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Habt Euch ganz doll lieb!
Von Stefan Schmöe
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Fotos von Matthias Jung Ach, es wird geherzt und geschmust an diesem Abend wie lange nicht mehr in der Oper. Nicht nur, dass Zerbinetta mit dem Komponisten anbändelt das kennt man ja, nur, dass man sich hier nicht zart und subtil annähert; nein, der brave Komponist wird im Sturmangriff niedergeknutscht. Die Nymphen wiegen sich in den Armen der Komödianten, und zum Finale schauen sich auch noch Komödiant Truffaldin und der Tanzmeister gaaanz tief in die Augen. Herrjeh, ist das schön! Wir wollen gar nicht erst nach dem tieferen Sinn fragen, der bleibt heute Abend einfach draußen. Theater auf dem Theater: Wir befinden uns nicht im Palais des reichsten Mannes von Wien, sondern im Essener Aalto-Theater. Zerbinetta (Julia Bauer) und Gefolge bereiten sich auf die Oper "Ariadne auf Naxos" vor.
Nun zeigen Richard Straus und Librettist Hugo von Hofmannsthal ja nicht nur die eigentliche Oper Ariadne auf Naxos, sondern in einem auskomponierten Vorspiel auch die unmittelbaren Vorbereitungen der Aufführung. Da scheint es auf den ersten Blick nur allzu plausibel, dass Regisseur Michael Sturminger dieses Vorspiel auf offener leerer Bühne spielen lässt. Anders gesagt: Auf der Bühne des Aalto-Theaters sehen wir die Bühne des Aalto-Theaters, wo gleich die Ariadne aufgeführt werden soll. Das ist freilich nicht annähernd so raffiniert, wie es vielleicht klingt. Nicht ohne Grund verlegt Hofmannsthal das abstruse Geschehen in das Palais des reichsten Mannes von Wien, denn nur der kann verfügen, das gleichzeitig mit der großen tragischen Oper eine heitere Tanzmaskerade gespielt wird. In einem Stadttheater wirkt dieses Arrangement noch dämlicher, als es ohnehin schon ist. Die Starallüren von Diva und Tenor lassen sich vielleicht noch ganz hübsch karikieren, aber im Wesentlichen plätschert dieses 45-minütige Vorspiel bedeutungslos vor sich hin. Allein Michaela Selinger als Komponist kann mit leuchtendem, allerdings nicht immer unangestregtem Sopran ein paar interessante Momente herausschlagen. Schnell kommt man sich näher: Zerbinetta (Julia Bauer) und der Komponist (Michaela Selinger)
Für die eigentliche Oper besteht die Kulisse aus einer winzigen Pappmaché-Insel, auf der die Nymphen und Ariadne in Barockkostümen platziert sind (Ausstattung: Renate Martin und Andreas Donhauser). Das ist zudem hübsch ausgeleuchtet (Licht: René Dreher) und funktioniert unaufgeregt. Nur hat die Regie das Bedürfnis, alle paar Minuten irgendetwas geschehen zu lassen meistens muss die Drehbühne dafür herhalten und wir Zuschauer werden sozusagen hinter die Bühne geleitet, ohne die Plätze verlassen zu müssen. Dabei würde man durchaus gerne ungestört dem ziemlich gut harmonierenden Nymphenterzett (Astrid Kropp-Menédez als Najade, Anja Schlosser als Dryade und Francisca Devos als Echo) zuhören. Günter Kiefer (Harlekin), Rainer Maria Röhr (Scaramuccio), Roman Astakhov (Truffaldin) und Andreas Hermann (Brighella) sind (in modernen, farbenfrohen Anzügen) ein stimmlich sehr schlankes, aber akkurat singendes Komödiantenquartett, das die konventionell-behäbige Choreographie (Christina Hennings) noch um einiges präziser hätte einstudieren dürfen. Nett gekleidet auf der "wüsten Insel": Ariadne (Silvana Dussmann, Mitte) zwischen Nymphen
Und die Zerbinetta, dieses in Liebesdingen flatterhafte Wesen, so ganz anders als die heroisch treue Ariadne? Julia Bauer zwitschert im sehr schlanken Soubrettenton ganz wunderbar kokett durch alle Lagen. Und sie legt ihre Bravourszene nicht (nur) als Kabinettstückchen an (das eine engagiertere Personenregie verdient hätte), sondern sie singt auch die lyrischen Zwischentöne und gibt der Figur damit ein musikalisches Profil, das über das von der Regie szenisch verordnete hinaus geht. Die exponierten Töne nimmt sie mit Anlauf, das ist alles durchdacht und klug disponiert. Aber bei aller Sympathie für solches Engagement: Die Stimme ist eine Nummer zu klein, um der Ariadne auf Augenhöhe zu begegnen. Den obligatorischen Jubel gab's trotzdem, wie gesagt: Nicht ohne Grund (wobei die lautesten Brava-Schreier wohl nicht die Fachkundigsten waren, setzten sie doch rund 10 Takte zu früh ein. Und wo wir schon dabei sind: Wenn beim Schlussapplaus jeder Sänger ein immer gleich lautes Bravo bekommt - man hätte sicher die auch die Gaderobieren auf die Bühne holen können, ohne dass die Beifallsbekundungen nachgelassen hätten dann verliert sich die Wirkung recht bald.) Ariadne (Silvana Dussmann) und Bacchus (Jeffrey Dowd). Im Hintergrund finden Truffaldin (Roman Astakhov) und Tanzmeister (Albrecht Kludszuweit) ihr Liebesglück.
Vom hauseigenen Heldentenor Jeffrey Dowd weiß man hinlänglich, dass seine Stimme eher solide als glanzvoll ist; in der undankbaren Partie des Bacchus schlägt er sich mehr als achtbar. Hoch anzurechnen ist ihm, dass er auf die fast obligatorische Schreierei verzichtet da mögen die Circe, Circe-Rufe (sicher nicht die stärksten kompositorischen Momente im Strauss'schen uvre) recht farblos klingen, dafür bleibt der Lautstärkepegel auf einem Maß, dass noch eine Ausgestaltung der Musik erlaubt. Zumal Stefan Soltesz am Pult der sehr guten Essener Philharmoniker die heroische Ariadne-Oper deutlich mehr liegt als der Parlando-Tonfall des Vorspiels, das zwar kammermusikalisch akkurat musiziert ist, aber wenig mit dem Sprachgestus der Musik spielt und etwas steif bleibt. Alles in allem also ein für Essener Verhältnisse eher untermittelprächtiger Abend also bis auf einmal Unerhörtes geschieht. Silvana Dussmann als nicht allzu schwere, sehr intensiv singende Ariadne hatte schon vorher mit einem flammenden Es gibt ein Reich, wo alles rein ist aufhorchen lassen (vor allem im bewegteren zweiten Teil). Jetzt, im Duett mit Bacchus, da befeuern sich Sänger, Dirigent und Orchester plötzlich gegenseitig, dass man die oberflächliche Regie vergisst und alles nur noch ganz großartige Musik ist. Die Essener Philharmoniker spielen federleicht, transparent und doch expressiv und groß im Ton. Jeffrey Dowds Tenor blüht auf, nicht nur in der kultivierten Mittellage, sondern auch in geschmeidigen Spitzentönen. Und Silvana Dussmann fokussiert ihre hell leuchtende Stimme zu mühelosen Aufschwüngen eine bewegliche jugendlich-dramatische Ariadne. Und ohne die große heroische Attitüde zu verleugnen wird von allen sehr fein nuanciert gesungen und musiziert eine Viertelstunde große Oper. Da macht es sogar irgendwo wieder Sinn, dass sich alle beglückt in die Arme fallen.
Eine Viertelstunde große Oper - bis dahin erlebt man vor allem szenisch viel Mittelmaß. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild und Kostüme
Choreographie
Licht-Design
Dramaturgie
Solisten
Der Tenor (Bacchus)
Ein Musiklehrer
Ein Offizier
Der Komponist
Ein Tanzmeister
Ein Perückenmacher
Der Haushofmeister
Ein Lakai
Zerbinetta
Primadonna (Ariadne)
Harlekin
Scaramuccio
Truffaldin
Brighella
Najade
Dryade
Echo
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