Und der Champagner prickelt doch: „Die Regimentstochter“, neu einstudiert

Champagner prickelt dochDie Regimentstochter
Champagner prickelt dochDie RegimentstochterWiener Staatsoper/Michael Pöhn
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Staatsoper: Sechs Jahre nach der Premierenserie ist Donizettis Oper wieder auf dem Spielplan. Mit fast durchwegs neuer Besetzung. Mit einer drastisch komischen Marie und etwas Divenglanz.

Und ja nicht mit dem Champagner knausern, Herzchen! Eine Mahnung, bei der die imperiale Duchesse de Crakentorp von Dame Kiri Te Kanawa aus überfeinertem Französisch plötzlich in saftiges Englisch verfällt. Doch wie recht sie hat! Prickeln muss es, am besten unablässig, und wer hier ohne einen musikalischen Schwips nach Hause geht, dem wurde nicht richtig eingeschenkt . . .

Gaetano Donizettis von manchen als seicht geschmähte, von vielen geliebte Opéra comique „La fille du régiment“ steht wieder auf dem Staatsopern-Spielplan – ganze sechs Jahre nach der Premierenserie, in der Natalie Dessay und Juan Diego Flórez, der ironischen Inszenierung von Laurent Pelly sei Dank, Komödienmaßstäbe gesetzt haben und Montserrat Caballé das Publikum mit unberechenbar sprühender Selbstironie hingerissen hat: eine auch in London und New York umjubelte Produktion von seltener Kulinarik. In Wien war nach neun Aufführungen Schluss – bis jetzt bei einer gewissenhaft vorbereiteten, geglückten Wiederaufnahme eine fast durchwegs neue Besetzung antrat.

Zugegeben: Erinnerung verklärt. Aber im Vergleich mit damals hilft es schon, die Ansprüche um ein, zwei Grade zurückzuschrauben, dann kann man bereits sein Vergnügen haben bei dieser turbulenten Lesart, die die Farce über die Romanze stellt und der es dadurch spätestens jetzt ein bisschen an Herz fehlen mag. Sei's drum: Vergnügen vor allem, weil Aleksandra Kurzak als Marie zwischen frechem Kobold, deftigem Rotzmädel und, nicht ganz so virtuos, unglücklich Liebender gut zu vermitteln weiß. Dass sie dabei auch stimmlich keine drastische Komik scheut, macht sie im Nu zum Publikumsliebling. Jeder Triller, jede Girlande ist bei Kurzak Mittel zum darstellerischen Zweck – da nimmt man es hin, dass die Spitzentöne nicht recht aufblühen, sondern dünn bleiben.

Sängerisch dominiert sie dennoch, zumal John Tessier hörbar nicht in gleichem Maß aus Glanz und Wonnen des Belcanto herkommt wie zuvor Flórez. Doch mit seinem etwas spröden, hellen, aber bis in höchste Höhen sicheren Tenor gibt der vielseitige Kanadier bei seinem Hausdebüt den Tirolerbuam Tonio insgesamt durchaus passend als eine Art tollpatschigen Hansi Hinterseer – und streicht sich dabei die blonde Mähne mit bemerkenswerter Ausdauer immer wieder hinter die Ohren zurück.

Kiri Te Kanawa: Vor allem Grande Dame

Bei so viel Bodenständigkeit kommt etwas Divenglanz gerade recht. Kiri Te Kanawa war auch zu ihren Glanzzeiten nur selten an der Staatsoper zu erleben: Nach ihrem Debüt als Desdemona 1980 kehrte sie erst nach längerer Pause als Marschallin wieder und gab zuletzt vor 20 Jahren die Arabella. Bei ihrem 13. Auftritt im Haus am Ring verdingt sie sich nun als Crakentorp, der vielleicht prunkvollsten aller Edelwurzen – wobei ihre rollengemäß wiederholt und mit Grandezza ausgebreiteten Arme wie bei weiland Pavarotti gar zweimaligen Auftrittsapplaus provozierten. Glänzend sieht die 69-Jährige aus, erinnert mit der ersten Fidelia-Arie aus Puccinis „Edgar“, die durch ihren wiegenden 6/4-Takt die zuvor mitgesummte, einfache Ländler-„Tirolienne“ gleichsam ins Opulente weiterführt, mit Geschmack an große Vergangenheit und bietet darstellerisch als vom Geschehen wenig amüsierte Dame auch so etwas wie damenhaftes Amüsement.

Angeführt vom vergnügt-vergnüglichen Sulpice des Carlos ?lvarez, der als Einziger von der Premierenbesetzung übrig war, waren auch das übrige Ensemble und der Chor mit Feuereifer bei der Sache; Guillermo García Calvo am Pult des hoch motivierten Orchesters dirigierte mit zackigem Schmiss und ließ doch auch elegant und geschmeidig musizieren – schöne Soli von Englischhorn und Violoncello inbegriffen: Der Champagner prickelte doch. (Noch bis 13. Mai.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2013)

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