Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Siegfried

Zweiter Tag des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen
Text und Musik von Richard Wagner


In deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 5h 30' (zwei Pausen)

Premiere am 1. Dezember 2012 am Nationaltheater Mannheim



Homepage

Nationaltheater Mannheim
(Homepage)
Viele surrealistische bunte Bilder zu großartiger Musik

Von Michael Cramer / Fotos von Hans Jörg Michel


Das Mannheimer Premierenpublikum scheint sich mit der bunten, plakativen und surrealistischen Bildersprache von Achim Freyer, der gerade mit Siegfried den dritten Teil des Bühnenfestspiels abgeliefert hat, angefreundet zu haben – oder nur still zu leiden: Der Protestdonner gegen Freyer nach Rheingold und Walküre beim Schlussapplaus war hier auf ein Minimum zusammengeschrumpft. Das mag aber auch an dem außerordentlich hohen musikalischen Niveau der Premiere gelegen zu haben. GMD Dan Ettinger scheint an seiner bisherigen Arbeit mit dem Ring gereift zu sein, er führt Sänger und Orchester hoch konzentriert und souverän durch den langen Abend. Die Synchronisation mit der Bühne war fast wackelfrei, sein Wagnerklang berückend, er zauberte spannungsvolle, durchsichtige, emotionale Bögen. Wenn es auch vor allem im Blech gelegentlich ein wenig zu laut schallte und selten leise Töne zu vernehmen waren, so erfreute doch eine außerordentlich vielschichtige, kontrastreiche, kompakter und packende Musik.


Foto kommt später Misere des germanischen Gesundheitssystems

Dazu passte auch die Sängerschar, allen voran Thomas Jesatko als Wanderer Wotan, mit voluminösem, herrlich strömendem Bassbariton, selbstbewusst, facettenreich und geschmeidig. Mit Alberich (Jürgen Linn war krankheitshalber kurzfristig für Karsten Mewes eingesprungen) hatte er einen stimmlich ebenbürtigen Partner, rollengerecht in Färbung und Ausdruck, kratzig und aggressiv, fabelhaft sein Dialog mit dem Wanderer im zweiten Aufzug. Sung-Heon Has tiefschwarzer Bass verlieh dem Riesen Fafner das nötige Fundament, der Waldvogel von Antje Bitterlich zwitscherte in klaren und sicheren Höhen, Erda warnt den Wanderer figurengerecht ganz ausgezeichnet. Siegfrieds Ziehvater Mime (hervorragend als Bösewicht: Uwe Eikötter) war nicht nur stimmlich ziemlich beschäftigt; er absolvierte ein erhebliches Laufpensum über die weitläufige Bühne, zog ständig einen trennenden Brecht´schen Vorhang hin und her und hat viel Arbeit im Umgang mit Siegfried. Die Inszenierung verlangte einen sehr vielfältigen auch gesanglichen Einsatz; großes Kompliment! Ein Ensemble, stimmlich aus einem Guss, lediglich die Brünhilde von Judith Németh, durchaus mit einer klassischen Heroinnenstimme ausgestattet, erfreute etwas weniger mit viel Vibrato und Schärfe in den Höhen; sie kassierte dann auch einige – allerdings entbehrliche – Buhs.

Der Titelheld hat es im Siegfried nicht leicht, muss er doch eine mörderisch lange und hohe Partie eines Heldentenors bewältigen; das gelang Jürgen Müller perfekt - mit nur ganz kleinen Abstrichen. Ein wenig Anstrengung war bei manchen Höhen und zum Ende hin schon zu hören, aber Müller hat eine große Palette an Farben in seiner Stimme, Heldentum, Tragik, Komik, jedoch auch Sensibilität und fühlbare Trauer, so bei den Fragen zu seiner Mutter Sieglinde. Schwierig wird das Singen immer, wenn im Sitzen oder sogar im Liegen gesungen werden soll – und das musste Siegfried über lange Strecken. Damit kommt der schwierige Teil: Die Inszenierung. Achim Freyer ist ein Vollblut-Theatermann, er kommt vom Bühnenbild und der Malerei und inszeniert in vielfältigen, oft verwirrenden bunten Bildern; so auch hier. Nicht nur, dass der schon erwähnte Vorhang nervig oft zum Einsatz kommt, er dekoriert mit allerlei Trödel und Utensilien aus früheren Inszenierungen, auch der Fernseher mit angedeuteten Pornoszenen darf nicht fehlen; Kinder müssen heute früh an alle Aspekte des Lebens herangeführt werden. Auch Stockpuppen kommen zum Einsatz, technisch toll von unsichtbaren Akteuren gehandelt; die Tötung des Drachens – Albtraum jeder Inszenierung – erfolgt quasi per Kasperletheater.

Foto kommt später

Ganz schön gefährdet, der arme Siegfried

Freyer erzählt den Handlungsstrang seines Siegfried präzise und unverfälscht, er findet keine erkennbar neue Sicht auf das Wunderwerk Richard Wagners. Nur wie und mit welchen Bildern er erzählt, das ist halt typisch „Freyer“. Die menschliche Geschichte des Ring beginnt auf weißer Bühne, ein Eisbär lungert immer mal wieder herum, Siegfried, grell bunt wie ein Clown oder Harlekin, liegt gefesselt in einem abenteuerlichen Krankenbett, wird von Mime „ärztlich behandelt“ mit riesigen bunten Plastikspritzen und Schläuchen, wird unter Drogen gesetzt, erzählt unter Halluzinationen die Geschichte von der Bärenjagd. Er darf nicht entfliehen, soll Notung reparieren, später für Mime den Drachen töten und das Gold rauben. Szenisch gibt es reichlich stilisiertes Gerenne auf der Bühne, vieles bleibt rätselhaft, ein Zusammenhang mit dem Text oder der Musik ist nicht immer erkennbar. Optisch und szenisch sehr spannend ist die lange Annäherung Siegfrieds an Brünhilde, die fast im Schnürboden hängt; ein bodenlanges weißes Übergewand fällt bei der Vereinigung mit Siegfried, ihr passend rotes Kleid spiegelt sich in verblüffenden ästhetischen Lichteffekten wieder. Obwohl über lange Zeit eigentlich nichts Wirkliches passiert, schafft Freyer es, hier keinen Moment Leerlauf oder gar Langeweile aufkommen zu lassen.

Foto kommt später

Anmache mal auf die schwierige Tour

Der Rezensent gesteht freimütig, sich zur Inszenierung kein „festes Urteil“ gebildet zu haben; allerlei Clownerien, vieles grotesk überzeichnet, manches erheiternd, etliches absurd, flach oder psychologisch nicht ausgereizt – da existieren sicher sehr vielschichtige Ansichten über Sinn und Qualität dieses Abends. Erfreut hat es auf jeden Fall sehr, und das bunte Spektakel selbst anzuschauen lohnt allemal. Der Regisseur, glühender Wagner-Verehrer und schon Jahrgang 1934, hat sich auf der Spielwiese seiner Fantasie so richtig ausgetobt. Das kann er, das muss man ihm lassen, das ist sein gutes Recht. Man freue sich schon mal auf die Götterdämmerung.


FAZIT

Szenisch konsequente Weiterführung des Ring-Zyklus in opulenter Bildersprache und auf hohem musikalischen Niveau.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Dan Ettinger

Inszenierung / Bühne / Kostüme / Lichtkonzept
Achim Freyer

Licht
Sebastian Alphons

Dramaturgie
Regine Elzenheimer

Mitarbeit Regie
Sebastian Bauer

Konzeptionelle Mitarbeit Regie
Tilman Hecker

Mitarbeit Bühne und Kostüme
Petra Weikert



Orchester des
Nationaltheaters Mannheim


Solisten

Siegfried
Jürgen Müller

Mime
Uwe Eikötter

Wanderer
Thomas Jesatko

Alberich
Jürgen Linn

Fafner
Sung-Heon Ha

Erda
Edna Prochnik

Brünnhilde
Judith Németh

Waldvogel
Antje Bitterlich



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Nationaltheater Mannheim
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2012 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -