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Buntes Barockspektakel
Von Thomas Molke / Fotos von Hans Jörg Michel
Nachdem man sich an der Deutschen Oper am Rhein in den letzten drei Jahren mit einem Rameau-Zyklus der französischen Barockmusik gewidmet hat, gibt es in dieser Spielzeit in Koproduktion mit der Komischen Oper Berlin ein Werk von Händel, das sich trotz seines relativ geringen Erfolgs bei der Uraufführung mittlerweile neben Giulio Cesare in Egitto einen relativ festen Platz im Standardrepertoire erobert hat. Die Rede ist von Xerxes. Während die Oper nach der Uraufführung schnell von den Spielplänen verschwand und erst 1924 bei den Händel-Festspielen in Göttingen wieder zur Aufführung gelangte, trat die berühmte Auftrittsarie der Titelfigur "Ombra mai fù", in der Xerxes seine Liebe zu einer Platane besingt, als "Largo" bereits kurz nach der Uraufführung einen Siegeszug durch Europa an. Die Gründe für den damaligen Misserfolg des Werkes mögen mit dem Unverständnis des Publikums zusammengehangen haben, das den parodistischen Zügen, mit denen Händel auf die seit zehn Jahren recht erfolgreiche Beggar's Opera von Gay und Pepusch reagierte, nicht folgen konnte oder wollte, weil es gegen den allgemeinen Trend am starren Korsett der Opera seria festhielt. Händel jedenfalls strebte mit zahlreichen Grenzüberschreitungen eine Erneuerung des Genres an und versuchte so, den sinkenden Erfolg der Gattung zu stoppen, was ihm allerdings nicht gelang, so dass er sich nach zwei weiteren Opern dem Oratorium zuwandte. Valer Barna-Sabadus als Xerxes Die Handlung spielt im Jahr 480 v. Chr., als der persische König Xerxes mit seinem Heer am Hellespont eine Brücke aus miteinander verbundenen Kriegsschiffen baute, um nach Griechenland überzusetzen. Das Libretto übernimmt aus der bei Herodot überlieferten Historie eigentlich nur die Episode, in der Xerxes eine Platane wegen ihrer Schönheit mit goldenem Schmuck behängt. Ansonsten konzentriert sich die Oper auf die in der Opera seria typischen Liebesverwicklungen. Xerxes verliebt sich in Romilda, die Geliebte seines Bruders Arsamenes. Atalanta, Romildas Schwester, hofft dadurch, Arsamenes für sich zu gewinnen. Da Arsamenes allerdings nicht von Romilda lassen will, schickt Xerxes ihn ins Exil. Amastris, Xerxes' Braut, ist ihrem untreuen Geliebten heimlich gefolgt und hat sich als Soldat verkleidet, um unerkannt zu bleiben. Da Atalanta Xerxes überzeugen kann, dass Arsamenes eigentlich sie und nicht Romilda liebt, beschließt Xerxes, seinen Bruder zu begnadigen. Romildas Vater Ariodates missversteht den König, als dieser um die Hand seiner Tochter für einen Mann königlichen Geblüts anhält, und glaubt, dass Xerxes damit seinen Bruder meint. Folglich verheiratet er Arsamenes mit Romilda. Als Xerxes daraufhin Romilda töten lassen will, stellt sich Amastris dazwischen, führt Xerxes seine Treulosigkeit vor Augen und will Rache nehmen. Doch Xerxes bereut sein Verhalten und bittet Amastris um Verzeihung. Xerxes (Valer Barna-Sabadus) und Amastris (Katarina Bradi ć)Das Regie-Team um Stefan Herheim konzentriert sich in der Inszenierung um den parodistischen Charakter, der dem Werk zugrunde liegt. So wirken zwar einige Regieeinfälle extrem platt - wenn beispielsweise die Buchstaben des Königs zu "Sex" "Rex" umgedreht werden, um anzudeuten, dass dieser Herrscher sich nur von seinem sexuellen Verlangen lenken lässt, oder wenn sich bei einem Schuss mit einer Kanonenkugel ein riesiges Loch in der Bühnenrückwand auftut oder ein Amor aus dem Schnürboden heruntergeschossen wird - sorgen beim Publikum allerdings für zahlreiche Lacher und sogar Szenenapplaus, auch wenn dadurch die einzelnen Musiknummern unterbrochen werden. Gesungen wird größtenteils auf Deutsch. Nur wenige Arien wie beispielsweise die berühmte Auftrittsarie des Xerxes "Ombra mai fù" werden im Original präsentiert. Man gewinnt den Eindruck, dass Herheim immer dann die deutsche Übersetzung wählt, wenn es sich nicht um eine reine Beschreibung von Affekten dreht, sondern die Handlung vorangetrieben wird. Die in den früheren Barockopern übliche inhaltliche Trennung zwischen Rezitativen und Arien ist nämlich in Händels Xerxes zumindest stellenweise aufgelöst. Xerxes (Valer Barna-Sabadus, links) und Ariodates (Torben Jürgens, rechts) auf der Schiffbrücke Das Bühnenbild von Heike Scheele ist recht aufwendig gestaltet und durch die eingesetzte Drehbühne in drei Teile geteilt. Der mittlere Teil suggeriert eine barocke Theaterbühne, auf der am Anfang natürlich der besungene Baum gezeigt wird, später eine Straße mit Häusern auf der rechten und linken Seite und nach der Pause, sogar das tosende Meer mit grünen Pappwellen und den Schiffen im Hintergrund, die wohl die Brücke nach Griechenland darstellen. Auf der rechten und linken Seite sieht man jeweils eine Art Vorraum zur Bühne, der mal als Garderobe, mal als Gemach fungiert. Hier werden die Liebesbriefe geschrieben, die zu den allgemeinen Verwicklungen führen. Die Kostüme von Gesine Völlm sind recht opulent gehalten, wobei die Soldaten des Xerxes eher an römische Legionäre aus einem Asterix-Comic erinnern als an Perser. Xerxes wirkt teilweise wie der französischen Sonnenkönig, wenn er mit weißer Langhaarperücke und goldenem Kranz und Brustpanzer auftritt. Ansonsten sind die Kostüme der Figuren optisch eher im 18. Jahrhundert als im 5. vorchristlichen Jahrhundert zu verorten. Romilda (Heidi Elisabeth Meier) beteuert Arsamenes (Terry Wey, rechts) ihre Liebe, doch er glaubt ihr nicht (im Hintergrund: Ariodates (Torben Jürgens)). In der Personenregie verlangt Herheim den Solisten einiges ab, was von den Sängern sehr komödiantisch umgesetzt wird. Nicht klar wird, warum Herheim Atalanta hinter der Bühne misshandeln lässt. Wenn Atalanta am Ende des ersten Aktes beschließt, ihre Reize einzusetzen, um Arsamenes für sich zu gewinnen und anfängt, den Herrenchor anzuflirten, so dass dieser sie anschließend von der Bühne trägt, und sie im nächsten Auftritt nicht nur ramponiert, sondern auch geschunden erscheint, ist das sicherlich übertrieben und unnötig. Romildas Balkon hingegen über der besungenen Platane anzubringen und so zu motivieren, wieso die Liebe zu einem Baum plötzlich auf eine Frau übergeht, ist als Regieeinfall durchaus gelungen. Auch den Chor als Meerestiere im Wasser singen zu lassen, während dahinter die Brücke aus den Kriegsschiffen das Übersetzen nach Griechenland ermöglicht, gehört zu den faszinierenden Momenten der Inszenierung, die in keinem Moment langweilig wird, da Herheim wirklich jeden musikalischen Moment szenisch umsetzt. Die Solisten verfügen allerdings nicht nur über eine enorme Spielfreude und Agilität, sondern lassen auch musikalisch keine Wünsche offen. Torben Jürgens stattet den Ariodates mit einem kräftigen Bass aus und reizt die komischen Momente der Figur gekonnt aus. Hagen Matzeit präsentiert als Elviro die ganze Bandbreite seiner Stimme, die vom Bariton bis zum Counter reicht, und zeigt sich in der Rolle des Dieners mit markanten Tiefen und einem herrlichen Dialekt, während er als verkleidete Blumenverkäuferin den Stimmwechsel zum Counter glaubhaft vollzieht. Anke Krabbe begeistert als Atalanta mit glockenklarem Sopran und perlenden Koloraturen. Heidi Elisabeth Meier steht ihr als Romilda in nichts nach. Großartig gelingt ihr die Arie "E gelosia quella tiranna", in der sie Arsamenes' Eifersucht beklagt. Katarina Bradi ć rundet als Amastris mit einem beweglichen Mezzo die Damenriege wunderbar ab. Faszinierend ist dabei auch ihre Sportlichkeit, wenn sie während ihrer Koloraturen vor Xerxes eine Brücke macht. Terry Wey wird zwar vor der Vorstellung als indisponiert angesagt, lässt aber als Arsamenes in keinem Moment der Aufführung irgendeine stimmliche Schwäche erkennen. So lässt er in der Rolle des ständig leidenden Bruders seinen warmen Countertenor wunderbar fließen.Für die Titelpartie ist Valer-Barna-Sabadus engagiert, der erneut manifestiert, wieso er zu den Shooting-Stars der Szene gehört. Zum einen brilliert er in den Höhen mit glasklaren Tönen, zum anderen gelingt ihm auch eine samtige Mittellage. Auch darstellerisch weiß er zu überzeugen, wenn er einerseits den sexhungrigen König mimt oder andererseits zu seiner Arie "Per rendermi beato", in der er von seiner Hochzeit mit Romilda träumt, in den Orchestergraben hinabsteigt und erst mit dem Orchester, dann mit dem Dirigenten und schließlich sogar mit dem Publikum in Interaktion tritt. Auch Konrad Junghänel lässt mit der Neuen Düsseldorfer Hofmusik keinerlei Wünsche offen und zaubert einen perfekten Händel-Klang aus dem Graben, so dass es am Ende frenetischen Applaus für alle Beteiligten gibt.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung Szenische Einstudierung
Bühne Kostüme Licht Chor
Dramaturgie
Mitarbeiter der Technik Neue Düsseldorfer Hofmusik
Solisten
Xerxes
Arsamenes
Amastris
Ariodates
Romilda
Atalanta
Elviro
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