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Carmen

Opéra comique in vier Akten
Libretto von Henri Meilhac und Ludovic Halévy nach der Novelle Carmen von Prosper Mérimée
Musik von Georges Bizet

In französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 10' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Dortmund am 1. Februar 2014
(rezensierte Aufführung: 05.03.2014)




Theater Dortmund
(Homepage)
Volles Haus mit unverwüstlicher Carmen

Von Thomas Molke / Fotos von Thomas M. Jauk (Stage Pictures)

Wenn das Opernhaus bei der fünften Vorstellung einer Produktion mitten in der Woche direkt nach den Karnevalsfeiertagen nahezu bis auf den letzten Platz gefüllt ist, kann man wohl mit gutem Recht von einem wahren Publikumsrenner sprechen. Dieser Coup ist der Oper Dortmund nun mit einer Neuinszenierung von Georges Bizets Carmen gelungen, einem Stück, welches sich trotz seines Misserfolgs bei der Uraufführung sehr schnell zu einem der beliebtesten und am meisten aufgeführten Werke der Opernliteratur entwickelte. Viel ist über die Gründe für den anfänglichen Misserfolg gemutmaßt worden. Lag es daran, dass nicht genügend Schmiergelder an die Presse geflossen waren oder der Theaterdirektor zu wenig Claqueure in der Vorstellung platziert hatte? War das Uraufführungspublikum noch nicht reif für die veristischen Züge, die das Personal der Oper auszeichnet? Die eingängige Musik fegte allerdings sehr schnell sämtliche Vorbehalte vom Tisch und kann in einzelnen Teilen auch heute noch selbst vom opernfernen Publikum mitgesummt werden.

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Carmen (Ileana Mateescu) tanzt für Don José (Christoph Strehl)

Auch wenn kurz nach der Uraufführung die gesprochenen Dialoge, die bei einer Opéra comique üblich waren, für eine Aufführung in Wien zu Rezitativen umgearbeitet wurden und lange Zeit vornehmlich diese Fassung an den Opernhäusern zur Aufführung gelangte, greift man in letzter Zeit wieder häufiger auf die ursprüngliche Fassung mit den gesprochenen Dialogen zurück. In Dortmund sind dabei diese Dialoge auf ein Minimum gekürzt worden, so dass einerseits keine Längen entstehen, andererseits die Handlung nachvollziehbar bleibt. Katharina Thoma verzichtet in ihrer Inszenierung auf klischeehaften Kitsch und siedelt die Geschichte in einer modernen Welt an, ohne dabei jedoch die Erwartungshaltung des Publikums zu zerstören. Der Zauber der Geschichte entfaltet sich auch in einem heutigen Grenzgebiet, das im Bühnenbild von Julia Müer vor allem durch Stacheldrahtzäune und einfache Hütten aus Wellblech gekennzeichnet ist. Wo nun die Zigarettenfabrik und die Arena, in der Escamillo im letzten Akt als Stierkämpfer Erfolge feiert, stehen, ob in Sevilla oder anderswo, spielt keine Rolle.

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Micaela (Christiane Kohl)

Natürlich versucht jeder Regisseur gerade einem so bekannten Stück wie Carmen eine individuelle Handschrift zu geben. Thoma führt in ihrer Inszenierung eine "alte Carmen" ein, die der Titelfigur gewissermaßen vor Augen führt, was passiert wäre, wenn sie sich nicht von Don José hätte töten lassen. Die Aussicht auf ein langes Leben ist dabei nicht schmeichelhaft. Denn diese "alte Carmen" bewegt sich als Bettlerin mit Plastiktüten und abgetragenen Anziehsachen durch die Szenerie. Nur das rote Kleid, das sie unter dem zerschlissenen Mantel trägt, lässt noch erahnen, welchen Zauber diese Frau einst ausgeübt hat. Während in den ersten beiden Akten diese "alte Carmen" noch nicht in die Handlung integriert wird, sondern das Geschehen nur beobachtet, wird sie erstmals beim Kartenlegen im dritten Akt aktiv, wenn sie mit einer Totenmaske ebenso wie die Karten Carmen den baldigen Tod verkündet. Im vierten Akt scheint Carmen dann aber doch noch einmal die Wahl zu haben. Im karierten roten Kostüm wirkt sie neben dem stattlichen Escamillo schon nahezu bieder und gesellschaftsfähig, bis sie an einem Flirt Escamillos mit einem neuen Mädchen erkennt, dass er nicht bei ihr bleiben wird. Jetzt begegnet ihr wieder die "alte Carmen" und macht ihr klar, welche Zukunft sie nach Escamillo erwartet, wenn sie sich nicht Don José stellt. Folglich wird Carmens Motivation, sich von Don José töten zu lassen, beinahe nachvollziehbar.

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Die Schmuggler Dancaïre (Stephan Boving, links) und Remendado (Fritz Steinbacher, zweiter von links) planen mit Carmen (Ileana Mateescu, rechts), Mercédès (Aglaja Camphausen, zweite von rechts) und Frasquita (Anke Briegel, Mitte) ihren nächsten Coup.

Ileana Mateescu ist optisch und stimmlich eine Idealbesetzung für die Titelpartie. Nachdem sie bereits bei der Operetten-Gala im Dezember als Grand-Duchesse de Gérolstein ihr verführerisches Talent unter Beweis stellen konnte, macht sie erneut deutlich, dass sie neben den meist "leidenden" Hosenrollen, in denen sie in Dortmund häufig besetzt ist, auch die Femme fatale überzeugend darzustellen vermag. Ihr samtweicher Mezzo lässt die berühmte Habanera aus dem ersten Akt regelrecht lasziv klingen und macht dabei die Wirkung, die diese Frau auf Don José ausübt, absolut nachvollziehbar. Dass sie ihm anschließend ein rotes Strumpfband statt der berühmten Blume an den Kopf wirft, stört nur am Rande, wenn Don José später in seiner berühmten Arie "La fleur que tu m'avais jetée" von dem süßen Duft singt, den die Blüte selbst verwelkt und vertrocknet bewahrt habe. Pedro Velázquez-Díaz, der in der rezensierten Aufführung für Christoph Strehl eingesprungen ist, ist zwar optisch für die hochgewachsene Mateescu nicht die Idealbesetzung, überzeugt aber mit tenoralem Schmelz in den Höhen und macht die erwähnte Arie zu einem weiteren Höhepunkt des Abends.

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Escamillo (Morgan Moody) lässt sich vom Volk (Chor und Kinderchor) feiern.

Auf einer Augenhöhe mit Mateescu präsentiert sich Morgan Moody als Escamillo. Mit kräftigem Bariton präsentiert er die berühmte Auftrittsarie des Toreros und stellt diesen dabei als absolut selbstgefälligen Egomanen dar. Carmen ist für ihn eine Trophäe. Nachdem er sie an seiner Seite hat, beginnt er bereits, sich nach neuen Eroberungen umzusehen. Christiane Kohl stattet die Micaela mit einem weichen, höhensicheren Sopran aus und zeichnet das Bauernmädchen als absolutes Gegenteil von Carmen. Warum Thoma sie allerdings im dritten Akt durch einen versehentlich ausgelösten Schuss sterben lässt, nachdem sie Don José überredet hat, noch einmal seine Mutter aufzusuchen, bleibt fragwürdig. Repräsentiert sie vielleicht die todkranke Mutter, die versucht, Don José auf den Weg der Tugend zurückzuholen? Hätte Don José nach dem Tod seiner Mutter Carmen gar nicht mehr aufgesucht, sondern wäre bei Micaela in seinem Dort geblieben, wenn sie mit ihm zurückgekehrt wäre?

Anke Briegel und Aglaja Camphausen halten als Zigeunermädchen Frasquita und Mercédès das musikalisch hohe Niveau ebenso wie Christian Sist und Gerardo Garciacano als Zuniga und Moralès beziehungsweise Hannes Brock und Fritz Steinbacher als Schmuggler Dancaïre und Remendado. Dem Opern-Kinderchor merkt man besonders beim Marsch im vierten Akt vor der großen Corrida an, wie sehr Bizets Musik auch junge Menschen begeistert. Der Opern- und Extrachor, der noch um die Chorakademie Dortmund erweitert worden ist, präsentiert sich unter der Leitung von Granville Walker stimmgewaltig, und auch Gabriel Feltz zaubert mit den Dortmunder Philharmonikern einen schmissigen Bizet-Sound aus dem Orchestergraben, so dass es am Ende lang anhaltenden Applaus für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Der Oper Dortmund ist mit dieser Carmen musikalisch und stimmlich ein großer Wurf gelungen, der auch weiterhin sicherlich für ausverkaufte Vorstellungen sorgen wird.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Gabriel Feltz

Regie
Katharina Thoma

Bühne
Julia Müer

Kostüme
Irina Bartels

Choreinstudierung
Granville Walker

Licht
Stefan Schmidt

Dramaturgie
Georg Holzer

 

Opern und Extrachor des
Theaters Dortmund

Opern-Kinderchor

Chorakademie Dortmund

Statisterie des
Theaters Dortmund

Dortmunder Philharmoniker

 

Solisten

*rezensierte Aufführung

Carmen
*Ileana Mateescu /
Katharina Peetz

Don José, Brigadier
Christoph Strehl /
*Pedro Velázquez-Díaz

Zuniga, Leutnant
Christian Sist

Moralès, Sergeant
Gerardo Garciacano

Micaela
Julia Amos /
*Christiane Kohl

Escamillo, Torero
Morgan Moody

Dancaïre, Schmuggler
Stephan Boving /
*Ks. Hannes Brock

Remendado, Schmuggler
Fritz Steinbacher

Frasquita
Anke Briegel

Mercédès, Zigeunermädchen
*Aglaja Camphausen /
Ileana Mateescu

Lillas Pastia
Savo Pugel /
*Christiane Groeneveld

Bergführer
Ralf Schulze


Weitere
Informationen

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Theater Dortmund
(Homepage)



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