Träge "Il Trovatore"-Premiere in der Volksoper

(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
  • Drucken

Verdis "Il trovatore" in Originalsprache, aber unidiomatisch zäh. Szenisch schwankte man zwischen Realismus und unfreiwilliger Komik. Erfolge sehen anders aus.

Spät erst wagte sich das Regieteam auf die Bühne – zu einem Zeitpunkt, zu dem viele der gestrengeren Opernfreunde bereits das Weite gesucht hatten.

Dadurch waren sowohl Ablehnung als auch Zustimmung für die Inszenierung recht matt für eine Volksopernpremiere – bezeichnend für eine insgesamt träge, szenisch und musikalisch vielfach mühselig wirkende Aufführung, bei der der Applaus recht differenziert, aber insgesamt eher höflich als begeistert ausfiel. Mit einer Ausnahme: Azucena Janina Baechle musste am Aufführungstag krankheitshalber absagen, die Zweitbesetzung war schon vorher ausgefallen. Weil aber die Volksoper „immer wieder Glück“ habe, wie Direktor Robert Meyer formulierte, gab es da ja noch Chariklia Mavropoulou. Die deutsch-griechische, international gefragte Mezzosopranistin sprang also ohne nennenswerte Proben ein – und erbrachte prompt die sicherste, profilierteste Leistung des Abends, wofür es herzlichen Jubel gab.

Couragiert und mit Fortune ließ sie in allen Lagen biegsam-belastbares Metall hören, das sie mit großer darstellerischer Intensität einsetzte. Ohne szenische Abstriche konnte ihr das allerdings nur gelingen, weil sie im März letzten Jahres in Bonn die Premierenbesetzung dieser Produktion war, die nun, nach Wien übersiedelt, ein merkwürdiges Repertoireloch stopfen darf: Verdis populärer „Trovatore“ kann an der Volksoper auf eine lange deutschsprachige, aber vor 50 Jahren abgerissene Aufführungstradition zurückblicken; István Szábos in Nachkriegsruinen spielende Staatsoperninszenierung von 1993 verschwand vor bald 13 Jahren aus dem Spielplan. Erst im heurigen Verdi-Jahr wagten sich die Wiener Festwochen wieder an das Stück; Philip Stölzls an Comic- und Pop-Art-angelehnte Deutung beginnt übernächste Woche in Berlin ihr zweites Bühnenleben – mit Netrebko und Domingo (als Luna).

In der Nähe der Lächerlichkeit

Ganz anders nun das Regieduo Dietrich W.Hilsdorf und Ralf Budde. Für sie kann alles gar nicht realistisch genug ablaufen, wozu sie die Story an den Beginn des 20. Jahrhunderts verlegen (Bühnenbild: Dieter Richter) – mit Assoziationen an Inquisition und Spanischen Bürgerkrieg, grausamste Folterungen inklusive. Aber das ehrliche Bemühen kippt nicht selten in unfreiwillige Komik (wenn Luna und Manrico mit Zorromaske bei Leonora einsteigen) oder schlichte Unlogik: Die verwirrte Azucena wird offenbar immer wieder mal eingesperrt; die Zellentür kann der zuvor sich verletzt auf Krücken umherschleppende Manrico problemlos eintreten – und die Geliebte ohne Humpeln retten. Steht die Zeit gleichsam still, weil etwa Manricos Ständchen vernehmbar wird oder Leonora die wie aus Atemnot zerteilte Melodie des 2. Finales anstimmt, dann gerät die Personenführung der gerade schweigenden Figuren in die Nähe der Lächerlichkeit.

Zugegeben, einiges bessert sich nach der Pause – doch nicht genug. Außerdem wollen Hilsdorf und Budde das Dickicht der Handlung entwirren helfen. Die vier Teile (vulgo Akte) tragen Titel wie bei Verdi, jedes der acht Bilder wird mit einer auf den Zwischenvorhang projizierten Überschrift eingeleitet, und am Ende des ersten („Das Duell“) wie vierten Teils („Der Sohn der Zigeunerin“) wird die weitere Entwicklung sichtbar: Manrico schreckt davor zurück, Luna zu töten – und wird nach seiner Stretta noch an Ort und Stelle vom (generell guten) Chor verhaftet.

Das mag man als zuseherfreundlich werten, ist aber genau genommen gegen das Stück inszeniert: Verdis elliptische Dramaturgie überrumpelt das Publikum ja mit voller Absicht; sie ist der wahre Grund für die viel zitierte Unverständlichkeit des Librettos. An die Stelle einer folgerichtig entwickelten Story tritt eine sprunghaft anmutende, als solche aber nie abreißende Kette emotionaler Ausnahmezustände und Höhepunkte, bei der die Leerstellen als Bericht nachgereicht werden: Der dramatische Effekt regiert.

Leider konnte der musikalische Teil der Aufführung diesen Anspruch ebenfalls nur sehr ungenügend erfüllen. Das lag vor allem am Dirigenten Enrico Dovico: Er machte zwar einige usuelle Striche auf und orientierte sich dort und da brav an der Partitur statt an der Tradition, doch geriet das lodernde Feuer von Verdis beständig treibenden Begleitfiguren vor allem vor der Pause immer wieder zu breiig-zäher Schwerfälligkeit.

Stimmen: Eher gebremst als getragen

Hinzu kam ein Hang zu emphatischen Verbreiterungen, die nicht durch das stimmliche Auskosten von Phrasen gleichsam natürlich entstanden, sondern einstudiert starr wirkten. Die Stimmen wurden eher gebremst als getragen. Das hörte man bei Melba Ramos, die sich als Leonora wacker schlug, obwohl ihr das entscheidende Quantum an vokaler Virtuosität fehlt, und beim Hausdebütanten Stuart Neill: Alles Heldische, auch „Di quella pira“, absolvierte er mit breit strömendem Tenor ohne Zaudern, Noblesse und Poesie blieb der schwergewichtige Sänger aber oft schuldig. Hinter dem verlässlichen Ferrando Yasushi Hiranos rangierte abgeschlagen schließlich der angestrengte und anstrengende Luna des fast jeden Ton anschleifenden Tito You. Erfolge sehen anders aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.