Halblustiges Treiben in Venedig

Halblustiges Treiben in Venedig
Halblustiges Treiben in VenedigVOLKSOPER WIEN (BARBARA PALFF)
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Für einen unspektakulären Samstagabend sorgte die mutlose Neuinszenierung der Operette "Eine Nacht in Venedig". Die musikalische Umsetzung überzeugte schon eher.

Die Umstände bei der Uraufführung der Operette waren widrig. Da Johann Strauß' Ehefrau eine Affäre mit dem Direktor des Theaters an der Wien hatte, wich er mit „Eine Nacht in Venedig“ 1883 nach Berlin ins Friedrich-Wilhelmstädtische Theater aus. Dazu kamen Plagiatsvorwürfe gegen Friedrich Zell und Richard Genée, die Verfasser des Librettos. Zu sehr hatten sich die beiden an die französische Opéra comique „Le château trompette“ von François Auguste Gevaert gehalten. Solch eine Zweitverwertung war zu jener Zeit freilich eine gängige Praxis.

Trotz anfänglicher Kritik, die vor allem der zu plumpen Handlung galt, sorgte die Operette in Berlin für volle Häuser. Auch in Wien konnte Strauß Erfolge feiern. Ende des 19. Jahrhunderts brach eine Venedig-Mode in der Hauptstadt aus. Im Prater eröffnete sogar der Themenpark „Venedig in Wien“. Kein Wunder, dass Stücke wie der Lagunenwalzer zu Gassenhauern wurden.

Johann Strauß in der Gondel

Erich Wolfgang Korngold überarbeitete „Eine Nacht in Venedig“ im Jahre 1923. Es ist diese Fassung, die über Jahrzehnte Furore gemacht hat. Die Volksoper hingegen hält sich mit ihrer Neuinszenierung überwiegend an das Wiener Original. Der Inhalt der Operette ist schnell erzählt. Der Frauenheld Herzog Guido besucht den Karneval in Venedig, um Barbara, die Gattin eines Senators, zu verführen. Barbaras Gatte schickte sie vorsorglich ins Kloster und will die Köchin Ciboletta als seine Frau ausgeben. Dass Barbara an ihrer Stelle die Fischertochter Annina ins Kloster schicken will, macht die Verwirrung in dieser Verwechslungsposse noch größer.

Da der Herzog einen Verwalterposten zu vergeben hat, buhlen auch die Männer um seine Gunst. Am Ende löst sich alles in Wohlgefallen auf. Nicht gerade tiefgründig, verlangt dieser Inhalt nach wohlüberlegt fantasievoller Inszenierung. Was von Regisseur Hinrich Horstkotte allerdings verabsäumt wurde. Dabei führte der Berliner nicht nur Regie, sondern übernahm auch die Verantwortung für Bühnenbild und Ausstattung: Balkon, Gondeln und Wellen aus Pappe erinnern genauso wie die unkreativ-klassischen Kostüme an die kitschigen Operettenfilme der Nachkriegszeit. Warum im Hintergrund Häuser auf dem Canal Grande vorbeischwimmen, blieb offen. Und dass am Ende alle Gebäude einstürzen, würde eher zur „Götterdämmerung“ passen als zu einer Strauß-Operette mit Happy End.

Dominant die mehr oder weniger gelungenen Gags: Aufmerksame Beobachter konnten in einer Gondel etwa Johann Strauß erkennen. Im Hintergrund tauchten regelmäßig Meerjungfrauen, Taucher und Schwimmer auf und wurden von Haien verfolgt. Am Schluss fuhr ein Kreuzfahrtschiff mit dem Namen Costa Quanta ins Bühnenbild. Dass der Makkaroni-Koch Pappacoda hier Spaghetti „Bunga Bunga“ verkaufte, dürfte humoristische Feinspitze nicht wirklich überzeugt haben.

Das Schild „Verbooten Schwimmen“, das aus dem Orchestergraben ragte, sorgte da schon eher für Heiterkeit.

Kompetenz in Sachen Dreivierteltakt

Alfred Eschwe führte die Musiker souverän durch die Operette und zeigte seine Kompetenz in Sachen Dreivierteltakt. Butterweich phrasierten die Streicher die Walzer, Tarantellen und Barkarolen und weckten damit wohl in manchem Hörer die Vorfreude auf die Ballsaison. Auch die Bläser spielten Strauß so, wie man es sich von einem Wiener Orchester erwartet: mit viel Gefühl und beschwingt. Den Sängern machte es das Orchester allerdings nicht immer leicht.

Bariton Michael Havlicek hatte als Pappacoda Schwierigkeiten, sich stimmlich durchzusetzen, überzeugte eher schauspielerisch: Authentisch gab er den listigen Makkaroni-Koch, der zum Leibkoch des Herzogs aufsteigen will. Auch Caramello Jörg Schneider drohte anfangs in den Orchesterwogen unterzugehen, das berühmte Gondellied sang er allerdings mit Bravour. Stimmlich herausragend: Vincent Schirrmacher als Herzog. Darstellerisch nahm man ihm den Herzensbrecher weniger ab. Mara Mastalir als Fischerstochter Annina präsentierte sich – im Gegensatz zur eher schwachen Barbara (Sera Gösch) und der übertrieben dümmlich wirkenden Ciboletta der Johanna Arrouas – mit hervorragender Technik. Vor allem in der Höhe überzeugte die Sopranistin. Der Volksopernchor zeigte sich souverän. Um zu beeindrucken, bot der Abend zu wenig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2013)

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