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Ehepartner, die nur die Verhältnisse aneinanderketten: Elisabeth Schwarz (als Gretchen) und Lars Woldt (als Baculus).

Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Wien - Erheiternd ist der Wildschütz an der Oberfläche, in seinen Tiefenschichten allerdings gefriert das Lachen: Abhängigkeitsverhältnisse, ausbeuterische Adelige und ein aggressiver Bräutigam - bereit, seine frisch Angetraute für 5000 Gulden zu verscherbeln. Schwer ist das Stück zu fassen: Legt man nur die Komödie offen, wird man seinen sozialbissigen Charakter nicht fassen. Betont man die Gesellschaftsanalyse, wirkt das Humorige bald völlig deplatziert.

Regisseur Dietrich W. Hilsdorf sucht an der Wiener Volksoper einen Mittelweg: Die brutale Seite dieser Verwechslungs- und Verstellungsorgie unterschlägt er nicht. Allerdings bewahrt er die Figuren im entscheidenden Augenblick vor totaler Offenlegung ihrer kühlen Seelen, belässt sie also im Klischeezustand.

Am wenigsten noch Schulmeister Baculus: Dieser ist ein autoritärer Grobian, der zusehen muss, wie seine Gattin schon beim Hochzeitsfest zärtlich nach jüngeren Herren greift. Auch drückt ihn noch ein anderer Problemschuh: Er hat im Revier des Grafen gewildert, was eine Amtsenthebung gewärtigen lässt. Erst am Schuss wird evident, dass Baculus (Lars Woldt trägt die Aufführung mit vokaler Präsenz und düsterer Ausstrahlung) seinen eigenen Esel erlegt hat und keinesfalls den gräflichen Rehbock.

Bis es so weit ist, wird Baculus seinem Gretchen (recht unscheinbar: Elisabeth Schwarz) indes aus Eifersucht drohen, sie auf den Müll zu werfen. Auch wird Graf von Eberbach (solide als Mix aus Figaro-Graf und Don Giovanni: Daniel Ochoa) allen (inklusive seiner Schwester) nachstellen.

Und selbst der nach dauerhafter Bindung dürstende Baron Kronthal (spielt etwas steif, verfügt aber über ein angenehmes Timbre: Mirko Roschkowski) muss sich in die Gräfin vergucken, bis er schließlich bei Baronin Freimann, der Schwester des Grafen (tadellos Anja-Nina Bahrmann), landet.

Räumlich hat Hilsdorf für diese Geschichte auf Enge gesetzt: Im ersten Akt ist es ein Klassenzimmer (Bühnenbild: Dieter Richter), das den an sich individuell gezeichneten Chor beengt. Später wechselt man auf das geräumigere Schloss Eberbach, wo die Gräfin (gediegen Alexandra Kloose) ihre Umwelt mit Lesungen quält.

Und da bei Hilsdorf die Revolution von 1848 und soziale Umbrüche schon im Anrollen sind, spricht sogar aus der Gräfin das Kommunistische Manifest, fallen zu Vorstellungsende schließlich auch Flugblätter in den Zuschauerraum ("Das Leben der Reichen ist ein langer Sonntag").

Dies also mit ernster Ornamentik ausgeschmückte Stück netten Musiktheaters wurde vom Orchester unter Alfred Eschwé dann auch mit ein bisschen Phrasierungsschärfe ausgestattet. Im Grunde aber auch hier: eine anständige Version ohne besonderes Profil, dafür aber mit ein paar Koordinationsproblemen zwischen Graben und Bühne. (Ljubiša Tošic, DER STANDARD, 22.4.2013)