Wagners Ring, um zwölf Stunden kürzer

Wagners Ring, um zwölf Stunden kürzer
Wagners Ring, um zwölf Stunden kürzer(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
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„Wagners Ring an einem Abend“ mit Zwischentexten von Loriot: ein heiterer Abend für Wagnerianer – und sogar jene, die das nie werden wollen.

„Gekürzt, nur gekürzt!“ In Schnitzlers „Weitem Land“ kommt das Gespräch auf Umfragen zum Thema, ob Wagner-Opern komplett oder nicht aufgeführt werden sollen; in Ernst Lothars legendärer Inszenierung hat Adrienne Gessner als Frau Wahl mit dem zitierten Satz, der in unerschütterlichem Brustton jeglichen Widerspruch als pure Narretei abtut, die Lacher auf ihrer Seite. In der Tat war das vor hundert Jahren noch einen Disput wert, hatte doch erst kurz zuvor Gustav Mahler mit den teils rigorosen Strichen aufgeräumt, die an der Wiener Hofoper üblich gewesen waren (und die Mahlers Nachfolger Weingartner prompt wieder einführte).

Was er am meisten verabscheue, wollte die „FAZ“ 70 Jahre später im Rahmen des berühmten Proust-Fragebogens von Loriot wissen. „Gekürzte Wagner-Opern“, lautete die Auskunft des begeisterten Musikfreundes und Bayreuth-Pilgers, der sich so als Wagnerianer voller Selbstironie erwies. Dennoch hat gerade Loriot den „Ring an einem Abend“ ermöglicht – und damit Striche im Ausmaß von rund zwölf Stunden gutgeheißen, die freilich auch das Volksopernpublikum dankbar goutiert.

Am Beginn des dritten Jahrhunderts nach Wagner gibt man nämlich im Haus am Gürtel wieder jene „Digest“-Fassung der Tetralogie, die bereits 1993 und 1994 hier zu erleben war, damals noch mit Loriot persönlich als Erzähler. Nun schlüpft, wie schon wiederholt bei Bernsteins „Candide“, der Hausherr Robert Meyer in die dankbare Rolle des Opernführers und geleitet die Hörer durch Ernst Märzendorfers schlüssige, teils auch innerhalb der gewählten Teile geschickt verknappte Auswahl zentraler Szenen aus dem „Ring“.

Zwar können dreieinhalb Stunden Wagner-Happen länger wirken als fünf Stunden komplett, doch boten das nicht durchwegs ausgeglichene Volksopernensemble nebst Staraufputz sowie ein im Lauf des Abends an Sicherheit gewinnendes Orchester unter Jac van Steen einen soliden, wenn auch nicht mitreißenden Abend. Da legte sich Sebastian Holecek, obwohl unsicher an den Noten klebend, sängerisch voll ins Zeug und lieferte einen imposant tönenden Wotan, dem im glutvoll-dämonischen Alberich von Martin Winkler ein scharf charakterisierender Gegenspieler zuwuchs. Unfrei, aber belastbar heldisch Endrik Wottrich (Siegmund und Siegfried), trotz kurzen Atems vor allem in der Mittellage gebieterisch die Brünnhilde der Irmgard Vilsmaier.

Das Beste aber blieben Loriots verbindende Texte, in denen dieser Meister der hellsichtig-geschliffenen Pointe nicht nur seinen typischen Witz zeigt, sondern auch viel Verständnis für die tief menschlichen Regungen von Göttern, Riesen, Helden und Zwergen im Streben nach Macht und Liebe. Großer, zuletzt leicht erschöpfter Jubel.

Noch am 27., 30.5., 2.6.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2013)

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