Ravenna: Muti begeistert mit Verdi, Argerich mit Schumann

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Ravenna-Festival. (C) Ravenna-Festival.
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Salzburg und sein Publikum dürfen sich freuen: „Nabucco“, das jetzt schon konzertant in Ravenna zu hören und in höchsten Tönen zu genießen war, kommt Ende August zu den Festspielen.

Ein gutes Marketing ist der halbe Erfolg. Das wusste auch Verdi. Obwohl er nach außen gern als Bauer von Roncole auftrat, war er einer der größten Grundbesitzer Italiens. Mit Vorliebe pflegte er auch die Legende, dass ihm sein populärster Ohrwurm, der Gefangenenchor aus „Nabucco“, blitzartig bei der Lektüre des Textes eingefallen wäre. Zu dieser Mythenbildung passt, dass die heimliche Hymne Italiens immer schon ein Erfolgsstück war. Tatsächlich gefiel bei der Uraufführung der letzte Chor dieser Oper, Immenso Jehova, weit mehr. Und die von frühen Biografien vertretene Sicht, Verdi habe mit dem Gefangenenchor die Hoffnung seiner Landsleute auf Freiheit ausdrücken wollen, hält seriöser Überprüfung nicht stand.

Jedenfalls steht „Nabucco“ am Beginn von Verdis Weltkarriere. Nicht zuletzt liegt dies an der Bildhaftigkeit der musikalischen Sprache, die es erlaubt, das Dramma lirico auch ohne entsprechende Szenerie mit dem gewünschten Effekt aufzuführen. Wie zuletzt beim Ravenna-Festival in einer konzertanten Produktion des römischen Teatro dell'Opera, die Ende August bei den Salzburger Festspielen wiederholt wird. Schließlich waren dafür auch die Voraussetzungen gegeben, selbst in dem akustisch nicht gerade idealen Ambiente des Palazzo Mauro de André.

Muti, derzeit der führende Verdi-Interpret

Aber das ist bald vergessen, wenn man für die Titelpartie einen so subtil phrasierenden und klar artikulierenden Gestalter wie den jungen Luca Salsi zur Verfügung hat, mit Riccardo Zanellato einen ebenso profunden Zaccaria und mit Luca Dall'Amico einen gleich prägnanten Oberpriester des Baals. Dazu mit Francesco Meli einen nicht nur mit stimmlicher Kraft, sondern ebenso mit tenoralem Schmelz prunkenden Ismaele. Mit zuweilen steil angesteuerten, stets sicheren Höhen agierte Tatiana Serjan als damit ihren vor nichts zurückschreckenden Ehrgeiz dokumentierende Abigaille. Prächtig musizierten die Ensembles der römischen Oper, die von Roberto Gabbiano einstudierten Choristen und das Orchester unter Leitung des Musikdirektors des Teatro dell'Opera, Riccardo Muti. Mit dieser spannungsgeladenen, nie auf billigen Effekt zielenden, dafür umso mehr auf die beredte Formulierung von Details konzentrierten Aufführung demonstrierte er seine führende Rolle unter den Verdi-Interpreten der Gegenwart.

Neben dem aus Bologna stammenden Ensemble Novecento, das zeigte, wie trefflich sich ausgewählter Verdi auf sieben Okarinas musizieren lässt, und einem von Chopin bis Bartók reichenden Klavierabend der mit Preisen bedachten, aber noch um gestalterisches Profil ringenden kroatischen Pianistin Martina Filjak gastierte zum Finale des 24. Ravenna-Festivals Martha Argerich mit einem von Schumanns Klavierquintett bis zu Tangos reichenden Programm. Schwungvoller, virtuoser und inniger lässt sich Schuhmann nicht aufführen, wie eine entfesselte Argerich zeigte, die auch einen besonderen Gast faszinierend begleitete: den über 90 Jahre alten Geiger Ivry Gitlis. Er ließ bei der Cesar-Franck-Sonate da und dort noch einmal jene differenzierte Klangkultur und Phrasierungsintelligenz aufblitzen, für die er in seinen Glanzzeiten berühmt war.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.07.2013)

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