Newsticker
Schlagzeilen, Meldungen und alles Wichtige
Die Nachrichten heute: Newsticker, Schlagzeilen und alles, was heute wichtig ist, im Überblick.
Zum Newsticker
  1. Home
  2. Kultur
  3. Bühne und Konzert
  4. Krieg und Folter : „Die Soldaten“ überwältigen immer wieder

Bühne und Konzert Krieg und Folter

„Die Soldaten“ überwältigen immer wieder

Freier Feuilletonmitarbeiter
Barbara Hannigans Marie: eine Schmerzensmadonna der Hingabe in Andreas Kriegenburgs Inszenierung von Bernd Alois Zimmermanns „Soldaten“ an der Bayerischen Staatsoper Barbara Hannigans Marie: eine Schmerzensmadonna der Hingabe in Andreas Kriegenburgs Inszenierung von Bernd Alois Zimmermanns „Soldaten“ an der Bayerischen Staatsoper
Barbara Hannigans Marie: eine Schmerzensmadonna der Hingabe in Andreas Kriegenburgs Inszenierung von Bernd Alois Zimmermanns „Soldaten“ an der Bayerischen Staatsoper
Quelle: Wilfried Hösl/bayerische staatsoper
Die Schönheit im Schrundigen: Bernd Alois Zimmermanns wichtigste Oper verbindet auf einzigartige Weise Zwölftonmusik mit Belcanto. Auch bei der jüngsten Inszenierung des Werkes in München ist das so.

Es sind 49 Jahre seit der Kölner Uraufführung 1965 vergangen. Doch auch jetzt wieder überwältigt Bernd Alois Zimmermanns einst als unspielbar geltendes Musiktheater „Die Soldaten“ bei seiner neuerlichen Premiere im Münchner Nationaltheater unmittelbar und nachhaltig. Allein durch seine pure, brutale, anrührende, abstrakte wie realistische, zwölftönende und trotzdem emotionale Klanglichkeit. Diese grandios-grausame, säuselnd-feinsinnige, trocken-rezitierende Musik überfällt ausnahmslos jeden – von der ersten Eruption bis zum letzten, ausgebrannten Verlöschen nach der finalen Akustikexplosion.

Ja, es ist noch wirklich eine Oper, mit deutlich charakterisierten Personen, einer anklagenden, leicht nachvollziehbaren Handlung (nach dem Kriegsschauspiel von Jacob Michael Reinhold Lenz von 1776), in vier Akten und 15 Szenen. Auch wenn hier alle Formen gesprengt werden sollen, wenn vor allem vom Dirigenten das Letzte an Simultanität der tönenden wie szenischen Elemente gefordert wird.

Zimmermann arbeitet mit alten Gattungsmodellen. Hier findet sich ein souveränes Ordnungsprinzip im von Menschenhand angerichteten Chaos. Dann gibt es immer wieder ruhevolle Inseln der Selbstvergewisserung, des postmodern barocken Rezitativs als fast melodisches Zweifeln.

Petrenko lässt es lustvoll krachen

Je öfter man „Die Soldaten“ hört, desto erstaunter ist man, wie scheinbar mühelos inzwischen sämtliche Kollektive dieses Stück bewältigen. Und gleichzeitig spürt man die Schönheit im Schrundigen, die großartige, alle an seine Grenzen treibende, das Genre herausfordernde, aber auch die intensive, erkenntnisvermittelnde Metierbeherrschung Zimmermanns. Deshalb kann man die Münchner Aufführung in vielerlei Hinsicht loben.

Kirill Petrenko, fast gelassen, aber stets spannungsvoll, holt alles aus seinem Bayerischen Staatsorchester heraus, welches es lustvoll krachen lässt, aber auch diszipliniert leise spielen kann. Der Chor, die vielen kleinen Rollen: alle agieren individuell und doch ganz im Dienst der gemeinsamen Sache.

Und auch die wichtigen Solisten sind fantastisch: Zum Beispiel Christoph Stephinger, der als bürgerlicher Vater Wesener daran zerbricht, dass sich seine Tochter Marie mit den adeligen Soldaten wie dem Baron Desportes (insistierend hell: Daniel Brenna) einlässt; Oka von der Damerau (Charlotte) als mitleidende Schwester; der intensive Michael Nagy (Stolzius), der einen Mord und Selbstmord begeht, weil ihn Marie verschmäht.

Gleißende Jungmädchentöne

Schließlich sollte man noch die Mütter erwähnen, weil sie liebend die Entmenschlichung des Kriegs ertragen. Aber sie alle werden sie überstrahlt durch Barbara Hannigans Marie: eine Schmerzensmadonna der Hingabe, mit gleißenden Jungmädchentönen und schmelzender Kantilene. Dodekaphonie-Belcanto der betörenden Art.

Nur Andreas Kriegenburg bekommt dieses unerhörte Werk nicht wirklich in den Griff. Harald B. Thors Einheitsinstallation aus über Kreuz gestapelten Hasenställen entlarvt besonders die Soldaten in ihren faschistoiden Uniformen als Tiere, die einem optisch abgelutschten Fick- und Folterfolklorismus frönen. Damit gewinnt das Stück leider keine Fallhöhe mehr. Kriegenburg inszeniert routiniert-grotesk, belässt das Personal mal im späten 19. Jahrhundert, mal in den weiß geschminkten, dämonisch gescheitelten Zwanzigerjahren eines Grosz und Dix. Das Heute bleibt außen vor.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema