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Wexford Festival Opera
23.10.2013 - 03.11.2013


Il Cappello di paglia di Firenze
(The Florentine Straw Hat)

Farsa musicale in vier Akten
Libretto von Nino Rota und Ernesta Rota nach Eugène Labiche und Marc-Antoine-Amédée Michels Vaudeville
Un chapeau de paille d'Italie
Musik von Nino Rota

In italienischer Sprache mit englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 40' (eine Pause)

Premiere im O'Reilly Theatre im Wexford Opera House am 23. Oktober 2013



 

 

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Farce in Postkarten-Idylle

Von Thomas Molke / Fotos von Clive Barda


Nino Rota wird von den meisten wahrscheinlich eher mit der Komposition von Filmmusiken als mit Opern in Verbindung gebracht. Unvergessen dürften hier die mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Musik zu Der Pate und die langjährige Zusammenarbeit mit Federico Fellini sein, der in seinen Filmen bis zu Rotas Tod ausschließlich dessen Musik verwendete. Dabei hat Rota in der Zeit von 1940 bis zu seinem Tod 1979 auch insgesamt 10 Opern komponiert, die zwar bei ihrer Uraufführung Achtungserfolge erzielten, sich allerdings keinen Weg ins gängige Repertoire bahnen konnten, was daran gelegen haben mag, dass seine Musik sich nicht an den zeitgenössischen avantgardistischen Strömungen orientierte, sondern eher auf einen Musikstil setzte, der zwar ins Ohr ging, vielen allerdings als zu altmodisch und unkonventionell erschien. So lassen sich auch in Il Cappello di paglia di Firenze zahlreiche Stellen finden, die nicht nur an Rossini und Verdi erinnern, sondern von diesen auch zu ihrer Zeit hätten genauso komponiert worden sein könnten. Dass dieses Werk 1955 zur Uraufführung in Palermo gelangte, war eher einem Zufall zu verdanken. Rota hatte diese Ende des zweiten Weltkriegs komponierte Farce bereits längst beiseite gelegt, als Simone Cuccia, der neue musikalische Direktor des Teatro Massimo in Palermo, das Stück auf den Spielplan für 1955 setzte, ohne Rota vorher über seine Pläne in Kenntnis gesetzt zu haben. Rota stimmte diesem Vorhaben allerdings zu und erlangte so erstmals auch mit seinem Opernschaffen internationale Anerkennung, wobei seine Verdienste als Komponist von Filmmusiken hierfür gewiss nicht ganz unbedeutend gewesen sein dürften.

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Fadinard (Filippo Adami, Mitte) mit der verzweifelten Anaide (Eleanor Lyons) und dem wütenden Soldaten Emilio (Owen Gilhooly)

Die Geschichte geht zurück auf eine Farce aus dem 19. Jahrhundert von Eugène Labiche und Marc Michel, die Rota wahrscheinlich auch durch die französische Verfilmung aus dem Jahr 1944 mit Fernandel in der Rolle des Fadinard bekannt gewesen sein dürfte. Fadinards Hochzeitsvorbereitungen mit Elena werden gestört, weil sein Pferd den Strohhut der Madame Anaide Beaupertuis gefressen hat, die sich für ein heimliches Tête-à-tête  mit ihrem Liebhaber, dem Soldaten Emilio, hinter einem Baum getroffen hatte. Nun droht ihm Emilio mit einem Duell, sollte er nicht einen Ersatzhut organisieren, damit Anaide nicht kompromittiert wird. Es beginnt eine verrückte Reise durch ganz Paris auf der Suche nach einem weiteren Florentiner Hut, wobei nicht nur die ganze Hochzeitsgesellschaft, sondern auch der gehörnte Ehemann involviert ist, der damit droht, seine Frau und ihren Liebhaber zu erschießen. Am Ende ist es Elenas schwerhöriger Onkel Vézinet, der die Rettung herbeiführt, weil er als Hochzeitsgeschenk einen florentinischen Strohhut mitgebracht hat, der mit dem gefressenen Hut identisch ist. So kann Anaide ihren Mann davon überzeugen, dass überhaupt nichts passiert sei, da sie ihren Hut ja noch habe und der gefressene Hut wohl einer anderen Dame gehört haben muss. So steht der Hochzeit zwischen Fadinard und Elena nichts mehr im Weg.

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Elena (Claudia Boyle) wundert sich über das Verhalten ihres Bräutigams.

Musikalisch wirkt die Oper wie ein Pasticcio, in dem unterschiedliche Versatzstücke aus Opern von Rossini, Verdi und Puccini mit Themen zusammengesetzt wurden, die Rota auch in seinen Filmmusiken für Fellini verwendete. Die Gewittermusik im vierten Akt, wenn alle im strömenden Regen durch die Stadt irren, erinnert beispielsweise stark an das Unwetter in Rossinis La Cenerentola. Wenn Elena befürchtet, dass die Hochzeit nicht stattfinden werde, weil Fadinard anscheinend ständig vor ihr Reißaus nimmt und ihr Vater die ganzen Feierlichkeiten abblasen will, klingt sie in ihrer traurigen Arie wie eine Puccini-Heroine. Bei Beaupertuis' erstem Auftritt lässt sich musikalisch eine gewisse Ähnlichkeit zu Verdis Falstaff nicht leugnen. Die Nähe zur Filmmusik lässt sich nicht nur in eingängigen Melodien erkennen, sondern einzelne Auszüge der Musik fanden auch thematisch ihren Weg in Fellinis romantische Komödie Le Sceicco bianco und sein Melodram La Strada. Der Bezug zur Filmmusik mag ausschlaggebend dafür gewesen sein, dass zahlreiche Filmplakate das Bühnenbild von Lorenzo Cutùli beherrschen, auch wenn zwischen den abgebildeten Filmplakaten (z. B. Singing in the Rain) und der Handlung auf der Bühne eigentlich kein Zusammenhang erkennbar wird.

Gespielt wird auf einer riesigen angeschrägten Postkarte von Paris, die einen klassischen Panoramablick mit Eiffelturm und Invalidendom bietet. Das gleiche Motiv ersetzt als Prospekt vor der Vorstellung den Vorhang, während im Zuschauersaal bereits aus Lautsprechern Musik erklingt. Als Türen fungieren in dieser Postkarte Klappen, die die Figuren gewissermaßen aus dem Bild herauskommen lassen. Das erfordert dem Ensemble nicht nur enormen körperlichen Einsatz und Balance ab, sondern verlangt auch eine gewisse Vorsicht, um nicht in die aufgeklappten Löcher zu fallen. Doch die Solisten lassen sich von diesen Hindernissen nicht einschüchtern und begeistern mit irrwitzigem Tempo und großer Spielfreude auf und auch vor der Postkarte. Dass die Handlung dabei mehr als krude ist, übersieht man folglich gern. Die Kostüme, für die ebenfalls Cutùli verantwortlich zeichnet, verlegen die Handlung in die Uraufführungszeit der Oper.

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Happy End für Elena (Claudia Boyle) und Fadinard (Filippo Adami)

Szenisch verfügt das Werk über eine unzählige komische Charakterrollen, die von den Solisten hervorragend umgesetzt werden. Da ist zunächst einmal Filippo Adami zu nennen, der relativ kurzfristig als Fadinard für den erkrankten Davide Giusti eingesprungen ist, diese Partie aber bereits in Florenz gesungen hat. Mit schlankem und höhensicherem Tenor und großer Beweglichkeit hetzt er als geplagter Bräutigam durch die Szene und versucht, allem Unbill zum Trotz seine Hochzeit irgendwie zu retten. Claudia Boyle gibt mit glasklaren Koloraturen und mädchenhaftem Charme eine stimmlich und optisch großartige Braut Elena, für die sich dieser Einsatz auch wirklich lohnt. Mit warmem Timbre begeistert Eleanor Lyons als untreue Anaide, die mit dem Verlust ihres Strohhutes das ganze Chaos erst auslöst. Leider kann Owen Gilhooly als ihr Geliebter Emilio stimmlich nicht ganz mithalten, da sein Bariton noch nicht über die nötige Durchschlagskraft verfügt, um wirklich bedrohlich zu wirken.

Großartig sind auch die drei Buffo-Partien besetzt. Salvatore Salvaggio sorgt als Brautvater Nonancourt, der ständig die Hochzeit abblasen will, weil auf den zukünftigen Schwiegersohn keinerlei Verlass sei, für zahlreiche Lacher. Mit dunklem Bass platzt er ständig wie ein Unheil verkündender Bote in die Szenerie, um sich dann im nächsten Moment mit herrlichen Kieksern über die drückenden Schuhe zu beklagen. Aled Hall spielt mit Slapstick-Einlagen die leichte Verwirrtheit des schwerhörigen Onkels Vézinet hervorragend aus. Besonders verrückt ist die Tatsache, dass er gleich zu Beginn des Stückes mit dem rettenden Hut in einer Schachtel auftritt und das Chaos nur ausbricht, weil er nicht verstanden hat, dass Fadinard genau diesen Hut benötigen würde, um Anaide aus ihrer prekären Situation zu retten. Zum Publikumsliebling des Premierenabends avanciert Filippo Fontana als gehörnter Ehemann Beaupertuis. Seine großartige Auftrittsarie zu Beginn des dritten Aktes, wenn er während eines heißen Fußbades über den Verbleib seiner Gattin sinniert, bevor er später zum Rächer mutiert, gehört wie das Lied der Hutmacherinnen im zweiten Akt, das der von Errol Girdlestone einstudierte Damen-Chor mit großer Spielfreude in einer absolut synchronen Choreographie präsentiert, zu den musikalischen Höhepunkten des Abends.

Asude Karayavuz gibt die Baronessa di Chamgigny mit warmem Mezzo als schrillige Adlige und begeistert mit großartigem komödiantischem Talent. Sergio Alapont führt das Orchester des Wexford Festival Opera mit sicherer Hand durch die Partitur, bei der sich die Nähe zur Filmmusik nicht negieren lässt. So gibt es am Ende begeisterten Applaus für alle Beteiligten für einen Abend, der gute Unterhaltung ohne viel Tiefgang mit einem musikalisch gut aufgelegten und spielfreudigen Ensemble in einer guten Personen-Regie bietet.

FAZIT

Die Auftaktveranstaltung der diesjährigen Festspiele ist ein großer Spaß, auch wenn man hier vergeblich nach inhaltlichem oder musikalischen Tiefgang suchen wird.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Sergio Alapont

Regie
Andrea Cigni

Bühne und Kostüme
Lorenze Cutùli

Licht
Paul Keogan

Choreinstudierung
Errol Girdlestone



Orchester des
Wexford Festival Opera

Chor des
Wexford Festival Opera


Solisten

Fadinard
Filippo Adami

Nonancourt
Salvatore Salvaggio

Beaupertuis
Filippo Fontana

Lo zio Vézinet
Aled Hall

Emilio
Owen Gilhooly

Felice
Leonel Pinheiro

Elena
Claudia Boyle

Anaide
Eleanor Lyons

La Baronessa di Champigny
Asude Karayavuz

Achille di Rosalba
Leonel Pinheiro

La modista
Samantha Hay

Un caporale delle guardie
Nicholas Morris

Una guardia
Ronan Busfield

Minardi
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Minardis Pianist
Richard Barker

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