen, dass sie auch dafür nicht geschaffen sind und fahren mit einem alten Boot auf den Fluss hinaus, versinken in der Ferne und finden so im gemeinsamen Tod die lang ersehnte Vereinigung.

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Der Hass der Väter droht, die Liebe zwischen Sali (John Bellemer) und Vreli (Jessica Muirhead) zu zerstören.

Während die Kostüme von Jamie Vartan recht ländlich gehalten sind und die Erzählung nicht verfremden, gestaltet er das Bühnenbild etwas abstrakter. Dabei wird die Holzverkleidung des Zuschauerraums auf der Bühne fortgesetzt und führt auf einem ansteigenden Weg im Bühnenhintergrund senkrecht nach oben, um die Abgeschlossenheit der Gesellschaft zu demonstrieren. Erst nach dem fünften Bild, bei dem berühmten Zwischenspiel "A Walk to Paradise Garden" klafft in dieser Holzwand ein riesiges Loch, durch das Sali und Vreli von weißem Nebel umwabert auftreten. Eine besondere Rolle kommt im Bühnenbild auch dem kleinen Stück Land zwischen den beiden Familien zu. Während im ersten Bild die Verwilderung durch einen riesigen aufgetürmten Steinhaufen dargestellt wird und Manz und Marti mit dem Aufstellen weiterer Steine ihren Anspruch auf das Land manifestieren wollen, befindet sich im dritten Bild dort ein rechteckiges Feld mit hohen Ähren, das von zarten roten Mohnblumen umgeben ist. Hier wird deutlich, wie gegen den Willen der Väter die Liebe zwischen Sali und Vreli entsteht. Am Ende des dritten Bildes lässt der Regisseur Medcalf dieses Feld von Bauern abernten, und dieses abgeerntete Feld ist es letztendlich auch, mit dem Sali und Vreli am Ende des letzten Bildes versinken, da Sali, statt den Stöpsel des Bootes herauszuziehen, wie es in der Regieanweisung des Librettos angegeben ist, mit der Sichel Löcher in den Boden schlägt. Eine durchsichtige Folie, die am Schluss aus dem Schnürboden herabgelassen wird und hinter der verschiedene Holzteile und Kleidungsstücke von Sali und Vreli sichtbar werden, vermittelt somit auch das Gefühl, dass man sich nun am Grund des Flusses befindet. Dieses Bild bewegt das Publikum so sehr, dass es eine ganze Weile nach dem Verklingen des letzten Tones mucksmäuschenstill im Publikum bleibt, bevor der Applaus zunächst sehr zögerlich beginnt.

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Der Jahrmarkt bietet mit seinem bunten Treiben nur vorübergehend Ablenkung.

Auch die Übergänge zwischen den einzelnen Szenen werden durch eine aus dem Schnürboden herabgelassene Rückwand, die das Haus von Marti darstellt, geschickt umgesetzt. Bei der Traumsequenz fungiert der Chor, der in Gestalt der Bürger von Seldwyla zur Hochzeit von Sali und Vreli aufmarschiert, als eine Art Trennwand, hinter der Vreli in ein weißes Hochzeitskleid schlüpft und die weiße Matratze des Bettes, in dem Vreli mit Sali die Nacht verbringt, durch eine rote ausgetauscht wird, die einerseits den Verlust von Vrelis Unschuld, andererseits aber auch die Liebe der beiden symbolisiert. Das riesige Kreuz, welches hereingetragen wird, besteht aus Stroh, das an die Ähren aus der dritten Szene erinnert. Hier wird zum einen der Traumcharakter, zum anderen aber auch bereits die Ausweglosigkeit der Situation für die beiden Liebenden angedeutet. Für den Jahrmarkt werden nicht nur einzelne Solisten in aufwändige Kostüme gekleidet, die die einzelnen Stände darstellen, sondern zwei Clowns und vier Artisten sorgen mit akrobatischen Kabinettstückchen auch für eine richtige Zirkusatmosphäre. Mit diesen akrobatischen Einlagen wird allerdings zum Ende hin ein wenig übertrieben, da fast die Hälfte des Zwischenspiels "A Walk to Paradise Garden" zwei der Akrobaten gehört, die zwar in ihrem Tanz ein beeindruckendes Beziehungsspiel zeigen, das aber zu Sali und Vreli, denen diese Musik ja eigentlich inhaltlich zusteht, in keinem Zusammenhang steht. So hätte Medcalf ruhig darauf vertrauen können, Sali und Vreli während des kompletten Orchesterstückes durch den Nebel spazieren zu lassen, da das Treten auf der Stelle durchaus die ganze Szene getragen hätte.

Aus musikalischer Sicht ist es eigentlich bedauerlich, dass dieses Werk nicht zum gängigen Opern-Repertoire gehört, da Delius' Musik die Geschichte sehr bildhaft und bewegend umsetzt. Dazu gehören zum einen die Auftrittsmomente des Dark Fiddler, die immer eine gewisse Unruhe ins Spiel bringen, und zum anderen die recht aggressiven Momente von Marti und Manz, die im starken Kontrast zu den innigen Gefühlen zwischen ihren beiden Kindern stehen. Rory Macdonald gelingt es hervorragend, mit dem Orchester des Wexford Festival Opera diese leitmotivisch durchsetzte Struktur der Komposition herauszuarbeiten. Auch sein eindringliches Dirigat trägt beim Schlussbild nicht unwesentlich dazu bei, dass das Publikum in einem langen Moment der Stille verharrt, bevor es seiner Begeisterung freien Lauf lässt. Der Chor unter der Leitung von Gavin Carr überzeugt einerseits als bedrohliche Masse, die Sali und Vreli keine Chance gibt, in dieser starren Gesellschaft ihren Weg zu finden, und andererseits als weiß gekleidetes Gefolge des Dark Fiddler, das mit seiner freizügigen Lebensart den beiden Liebenden ebenfalls keine Alternative bieten kann. Quentin Hayes und Andrew Greenan statten die beiden Väter Manz und Marti mit fulminantem Bass-Bariton aus und zeigen in der ersten Szene glaubhaft, wie sich aus der ehemaligen Freundschaft die tiefe Feindschaft entwickelt. David Stout gibt dem Dark Fiddler mit seinem kräftigen Bariton und leicht undurchsichtigen Spiel eine unheimliche Note. Auch Jack Power und Stephanie Kinsella gefallen als junger Sali und junge Vreli mit bewegendem Spiel.

Stars des Abends sind Jessica Muirhead und John Bellemer als Vreli und Sali. Beide Interpreten konnten dank des Sponsorship - Programms der Freunde und Unterstützer des Wexford Festivals für die Partien gewonnen werden. Muirhead begeistert mit mädchenhaftem Spiel und lyrischem Sopran. Bellemer stattet den Sali mit höhensicherem Tenor aus, ohne dabei zu forcieren. So klingt seine Stimme stets geschmeidig und beweglich. Folglich gibt es nach dem bereits erwähnten Moment der Stille frenetischen Applaus für alle Beteiligten und ein Werk, das man gerne häufiger auf der Opernbühne erleben würde.

FAZIT

Frederick Delius' Jubiläum wird in Wexford mit einer musikalisch faszinierenden und szenisch packenden Produktion würdig gefeiert.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Rory Macdonald

Regie
Stephen Medcalf

Co-Regie
Rodula Gaitanou

Bühne und Kostüme
Jamie Vartan

Licht
Simon Corder

Choreographie
Paula O'Reilly

Chorleitung
Gavin Carr

 



Chor und Orchester des
Wexford Festival Opera


Solisten

Manz
Quentin Hayes

Marti
Andrew Greenan

Sali als Kind
Jack Power

Vreli als Kind
Stephanie Kinsella

Sali als Erwachsener
John Bellemer

Vreli als Erwachsene
Jessica Muirhead

The Dark Fiddler
David Stout

Farm Men
Jamie Rock
Cozmin Sime

Farm Women
Eleanor Lyons
Angharad Morgan
Cátia Moreso

Gingerbread-Woman
Iria Perestrelo

Wheel-of-Fortune-Woman
Maria Mirò

Cheap-Jewellery-Woman
Mae Heydorn

Showman
Leonel Pinheiro

Merry-go-round-Man
Owen Webb

Shooting-gallery-Man
Thomas Faulkner

The Slim Girl
Hannah Sawle

The Wild Girl
Kate Symonds-Joy

The poor Horn-Player
Daniel Joy

The Hunchbacked Bass-Fiddler
Simon Robinson

Bargemen
Adam Gilbert
Quentin Hayes
Patrick Hyland

Tänzer und Tänzerinnen
Jan Patzke
Ryan O'Neill
Aaron Jones
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Jenny Reeves
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