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Viele surrealistische bunte Bilder zu großartiger Musik
Von Michael Cramer
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Fotos von Hans Jörg Michel
Das Mannheimer Premierenpublikum scheint sich mit der bunten, plakativen und surrealistischen Bildersprache von Achim Freyer, der gerade mit Siegfried den dritten Teil des Bühnenfestspiels abgeliefert hat, angefreundet zu haben oder nur still zu leiden: Der Protestdonner gegen Freyer nach Rheingold und Walküre beim Schlussapplaus war hier auf ein Minimum zusammengeschrumpft. Das mag aber auch an dem außerordentlich hohen musikalischen Niveau der Premiere gelegen zu haben. GMD Dan Ettinger scheint an seiner bisherigen Arbeit mit dem Ring gereift zu sein, er führt Sänger und Orchester hoch konzentriert und souverän durch den langen Abend. Die Synchronisation mit der Bühne war fast wackelfrei, sein Wagnerklang berückend, er zauberte spannungsvolle, durchsichtige, emotionale Bögen. Wenn es auch vor allem im Blech gelegentlich ein wenig zu laut schallte und selten leise Töne zu vernehmen waren, so erfreute doch eine außerordentlich vielschichtige, kontrastreiche, kompakter und packende Musik. Misere des germanischen Gesundheitssystems
Dazu passte auch die Sängerschar, allen voran Thomas Jesatko als Wanderer Wotan, mit voluminösem, herrlich strömendem Bassbariton, selbstbewusst, facettenreich und geschmeidig. Mit Alberich (Jürgen Linn war krankheitshalber kurzfristig für Karsten Mewes eingesprungen) hatte er einen stimmlich ebenbürtigen Partner, rollengerecht in Färbung und Ausdruck, kratzig und aggressiv, fabelhaft sein Dialog mit dem Wanderer im zweiten Aufzug. Sung-Heon Has tiefschwarzer Bass verlieh dem Riesen Fafner das nötige Fundament, der Waldvogel von Antje Bitterlich zwitscherte in klaren und sicheren Höhen, Erda warnt den Wanderer figurengerecht ganz ausgezeichnet. Siegfrieds Ziehvater Mime (hervorragend als Bösewicht: Uwe Eikötter) war nicht nur stimmlich ziemlich beschäftigt; er absolvierte ein erhebliches Laufpensum über die weitläufige Bühne, zog ständig einen trennenden Brecht´schen Vorhang hin und her und hat viel Arbeit im Umgang mit Siegfried. Die Inszenierung verlangte einen sehr vielfältigen auch gesanglichen Einsatz; großes Kompliment! Ein Ensemble, stimmlich aus einem Guss, lediglich die Brünhilde von Judith Németh, durchaus mit einer klassischen Heroinnenstimme ausgestattet, erfreute etwas weniger mit viel Vibrato und Schärfe in den Höhen; sie kassierte dann auch einige allerdings entbehrliche Buhs. Der Titelheld hat es im Siegfried nicht leicht, muss er doch eine mörderisch lange und hohe Partie eines Heldentenors bewältigen; das gelang Jürgen Müller perfekt - mit nur ganz kleinen Abstrichen. Ein wenig Anstrengung war bei manchen Höhen und zum Ende hin schon zu hören, aber Müller hat eine große Palette an Farben in seiner Stimme, Heldentum, Tragik, Komik, jedoch auch Sensibilität und fühlbare Trauer, so bei den Fragen zu seiner Mutter Sieglinde. Schwierig wird das Singen immer, wenn im Sitzen oder sogar im Liegen gesungen werden soll und das musste Siegfried über lange Strecken. Damit kommt der schwierige Teil: Die Inszenierung. Achim Freyer ist ein Vollblut-Theatermann, er kommt vom Bühnenbild und der Malerei und inszeniert in vielfältigen, oft verwirrenden bunten Bildern; so auch hier. Nicht nur, dass der schon erwähnte Vorhang nervig oft zum Einsatz kommt, er dekoriert mit allerlei Trödel und Utensilien aus früheren Inszenierungen, auch der Fernseher mit angedeuteten Pornoszenen darf nicht fehlen; Kinder müssen heute früh an alle Aspekte des Lebens herangeführt werden. Auch Stockpuppen kommen zum Einsatz, technisch toll von unsichtbaren Akteuren gehandelt; die Tötung des Drachens Albtraum jeder Inszenierung erfolgt quasi per Kasperletheater. Ganz schön gefährdet, der arme Siegfried
Freyer erzählt den Handlungsstrang seines Siegfried präzise und unverfälscht, er findet keine erkennbar neue Sicht auf das Wunderwerk Richard Wagners. Nur wie und mit welchen Bildern er erzählt, das ist halt typisch Freyer. Die menschliche Geschichte des Ring beginnt auf weißer Bühne, ein Eisbär lungert immer mal wieder herum, Siegfried, grell bunt wie ein Clown oder Harlekin, liegt gefesselt in einem abenteuerlichen Krankenbett, wird von Mime ärztlich behandelt mit riesigen bunten Plastikspritzen und Schläuchen, wird unter Drogen gesetzt, erzählt unter Halluzinationen die Geschichte von der Bärenjagd. Er darf nicht entfliehen, soll Notung reparieren, später für Mime den Drachen töten und das Gold rauben. Szenisch gibt es reichlich stilisiertes Gerenne auf der Bühne, vieles bleibt rätselhaft, ein Zusammenhang mit dem Text oder der Musik ist nicht immer erkennbar. Optisch und szenisch sehr spannend ist die lange Annäherung Siegfrieds an Brünhilde, die fast im Schnürboden hängt; ein bodenlanges weißes Übergewand fällt bei der Vereinigung mit Siegfried, ihr passend rotes Kleid spiegelt sich in verblüffenden ästhetischen Lichteffekten wieder. Obwohl über lange Zeit eigentlich nichts Wirkliches passiert, schafft Freyer es, hier keinen Moment Leerlauf oder gar Langeweile aufkommen zu lassen. Anmache mal auf die schwierige Tour
Der Rezensent gesteht freimütig, sich zur Inszenierung kein festes Urteil gebildet zu haben; allerlei Clownerien, vieles grotesk überzeichnet, manches erheiternd, etliches absurd, flach oder psychologisch nicht ausgereizt da existieren sicher sehr vielschichtige Ansichten über Sinn und Qualität dieses Abends. Erfreut hat es auf jeden Fall sehr, und das bunte Spektakel selbst anzuschauen lohnt allemal. Der Regisseur, glühender Wagner-Verehrer und schon Jahrgang 1934, hat sich auf der Spielwiese seiner Fantasie so richtig ausgetobt. Das kann er, das muss man ihm lassen, das ist sein gutes Recht. Man freue sich schon mal auf die Götterdämmerung.
Szenisch konsequente Weiterführung des Ring-Zyklus in opulenter Bildersprache und auf hohem musikalischen Niveau. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung / Bühne / Kostüme / Lichtkonzept
Licht
Dramaturgie
Mitarbeit Regie
Konzeptionelle Mitarbeit Regie
Mitarbeit Bühne und Kostüme
SolistenSiegfriedJürgen Müller
Mime
Wanderer
Alberich
Fafner
Erda
Brünnhilde
Waldvogel
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