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Das Land des Lächelns

Romantische Operette in drei Akten
Libretto von Ludwig Herzer und Fritz Löhner-Beda nach einer Vorlage von Victor Léon
Musik von Franz Lehár

Konzertante Aufführung im Rahmen MiR Goes Operette in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2 h 35' (eine Pause)

Premiere im Großen Haus des Musiktheaters im Revier am 30. März 2014
(rezensierte Aufführung: 21.04.2014)

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Musiktheater im Revier
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Immer nur Lächeln

Von Thomas Molke / Foto von Pedro Malinowski


In der letzten Spielzeit hat das Musiktheater im Revier eine neue Reihe unter dem Titel MiR Goes Operette gestartet, in der ein Stück dieser Gattung konzertant mit moderierenden Zwischentexten präsentiert wird. Intendant Michael Schulz hatte es bei seiner Moderation zum Zigeunerbaron in der letzten Spielzeit so erklärt, dass man einen Großteil dieser Gattung, wenn man den Text und die Handlung ernst nehme, heute eigentlich nicht mehr in Szene setzen könne. Um aber nicht auf die wundervollen Melodien verzichten zu müssen, habe man sich für dieses Format entschieden. Juliane Schunke fügt bei der diesjährigen Moderation noch hinzu, dass die Idee zu diesem Konzept bei Lehárs berühmter Operette entstanden sei, in der eigentlich jedes Lied Hitcharakter habe. Ob man dieses Werk, in dem ein kitschig anrührendes Bild von einem exotischen China gezeichnet wird, heute szenisch wirklich nicht mehr auf die Bühne bringen kann, ist sicherlich diskutabel. Das Publikum scheint an diesem Abend in Gelsenkirchen jedenfalls nichts zu vermissen.

Bei der großen Popularität dieser Operette kann man sich heute kaum noch vorstellen, dass sie in ihrer ersten Fassung sechs Jahre vorher beim Wiener Publikum ein absoluter Misserfolg war, obwohl der wohl größte Operettenhit aller Zeiten, "Dein ist mein ganzes Herz", schon in dieser Fassung enthalten war. Allerdings gab es in der ersten Version, die 1923 unter dem Titel Die gelbe Jacke lief, auch noch ein Happy End. Nachdem Lisa und Sou-Chong erkannt haben, dass sie gemeinsam in China nicht glücklich werden können und Lisa nach Wien zurückgekehrt ist, wird auf unerklärliche Weise auch Sou-Chong erneut als Diplomat nach Wien beordert. Seine Schwester Mi nimmt er gleich mit, so dass es am Ende mit Sou-Chong und Lisa beziehungsweise Mi und Gustl gleich zwei glückliche interkulturelle Paare gibt. Das war den Wienern dann wahrscheinlich zur damaligen Zeit doch zu viel, so dass selbst die große Tenorarie "Dein ist mein ganzes Herz" das Publikum mit diesem Stück nicht versöhnen konnte. Folglich arbeitete Lehár es für Berlin komplett um. Er verzichtete auf das Happy End. Lisa und Gustl kehren China den Rücken, Mi bleibt traurig in China zurück und Sou-Chong fügt sich den gesellschaftlichen Normen und stellt sie über sein privates Glück. Mit einem letzten "Immer nur Lächeln" macht er auf tragische Weise deutlich, dass Gefühle bei ihm niemals die Oberhand gewinnen dürfen.

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Hongjae Lim als Prinz Sou-Chong

Ob es die nun wesentlich realistischer anmutende Umarbeitung der Geschichte mit teilweise neuen Melodien oder vielmehr der Tenor Richard Tauber war, der dem Land des Lächelns in Berlin zu dem überwältigenden Erfolg verhalf, lässt sich sicherlich nicht eindeutig entscheiden. Wahrscheinlich hat beides dazu beigetragen. Die Übermacht des legendären Tenors führt aber heutzutage auch dazu, dass Tenöre der Partie des Sou-Chong mit großem Respekt begegnen, da Taubers Interpretation auch durch alte Aufnahmen noch sehr präsent ist. Mit Hongjae Lim verfügt das Musiktheater im Revier über einen jungen Tenor, der diese Herausforderung keineswegs zu scheuen braucht. Geschickt setzt er seine großen Arien "Immer nur Lächeln" und "Dein ist mein ganzes Herz" am Anfang beinahe schon baritonal an, um sich dann sauber und glänzend in tenorale Höhen emporzuschrauben, in denen seine Stimme eine unglaubliche Strahlkraft entwickelt. In der Mimik wirkt er dabei nahezu schüchtern und lässt, wie Sou-Chong selbst, nahezu keine Gefühlsregung zu. Erst wenn am Ende ein orkanartiger Applaus über ihn hereinbricht, huscht ein zufriedenes Lächeln über seine Lippen.

Auch wenn es sich um eine konzertante Aufführung handelt, werden die Musiknummern szenisch interpretiert und nicht vom Blatt abgesungen. Dorin Rahardja setzt dabei als Mi in ihrer Arie "Im Salon zur blauen Pagode", in der sie den Chinesen einmal "kräftig ihre Meinung sagt" und kundtut, was sie von der frauenfeindlichen Politik in China hält, gekonnt ihre Reize ein, wenn sie verführerisch ihr grünes Jäckchen fallen lässt und ihre Schultern entblößt. Großartig ist dabei auch ihre Textverständlichkeit. Gemeinsam mit E. Mark Murphy als Gustl lässt sie das Duett "Meine Liebe, deine Liebe" zu einem weiteren musikalischen und szenischen Höhepunkt des Abends werden, wenn die beiden schüchtern nebeneinander auf einem Hocker sitzen und sie sehnsüchtig darauf wartet, endlich von ihm geküsst zu werden. Murphy gefällt dabei mit leichtem Spieltenor. Hanna Dóra Sturludóttir stattet die Partie der Lisa mit kräftigem Mezzo aus, der in den Höhen stellenweise die Textverständlichkeit vermissen lässt. Gemeinsam mit Lim präsentiert sie aber stimmlich und szenisch einen wunderbaren Kontrast zum Buffo-Paar. Großartig gelingen die beiden Duette "Bei einem Tee à deux" und "Wer hat die Liebe uns ins Herz gesenkt?" im ersten und zweiten Akt.

Der von Christian Jeub vortrefflich einstudierte Chor wird ebenfalls ins Geschehen mit einbezogen. So treten die Damen als Wiener Festgesellschaft in glänzenden Roben auf und werden im zweiten und dritten Akt ebenfalls mit recht aufwendigen einheitlichen Kleidern ausgestattet, die zwar vielleicht nicht gerade asiatisch anmuten, aber dennoch ein exotisches Kolorit verbreiten. Für den "Tee à deux" wird an der Bühnenrampe ein kleines Tischchen mit chinesischem Tee-Service aufgebaut, und im Hintergrund begleiten Videoprojektionen die einzelnen Lieder, die in ihren Mustern an Illustrationen von Aubrey Beardsley erinnern. Die Übergänge gestaltet Juliane Schunke äußerst charmant mit interessanten Informationen über die beiden Fassungen und zitiert stellenweise auch besonders komische Momente aus den Dialogen, auf die im Allgemeinen hier verzichtet wird. Bernhard Schwengel arbeitet mit der Neuen Philharmonie Westfalen den leicht schwülstigen Ton der Musik sorgfältig heraus, präsentiert auch ein Ballett aus der ersten Version, das in der späteren Fassung gestrichen wurde, und führt mit seinem umsichtigen Dirigat dazu, dass das Publikum musikalisch voll auf seine Kosten kommt. So gibt es großen und lang anhaltenden Applaus für alle Beteiligten.

FAZIT

Das MiR hat erneut bewiesen, dass man Operette auch konzertant äußerst spannend gestalten kann. In der nächsten Spielzeit verlässt man dieses Konzept allerdings wieder und kehrt mit der Csárdásfürstin doch zu einer szenischen Interpretation zurück.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Bernhard Stengel

Moderation
Juliane Schunke

Kostüme
Andreas Meyer

Licht
Patrick Fuchs

Chor
Christian Jeub

Dramaturgie
Anna Grundmeier

 

Opern- und Extrachor des
Musiktheater im Revier

Neue Philharmonie Westfalen

Solisten

Lisa Lichtenfels
Hanna Dóra Sturludóttir

Prinz Sou-Chong
Hongjae Lim

Mi, seine Schwester
Dorin Rahardja

Graf Gustav "Gustl" von Pottenstein
E. Mark Murphy

Onkel Tschang
Matthias Koziorowski


Weitere
Informationen

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Musiktheater im Revier
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