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Die Räuber (I masnadieri)

Oper in vier Akten
Dichtung von Andrea Maffei nach Friedrich Schillers Die Räuber
Musik von Giuseppe Verdi

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Premiere im Aalto-Theater Essen am 8. Juni 2013
(rezensierte Aufführung: 18.06.2013)


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Theater Essen
(Homepage)
Die Räuber als Kapitalismuskritik

Von Thomas Molke / Fotos von Thilo Beu

Das Verdi-Jubiläumsjahr bietet für Opernliebhaber den Vorteil, dass zahlreiche Häuser neben dem gängigen Repertoire auch auf seltener gespielte Werke des großen italienischen Komponisten der Romantik zurückgreifen. So kann man in diesem Jahr in Nordrhein-Westfalen neben Don Carlo auch die drei anderen Schiller-Vertonungen erleben. Den Anfang macht dabei das Aalto-Theater in Essen mit I masnadieri. Für die Inszenierung hat man dabei mit Dietrich W. Hilsdorf nicht nur einen "alten Bekannten" verpflichtet, der mittlerweile seine 19. Produktion für das Haus kreiert hat, sondern auch nach Don Carlo und Luisa Miller bereits die dritte Schiller-Vertonung Verdis präsentiert. Während seine anderen Verdi-Deutungen für das Aalto-Theater Maßstäbe gesetzt haben, kann sein Regie-Ansatz für dieses recht sperrige Werk, das zahlreiche Verdi-Biographen zu den schlechtesten Kompositionen Verdis zählen, die hohen Erwartungen nicht uneingeschränkt erfüllen.

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Franz (Aris Argiris) will Amalia (Liana Aleksanyan) für sich gewinnen.

Es beginnt bereits damit, dass Hilsdorf starke Eingriffe im Libretto vornimmt, was vielleicht mit Blick auf den Bekanntheitsgrad des Schiller'schen Dramas verzeihlich erscheint, einen Teil des Publikums aber dennoch verwirren dürfte, weil bei den Änderungen eventuell unklar ist, ob diese nun aus der eigentlichen Oper oder der Regie resultieren. So führt Hilsdorf die Figur des Herrmann, der bei Verdi aus einem unehelichen Sohn eines Edelmanns und Daniel, einem alten treuen Diener des alten Grafen Moor, zusammengesetzt ist, als "Bastard des alten Moor" ein, um so die fünf Hauptfiguren als einen Familien-Clan zu präsentieren, der ebenfalls eine Räuberbande darstellt, wenn auch nicht im klassischen Sinn. Nach Hilsdorfs Ansicht fußt der beträchtliche Reichtum des Grafen Moor ebenfalls auf Raub und Plünderei, nur dass beides durch kapitalistische Regeln legitimiert wird. Der erste Teil des Abends, der die ersten beiden Akte bis zum Ende des ersten Bildes umfasst, wenn Amalia sich dem Werben des jüngeren Sohns Franz entzieht, spielt sich nur im Hause des Grafen Moor ab und konzentriert sich auf die Familienkonstellation zwischen dem alten Moor, seinen Söhnen Karl und Franz, Amalia als Ziehtochter des Grafen und Herrmann, des "Bastards", der sich zunächst von Franz instrumentalisieren lässt, aus Liebe zu Amalia allerdings später die Seiten wechselt. Die Räuber, denen sich Karl eigentlich im ersten Bild des ersten Aktes anschließt, existieren nur als Stimmen in Karls Kopf und werden vom Chor von den Zuschauerrängen aus gesungen.

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Karl (Zurab Zurabishvili, vorne Mitte) mit seiner Räuberbande (Chor und Herren-Extrachor)

Der zweite Teil, den Hilsdorf nach einem Roman von Michel Houellebecq "Ausweitung der Kampfzone" betitelt, spielt nun im "Räuberlager", das sich allerdings als Schaltzentrale einer Banken- oder Börsenwelt entpuppt. Die Räuber sind hier also keine zerlumpten Gestalten am Rande einer Gesellschaft, sondern Banditen der kapitalistischen Marktwirtschaft, die seit Jahren wesentlich größere Raubzüge vornehmen. Nun bevölkern Anzug- und Krawattenträger die Bühne, deren ausschweifendes Leben sich zwischen Börsenkursen, Alkohol und Prostituierten abspielt. Johannes Leiacker hat für beide Teile ein imposantes Einheitsbühnenbild mit hohen dunklen Marmorwänden entworfen, bei dem von allen drei Seiten eine Treppe in die Mitte der Bühne herabführt. Im Hintergrund ist ein großes Fenster, das in einer Projektion einen Blick auf Hochhäuser gibt, die ebenfalls als Schaltzentralen der Macht fungieren dürften. Dieses Büro verwandelt sich am Ende wieder in das herrschaftliche Haus des Grafen, so dass man das Gefühl hat, den eigentlichen Schauplatz gar nicht gewechselt zu haben. Die Räuber waren nur eine Vision, die am Ende wieder genau wie zu Beginn von den Zuschauerrängen erschallen. Der eigentliche "Räuberhauptmann" ist der alte Moor, der als Vertreter einer durch und durch kapitalistischen Gesellschaft, nachdem die ganze Familie bis auf Karl ausgerottet ist und letzterer wegen des Mordes an Franz und Amalia seiner Verurteilung entgegensieht, von Herrmann, dem "Bastard" abgelöst wird.

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Karl (Zurab Zurabishvili, links) hat seinen Bruder Franz (Aris Argiris, rechts) getötet. Amalia (Liana Aleksanyan) tröstet den alten Moor (Marcel Rosca).

Bei allem Ernst, mit der Hilsdorf die teilweise abstruse Geschichte auf die heutige Zeit überträgt, verzichtet er allerdings auch nicht auf einige ironische Seitenhiebe. So suggeriert vor Beginn der Vorstellung ein romantischer deutscher Wald auf einem Prospekt vor der Bühne eine verklärte Räuber-Idylle, die der Zuschauer im Folgenden vergeblich in der Inszenierung suchen wird. Nur im ersten Teil sieht man die gleiche Projektion des Waldes im Hintergrund des hohen Raumes, gewissermaßen als Reminiszenz an eine längst vergangene Zeit. Auch der scheinbare Tod des alten Grafen wird von Hilsdorf nicht ganz ernst genommen. So lässt er ihn zwar zunächst in einen Sarg legen, dann aber freudestrahlend aus dem Sarg winken, wenn er darin über die Bühne getragen wird. Neben diesen kleinen Gags wirkt Hilsdorfs Inszenierung aber über weite Strecken langweilig und uninspiriert, vor allem im Bezug auf eine recht statische Personenregie. Da reicht es auch nicht, Karl und Amalia ihr großes Duett im dritten Akt von zwei unterschiedlichen Seiten eines Geländers singen zu lassen, um zu demonstrieren, dass die beiden nicht zueinander finden können. Franz von Karl am Ende erschießen zu lassen, ist zwar im Ansatz konsequent, hilft aber für die auch in der Vorlage kaum nachvollziehbare Ermordung Amalias nicht weiter, um das Stück zu einem aus heutiger Sicht nachvollziehbaren Ende zu führen.

Musikalisch entschädigt der Abend für die szenischen Schwächen. Liana Aleksanyan begeistert als Amalia mit strahlendem Sopran, der sich mit jugendlicher Leichtigkeit in höhere Sphären schwingt. Leider kann Zurab Zurabishvili als Karl dabei stimmlich nicht ganz mithalten. In den Höhen klingt er bisweilen ein wenig angestrengt, und der Übergang von der Mittellage zu den hohen Tönen gelingt nicht immer ganz sauber. Weitere Höhepunkte des Abends bescheren Aris Argiris als Franz und Almas Svilpa als Maximilian. Argiris lässt mit durchschlagender Kraft seinen markanten Bass strömen und formt den jüngeren Sohn stimmlich zu einem durch und durch schwarzen Charakter. Svilpa verleiht dem alten Grafen mit markanten Tiefen eine glaubhafte Würde. Der von Alexander Eberle einstudierte Chor präsentiert sich stimmgewaltig. Auch die Essener Philharmoniker liefern unter der musikalischen Leitung von Srboljub Dinić einen satten Verdi-Sound, so dass es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Die Inszenierung ist nicht der ganz große Wurf. Musikalisch lohnt sich die Produktion aber allemal, zumal man diese Oper wirklich selten geboten bekommt.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Srboljub Dini
ć

Inszenierung
Dietrich W. Hilsdorf

Bühne und Kostüme
Johannes Leiacker

Choreinstudierung
Alexander Eberle

Licht
René Dreher

Dramaturgie
Norbert Grote

 

Opernchor und Herren-Extrachor
des Aalto-Theaters

Statisterie des Aalto-Theaters

Essener Philharmoniker


Solisten

*rezensierte Aufführung

Maximilian, regierender Graf von Moor
Marcel Rosca /
*Almas Svilpa

Karl, sein ältester Sohn
Zurab Zurabishvili

Franz, der zweitgeborene Sohn
Mikael Babajanyan /
*Aris Argiris

Amalia, Ziehtochter des Grafen
*Liana Aleksanyan /
Olga Mykytenko

Herrmann, der Bastard
Rainer Maria Röhr

Roller, ein Räuber
René Aguilar





Weitere Informationen
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