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Musiktheater
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Götterdämmerung

Dritter Tag des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen
Musik und Text von Richard Wagner

in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Dauer: ca 5 ¾   Stunden – zwei Pausen

Premiere am 17. März 2000 (Wiederaufnahme am 20. Januar 2013)
(besuchte Vorstellung: 03.02.2013)

Homepage Staatstheater Stuttgart

(Homepage)

Dramatisch bis zum Bersten

Von Christoph Wurzel / Fotos: Martin Sigmund

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Die Nornen als Obdachlosen-Trio mit verlorener Bestimmung: „Der Welt melden Weise nichts mehr“.
(Rebecca von Lipinski, Marina Prudenskaja und Sophie Marilley)

Als man an der Stuttgarter Oper um die Jahrtausendwende daran ging, Richard Wagners Ring des Nibelungen neu zu inszenieren (siehe auch unsere Rezension), erregte das Vorhaben unter anderem dadurch großes Aufsehen, dass die vier Teile des Zyklus an vier verschiedene Regisseure vergeben wurden. Ein ungeheures Unterfangen, die Tetralogie zu dekonstruieren, so wurde von Puristen geklagt. Obwohl die Produktionen nach Vollendung des ganzen Zyklus bei Publikum und in der Fachwelt große bis größte Zustimmung fanden, blieb das Modell umstritten und hat auch kaum nennenswert Nachfolger gefunden. So bleibt der Stuttgarter Ansatz nahezu singulär und wenn man die folgenden Inszenierungsrunden des Rings überschaut, so bleibt nach Ansicht des Rezensenten zumindest hierzulande (einschließlich Bayreuths) wenig übrig, was in szenischer Hinsicht spannender gewesen wäre. Was als Kritik (Zerschlagung von Zusammengehörenden) formuliert wurde, zeigte sich als Chance, die Vielschichtigkeit im Ring zu entdecken, ganz in dem Sinne wie es der damalige Stuttgarter Intendant Klaus Zehelein formuliert hatte, dass nämlich geschlossene Modelle, die Welt erklären zu wollen, obsolet geworden seien. Joachim Schlömer (Rheingold), Christof Nel (Walküre) und im Siegfried Jossi Wieler, der gegenwärtige Intendant der Staatsoper, der mit seinem Dramaturgie-Partner Sergio Morabito schon damals häufig und sehr erfolgreich in Stuttgart inszeniert hatte, befragten die Ring – Teile konsequent auf ihre Relevanz für die Gegenwart und stellten sie zudem noch als vitales Theater auf die Opernbühne. Letzteres gelang in ganz besonderen Maße auch Peter Konwitschny in seiner Inszenierung der Götterdämmerung, in der er souverän mit den theatralischen Bällen jongliert. Als Solitär ist diese Produktion nun im Wagner-Jahr wieder in Stuttgart zu sehen und erweist sich als immer noch  bezwingendes Musiktheater.

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Leichter durch Ironie zu ertragen: „Heil dir Brünnhilde, prangender Stern! – Heil dir Siegfried, siegendes Licht!“
(Stefan Vinke und Irmgard Vilsmaier)

Alle Rollen sind natürlich nach 13 Jahren neu besetzt und wurden neu einstudiert (Lars Franke). Hierbei gelang zwar nicht durchgängig dieselbe Intensität wie in den ursprünglichen Aufführungen, aber insgesamt wurden die Charaktere doch deutlich gezeichnet und von den Sängerdarstellern überzeugend vorgestellt. Nach wie vor macht die Bühnenkonstruktion von Bert Neumann großartigen Eindruck, dessen einfach konstruierter Kubus in der Art einer Scheune für alle Szenen bestechend logisch als Drehbühne einsetzbar ist, mal mit Planen verhängt als Fahrzeug für Siegfrieds Rheinfahrt, dann offen als Halle der Gibichungen oder verkleinert zum Gemach Brünnhildes in ihrem Felsengebirge, was als Ambiente ironisch genussvoll die Ring-Bühnenbilder des 19.  Jahrhunderts mit Flammengezüngel im Vordergrund und Alpenpanorama im Hintergrund aufgreift. Als Naturidyll taugt dieser Kubus ebenso, indem zu Beginn des 3. Akts einfach eine Projektion die Rheinlandschaft auf eine Zwischenwand zaubert. Konwitschny erzählt in diesem Bühnenraum die Handlung klar und präzise und spannt den szenischen Bogen gekonnt zwischen Parodie und Entsetzen weit aus. Wenn nach Siegfrieds Tod die Trauermusik beklemmend erklingt, wobei Wagner „reglose Trauer der Umstehenden“ in die Regieanweisung schreibt, dann steht der Mannen-Chor tatsächlich minutenlang erstarrt vor dem Ermordeten, während sich im Hintergrund die Bühne wieder in die Gibichungenhalle verwandelt.

Als beklemmendes Kammerspiel ist Hagens Traum inszeniert, wenn Alberich (Michael Ebbecke mit kraftvollem Bass) als missgestalteter Zwerg langsam aus dem Hintergrund auftaucht und in einer Mischung von Grusel und Zärtlichkeit an seinen Sohn appelliert, den Ring zurückzuholen. An dieser Stelle zeigt sich besonders deutlich die differenzierte Personenzeichnung, was eine große Qualität dieser Inszenierung ausmacht. Auch der Chor ist großartig geführt, da gibt es dramatische Aktion unter den Mannen, wenn sie von Hagen zum archaischen Ritual zusammengerufen werden.

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"Schläfst du, Hagen mein Sohn?" Alberich (Michael Ebbecke, vorne) und Hagen (Attila Jun, hinten)

Gesungen wird in dieser Wiederaufnahme auf beachtlich hohem Niveau. Bis hinein in die kleineren Rollen hat Stuttgart großartige Sängerinnen und Sänger aufzubieten. Stefan Vinke singt einen beeindruckenden Siegfried, dem vielleicht in der Prolog-Szene auf dem Brünnhilde-Felsen noch etwas  heldischer Glanz abgehen mag, der aber dann reiche vokale Farben entwickelt und vor allem die Erzählung der Drachentötung feinfühlig gestaltet. In Irmgard Vilsmaier als Brünnhilde hat er eine über weite Strecken ebenbürtige Partnerin, deren Kraft allerdings in der Schlussszene in den Spitzentönen leicht nachlässt. Dennoch steht mit dieser Sängerin eine exzeptionelle Brünnhilde auf der Bühne. Attila Jun ist ein starker Hagen, stimmlich durchdringend und kernig. Er wird zu einem Zentrum der ganzen Aufführung. Shigeo Ishino gibt einen stimmlich markanten Gunther, den er als von seinem Halbbruder Hagen Getriebenen spielt. Präsent singt und spielt Simone Schneider die Rolle der Gutrune. Die beiden Frauentrios der Nornen und der Rheintöchter sind zuverlässigen Sängerinnen des Stuttgarter Ensembles anvertraut, die größtenteils auch schon in größeren Rollen hervorgetreten sind, darunter Marina Prudenskaja auch in der Rolle der Waltraute, die sie mit warmem Mezzo stimmlich bestens ausfüllt.

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Hagen (Attila Jun, mit den Herren des Staatsopern- und Extrachors)

Dass auf den Stuttgarter Staatsopernchor stets Verlass ist, beweist er gemeinsam mit dem Herren-Extrachor auch wieder in dieser Aufführung. Es ist ein Ensemble von höchster Bühnenpräsenz mit großartiger Stimmgewalt und trägt zur bis zum Bersten gespannten Dramatik an den entscheidenden Stellen beeindruckend bei. Exzellent spielt das Orchester, das mit seinem Dirigenten nach der zweiten Pause schon mit stehenden Ovationen bedacht wird. Tatsächlich entfaltet es einen in schönsten Farben glänzenden Orchesterklang, im Blech makellos und in allen Registern klangschön und rein. Marc Soustrot, der in Stuttgart schon mehrfach als Orchesterleiter brilliert hat, lässt in allen dynamischen Facetten spielen, deckt aber auch an lauten Stellen die Sänger nicht zu. Dem dramatischen Atem der Musik lässt er eindrucksvoll freien Lauf.

FAZIT

Stuttgart stellt seine Götterdämmerung  nach 13 Jahren wieder vor und sie ersteht wie frisch produziert. Die Szene hat an Kraft nichts verloren, musikalisch entfaltet sich opulenter Wagnersound. Man bekommt richtig Lust, auch die anderen Teile des Rings wieder zu sehen.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Marc Soustrot

Inszenierung
Peter Konwitschny

Szenische Leitung
der Wiederaufnahme

Lars Franke

Bühne und Kostüme
Bert Neumann

Licht
Lothar Baumgarte

Dramaturgie
Werner Hintze
Juliane Votteler

Chor
Johannes Knecht

 


Staatsorchester Stuttgart

Staatsopernchor
Stuttgart

Herren des Extrachores der
Oper Stuttgart


Solisten

Siegfried
Stefan Vinke

Gunther
Shigeo Ishino

Alberich

Michael Ebbecke

Hagen
Attila Jun

Brünnhilde

Irmgard Vilsmaier

Gutrune

Simone Schneider

Waltraute
Marina Prudenskaja

1. Norn
Marina Prudenskaja

2. Norn
Sophie Marilley

3. Norn
Rebecca von Lipinski

Woglinde
Yuko Kakuta

Wellgunde
Sophie Marilley

Floßhilde

Lindsay Ammann

Ein Bär
Ilija Pranjic


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Staatstheater Stuttgart
(Homepage)



Da capo al Fine

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