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Die Krönung der Poppea (L'Incoronazione di Poppea)

Opera musicale in einem Prolog und drei Akten
Libretto von Giovanni Francesco Busenello
Musik von Claudio Monteverdi

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 10' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Dortmund am 1. Dezember 2012




Theater Dortmund
(Homepage)
Liebe und Intrigen im goldenen Haus

Von Thomas Molke / Fotos von Bettina Stöß

Obwohl Claudio Monteverdis letzte Oper L'Incoronazione di Poppea nicht am Anfang der Operngeschichte steht, markiert sie dennoch einen Neubeginn der Gattung, da erstmalig kein mythologisches Thema gewählt wird, sondern Personen auf der Bühne stehen, die wirklich gelebt haben. Dabei nimmt es der Librettist Giovanni Francesco Busenello mit der historischen Wahrheit allerdings nicht ganz so genau. So war es in Wirklichkeit nicht Neros Lehrer und Erzieher Seneca, der der Liebe des Kaisers zu Poppea im Weg stand, sondern Neros Mutter Agrippina, die für ihre Opposition sterben musste. Seneca wurde von Nero erst einige Jahre später aus dem Weg geräumt, weil sich der Philosoph angeblich an einer Verschwörung beteiligt haben soll. Auch wurde der spätere Kaiser Otho (Ottone) in der Realität nicht in die Verbannung geschickt, weil er versucht hatte, Poppea zu töten, sondern vom Kaiser als Statthalter nach Lusitanien weggelobt, damit letzterer Poppeas Gunst gewinnen konnte. Ansonsten folgt das Libretto um den römischen Kaiser Nero (Nerone), der alle Hindernisse aus dem Weg räumt, um seine Geliebte Poppea zur Kaiserin zu krönen, im Großen und Ganzen den historischen Begebenheiten.

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Virtù (Julia Amos, oben links) und Fortuna (Tamara Weimerich, oben rechts) streiten darum, wer von größerer Bedeutung ist. Die Menschen (Ensemble) schauen irritiert zu.

Die Besonderheit der Inszenierung von Jens-Daniel Herzog liegt darin, dass das Publikum auf der Opernbühne sitzt und dass sich das Geschehen zum einen zwischen den jeweils fünf Reihen in einem relativ schmalen Gang, zum anderen hinter den Reihen oder auf einer Art Balkon über den beiden Ein- und Abgängen auf der linken und rechten Seite abspielt. So erhält der Abend eine ungeheure Intimität. Das führt natürlich dazu, dass die Platzkapazität enorm eingeschränkt ist und insgesamt nur 270 Plätze zur Verfügung stehen. Um so überraschender ist dabei, dass nicht alle Plätze besetzt waren, obwohl die Premiere im Netz als ausverkauft angekündigt war. Sollten aufgrund der undurchschaubaren Wetterlage einige Premierengäste ihre Karten haben verfallen lassen? Oder sollte die jahreszeitlich bedingte Erkältungswelle dafür verantwortlich gewesen sein, die auch das Ensemble ereilt hatte und dazu führte, dass Lucian Krasznec die Partie der Arnalta nur spielen konnte, während Hans-Jürgen Lazar von der Oper Frankfurt sich freundlicher Weise bereit erklärt hatte, die Premiere zu retten, indem er die Partie vom Blatt sang? Dem intensiven Erlebnis tat es jedenfalls keinen Abbruch.

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Poppea (Eleonore Marguerre, rechts) träumt von einer glorreichen Zukunft als Kaiserin. Arnalta (Lucian Krasznec, links) ist eher skeptisch.

Mathis Neidhardt hat den Bühnenraum mit goldenen Wänden umgeben, so dass der Zuschauer das Gefühl hat, sich mit den Musikern und Solisten in einem großen goldenen Palast zu befinden. Die goldene Farbe lässt dabei unterschiedliche Assoziationen zu. Einerseits könnte es eine Anspielung auf die Domus aurea sein, die Kaiser Nero als Domizil in Rom errichten ließ. Andererseits könnte damit auch die Entstehungszeit der Oper als "goldenes" Barockzeitalter gekennzeichnet sein. Unstrittig ist jedenfalls eine Verbindung der allegorischen Figuren und Götter zu den goldenen Wänden, da sie alle goldfarbene Perücken tragen und sich in den schwarzen Kostümen deutlich von den Menschen in der Oper abheben. Fortuna und Virtù sind es, die in einem Prolog darüber streiten, wer von ihnen den größeren Einfluss besitzt und denen Amore mit der Geschichte um Nero und Poppea beweisen will, dass er der wahre Herrscher ist. Während die drei ihr Streitgespräch hinter dem Publikum führen, befinden sich die anderen Figuren in weißer Unterwäsche auf dem langen Steg in der Mitte der Bühne und wissen noch nicht so recht, wie ihnen eigentlich geschieht. Erst wenn Amore die Kostüme aus dem Schnürboden herabfahren lässt und sie den einzelnen Figuren zuteilt, wird ihnen klar, dass sie nun in die jeweiligen Rollen schlüpfen müssen.

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Seneca (Christian Sist, rechts) signiert dem Todesboten Liberto (Philippe Clark Hall, links) vor dem angeordneten Selbstmord in der Badewanne noch eine Ausgabe seiner philosophischen Schriften.

Herzog findet im Folgenden recht stimmige Bilder, um die Geschichte mit modernen Bezügen zu erzählen, ohne sie dabei völlig zu verfremden. Poppea ist bei ihm eine Schauspielerin, die es mit ihrer Kunst versteht, Nerone den Kopf zu verdrehen. So lässt er sie in einer Künstlergarderobe mit rotem Pailletten-Kleid zu einem Vamp mutieren und mit blonder Marilyn-Perücke die Männerherzen höher schlagen. Ob man währenddessen allerdings Nerone auf der Schulbank zeigen muss, wie er von seinem Lehrer Seneca mit dem Stock gemaßregelt wird, da er seine Aufgaben nicht richtig erledigt hat, ist Geschmacksache. Seneca kurz vor seinem Selbstmord hingegen in einer Badewanne hereinzuschieben und in seinen philosophischen Schriften gewissermaßen baden zu lassen, zeigt wiederum eine gut durchdachte Umsetzung der Vorlage, auch wenn Merkur die Tragik bricht, indem er als eine Art Vertreter mit zwei Koffern Seneca unterschiedliche Utensilien anbietet, um sein Leben zu beenden. Dass Senecas Tod letztendlich von drei Malern regelrecht in Szene gesetzt wird, dürfte eine Anspielung auf die Verewigung dieses Momentes in der Kunst darstellen.

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Drusilla (Julia Amos) liebt Ottone (Ileana Mateescu), doch er hat nur die schöne Poppea im Sinn.

Wieso Drusilla ein scheußliches Blümchenkleid tragen muss, das eher an einen Hausfrauenkittel erinnert, wird nicht ganz klar. Soll damit gezeigt werden, weshalb sie für Ottone keine wirkliche Alternative zu der geliebten Poppea ist, auch wenn sie sich für ihn aufopfert? Jedenfalls hat das Kleid den Vorteil, dass Ottone es leicht überziehen kann, um sich inkognito in Poppeas Gemach zu schleichen. Nachdem der Mordversuch jedoch gescheitert ist und Drusilla sich bereit erklärt hat, für Ottone die Schuld auf sich zu nehmen, teilt Amore allerdings Drusilla Ottones Kampfanzug und Ottone Drusillas Kleid für die Verbannung zu, um zu unterstreichen, dass sich eigentlich nur Drusilla in dieser Situation als richtige Kämpferin gezeigt hat, während Ottone in jeder Hinsicht versagt hat. Von daher ist auch hier wieder eine Absicht zu erkennen. Wieso die Übertitel allerdings in recht platter Übersetzung gewollt modernisiert werden und nicht immer unbedingt etwas mit dem gesungenen Wort zu tun haben, ist nicht nachvollziehbar.

Dass auch die komischen Momente in dieser Inszenierung nicht zu kurz kommen, ist vor allem der großen Spielfreude der Protagonisten zu verdanken. Allen voran ist hier Lucian Krasznec als Arnalta zu nennen, der zwar erkältungsbedingt nicht einen Ton herausbringt, in seinem Spiel allerdings eine solche Bühnenpräsenz zeigt, dass es Freude bereitet, ihm zuzuschauen. Wie er bei den Feierlichkeiten das Tablett mit den Häppchen an sich reißt und beim Vertilgen der Häppchen gespannt beobachtet, wie Poppea Nerone verführt, oder wie er später Poppea vor dem Übergriff Ottones zu schützen versucht, zeugt von großem komischen Talent. Dabei entwickelt er sich beinahe zu einer tragischen Figur, wenn er zunächst den Schmuck und das Geld der in die Verbannung geschickten Ottavia an sich nimmt, ihn dann aber verliert, wenn Poppea ihm das Kleid vom Leib reißt und ihn von sich stößt. Während Amore Nerone mit der goldenen Perücke von Pallade gewissermaßen zum Gott erhebt und der Kaiser anschließend mit Poppea als Herrscherpaar auf dem goldenen Balkon thront, wird Arnalta zu den anderen hinabgestoßen und von Amore mit goldenem Flitter aus einem Benzinkanister überschüttet, bevor Nerone und Poppea am Ende ihres wunderbaren Duettes ein Feuerzeug anzünden, was vielleicht den späteren Brand Roms andeutet.

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Poppea (Eleonore Marguerre) an Nerones (Christoph Strehl) Seite als neue Kaiserin

Fausto Nardi führt die Dortmunder Philharmoniker, die auf einem Balkon seitlich oberhalb des Publikums sitzen, mit konzentriertem Dirigat durch die barocke Partitur und erzeugt einen wunderbaren Klang, der die Solisten in keinem Moment zudeckt. Eleonore Marguerre gestaltet die Titelpartie mit warmem Sopran und charmantem Spiel. Katharina Peetz hält als Kaiserin Ottavia mit klangschönem Mezzo dagegen. Christoph Strehl gibt den Nerone als einen unberechenbaren Machtmenschen, den man sich nicht zum Feind machen sollte. Christian Sist verleiht dem Philosophen Seneca mit sonorem Bass eine gewisse Würde. Ileana Mateescu glänzt als Ottone mit großem Mezzo. Tamara Weimerich begeistert als Diener Valletto mit keckem Spiel und erhält Szenenapplaus, wenn sie / er dem Philosophen Seneca recht unverblümt mitteilt, was von seiner stoischen Lehre zu halten ist. Dieser Vorwurf mag manchem Lateinschüler aus der Seele gesprochen haben. Auch die übrigen Solisten überzeugen mit einer soliden Leistung, so dass es am Ende lang anhaltenden und verdienten Applaus für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Herzog führt in intimer Atmosphäre vor, wie spannend Monteverdi inszeniert werden kann. Vor allem Altphilologen sollten sich diese Produktion nicht entgehen lassen.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Fausto Nardi

Regie
Jens-Daniel Herzog

Bühne und Kostüme
Mathis Neidhardt

Lichtdesign
Ralph Jürgens

Dramaturgie
Hans-Peter Frings /
Georg Holzer

 

Dortmunder Philharmoniker

 

Solisten

*rezensierte Aufführung

Fortuna, Valletto
Tamara Weimerich

Virtù, Drusilla
Julia Amos

Amore, Damigella
Maike Raschke

Poppea
Eleonore Marguerre

Nerone, Kaiser
Christoph Strehl

Ottavia, Kaiserin
Katharina Peetz

Ottone, General
Ileana Mateescu

Seneca, Philosoph
Christian Sist

Arnalta, Poppeas Amme
Lucian Krasznec (Spiel)
Hans-Jürgen Lazar (Gesang)

Liberto, Soldato 1, Console
Philippe Clark Hall

Lucano, Famigliare 2, Soldato 2
John Zuckerman

Pallade, Famigliare 1
Maria Hiefinger

Mercurio, Littore, Famigliare 3, Tribuno
Morgan Moody


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