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Death in Venice

Oper in zwei Akten
Libretto von Myfanwy Piper nach der Novelle Der Tod in Venedig von Thomas Mann
Musik von
Benjamin Britten

in englischer Sprache mit deutschen Übertiteln 

Aufführungsdauer: ca. 3h 5' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Düsseldorf am 14. Juni 2014
(rezensierte Aufführung: 18.06.2014)


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Rheinoper
(Homepage)

Venedig im Hotelfoyer

Von Thomas Molke / Fotos von Hans Jörg Michel

Ein Jahr nach dem 100-jährigen Britten-Jubiläum hat man bei den Opernproduktionen an den Bühnen in NRW beinahe den Eindruck, dass dem englischen Komponisten mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird als zu Ehren des 100. Geburtstags. So gibt es nämlich nach Brittens einziger komischer Oper Albert Herring am Musiktheater im Revier (siehe auch unsere Rezension) und dem ebenso nicht allzu häufig gespielten Werk The Rape of Lucretia am Theater Bielefeld (siehe auch unsere Rezension) nun an der Deutschen Oper am Rhein Brittens Alterswerk Death in Venice, das dieser drei Jahre vor seinem Tod, bereits von schwerer Krankheit gezeichnet, vollendete und das er selbst als das Beste betrachtete, was er je geschaffen habe. Während Thomas Mann sich am Ende seiner Novelle ausdrücklich von der Hauptfigur Gustav von Aschenbach distanziert, sieht Britten in der musikalischen Umsetzung "die Geschichte seines eigenen Lebens" erzählt, wobei er die Partie des Aschenbach seinem langjährigen Partner Peter Pears gewissermaßen als letztes großes Geschenk "in die Kehle geschrieben hat". An der Deutschen Oper am Rhein endet mit dieser Produktion ein Britten-Zyklus, in dem Immo Karaman insgesamt vier Werke seit 2009 in Szene gesetzt hat. Dabei handelt es sich bei dieser Premiere allerdings um eine Übernahme vom Staatstheater am Gärtnerplatz in München, wo diese Produktion in der Spielzeit 2008/2009 zur Erstaufführung gelangte.

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Gustav von Aschenbach (Raymond Very, links vorne) auf dem Weg nach Venedig (vordere Reihe: Handpuppe (Francesco Pedone), der Ältliche Geck (Peter Savidge), dahinter: Junge Männer (Florian Simson, Attila Fodre, Torben Jürgens, Cornel Frey, Cesar Dima, Ingmar Klusmann und Franz-Martin Preihs))

Die Handlung der Oper folgt im Allgemeinen der gleichnamigen Novelle von Thomas Mann. Der Schriftsteller Gustav von Aschenbach steckt in München in einer Schaffenskrise und lässt sich von einem ominösen Reisenden raten, in den Süden zu fahren, um sich dort aufs Neue inspirieren zu lassen. Wie bei Thomas Mann trifft auch in der Oper Aschenbach auf seinem weiteren Weg immer wieder auf diesen Reisenden, der als Gondoliere, Hotel-Manager und Friseur immer wieder auftaucht. Der polnische Knabe Tadzio tritt mit seiner Mutter, seinen Schwestern und der Gouvernante in der Oper als Tänzer auf, um zu demonstrieren, dass es zu keiner richtigen Kontaktaufnahme zwischen ihm und Aschenbach kommt. Aschenbach beobachtet ihn zwar und ist von seiner ästhetischen Eleganz gefesselt, schafft es aber nicht, ihn anzusprechen, selbst dann nicht, als es darum geht, ihn vor der grassierenden Cholera-Epidemie in Venedig zu warnen. Zu groß ist seine Angst davor, dass der Knabe abreist und er ihn dadurch für immer aus den Augen verlieren könnte. Anders als in der Novelle fügt Britten die Stimmen der beiden Götter Dionysos und Apollo ein. Während zu Ehren Apollos am Ende des ersten Aktes ein Wettkampf stattfindet, bei dem Aschenbach erkennt, dass seine leidenschaftliche Liebe für den Jungen seine asketischen Ideale überlagert, entpuppt sich der Reisende am Ende des Stückes als Stimme des Dionysos, der damit von Anfang an versucht zu haben scheint, Aschenbach in das Reich der Sinne zu führen. Aschenbach stirbt an den Folgen der Cholera, während er Tadzio in einer letzten Vision entschwinden sieht.

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Tadzio (hier: Denis Popovich) mit seiner Mutter (Bettina Fritsche), den Schwestern (Elodie Lavoignat, Anna Maldonado, Franziska Angerer) und der Gouvernante (Victoria Wohlleber) beim Konzert

Immo Karaman verzichtet in seiner Inszenierung darauf, ein realistisches Bild von Venedig zu zeichnen, und lässt die ganze Handlung stattdessen in einer Art Hotelhalle spielen, die im geschickt angeordneten Bühnenbild von Kaspar Zwimpfer unterschiedliche Dimensionen annimmt. Zu Beginn der Oper sieht man Aschenbach in einem schmalen von hohen Wänden umgebenen Raum sitzen, der nicht nur seine Isolation ausdrückt, sondern auch deutlich macht, dass dieser Künstler sich in einer Schaffenskrise befindet. Wie aus dem Nichts taucht der Reisende auf und verleitet ihn, den engen Raum zu verlassen. Die Wände werden in den Schnürboden emporgezogen und geben einen Blick auf einen nun recht weiten Raum mit den gleichen Wänden, Lampen und Sesseln, was andeutet, dass Aschenbach seine Isolation eigentlich nicht verlassen hat, sondern nur tiefer in seine eigene Welt eingetaucht ist. Von daher verwundert es auch nicht, dass es zwischen ihm und Tadzio zu keiner Kontaktaufnahme kommt. Im Verlauf des Stückes wird immer wieder der enge Raum des Anfangsbildes aus dem Schnürboden herabgelassen, um zu demonstrieren, dass sich Aschenbach immer noch in den alten vier Wänden befindet und die ganze Handlung letztendlich nur ein Traum oder eine Halluzination ist.

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Aschenbach (Raymond Very, vorne Mitte) unterzieht sich beim Friseur (Peter Savidge) und seinem Gehilfen (Toralf Vetterick) einer Verjüngungskur.

Auch für den allmählichen Verfall durch die sich ausbreitende Cholera-Epidemie findet das Regie-Team beeindruckende Bilder. Zum einen verschwinden einzelne Wandelemente des Bühnenbildes und geben einen Blick auf einen noch weiteren Raum mit heruntergekommenen Wänden preis. Zum anderen verändern sich die Kostüme. Während Nicola Reichert die zahlreichen Gäste in Venedig zunächst in schicken Kleidern der 30er und 40er Jahre ausstattet, verblasst der Glanz der Kostüme im Verlauf des Stückes und kennzeichnet den allmählichen Untergang durch löchrige, vermoderte Kleider, die ihre besten Jahre hinter sich gelassen haben. Nur Tadzios und Aschenbachs Kostüme verändern sich nicht. Während Aschenbach in seinem Anzug eher an die Entstehungszeit der Oper erinnert, verkörpert Tadzio in seinem weißen Anzug ein asketisches Ideal reiner Liebe. Im Gegensatz dazu stehen der andere Junge, Jaschiu, der in seinem schwarzen Anzug einen Gegenpart zu Tadzio darstellt, und der Reisende, der mit seinen roten Haaren und teilweise auch roten Mänteln einen diabolischen Zug erhält. Die Farbe Rot wird auch bei dem Ball aufgegriffen, mit dem Tadzio und Jaschiu spielen und der deutlich macht, dass das Spiel eine körperlich-erotische Erregung bei Aschenbach auslöst. Der Ball, mit dem Apollo zum Ende des ersten Aktes zum Wettkampf einlädt, glänzt im Gegensatz dazu genauso golden wie der Gott, der mit seinem reinen Ideal allerdings dem Rausch der erotischen Liebe unterliegt.

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Aschenbach (Raymond Very, Mitte) und Tadzio (hier: Denis Popovich) im verfallenden Venedig

Für die Tanzszenen hat sich der Choreograph Fabian Posca an den tänzerischen Einflüssen der neoklassischen Ballettschule von George Balanchine orientiert. Während die polnische Familie mit sauberem Spitzentanz und eleganten Bewegungen für asketische Ideale steht, wirken die Pagen mit ihren Masken und dem eher modernen Ausdruckstanz nahezu surreal und vermitteln den Eindruck, dass man sich hier in einer Traumwelt befindet. Da das Ballett am Rhein zur Zeit durch eine eigene Produktionen eingebunden war, wurden für diese Partien Gasttänzer verpflichtet. Für den Tadzio und seinen Freund Jaschiu hat man Schüler der Staatlichen Ballettschule Berlin engagiert. Jarod Rödel gelingt als Tadzio eine bewegende Unnahbarkeit. Mit seinen eleganten Bewegungen wirkt er wie aus einer anderen Welt, und es wird gut nachvollziehbar, dass es zu keiner Kontaktaufnahme zwischen ihm und Aschenbach kommt. Nikolai Petrak legt seinen Gegenpart als Jaschiu wesentlich natürlicher und damit "irdischer" an. Großartig setzt Posca die große Traumsequenz im zweiten Akt um, wenn Aschenbach von den Stimmen Apollos und Dionysos' heimgesucht wird und das asketische Idyll einem dionysisch-apokalyptischen Rausch weicht. Hier wird Tadzio nicht nur seines weißen Anzugs beraubt, sondern auch wie ein Opferlamm über die Bühne getragen. Anders als im Libretto sieht Aschenbach den Jungen am Ende nicht im Wettkampf unterliegen, sondern Tadzio liegt einfach über einem umgekippten Stuhl.

Wenn Aschenbach sich am Ende an den verfaulten Erdbeeren mit der Cholera ansteckt und geschwächt in seinem Stuhl Platz nimmt, rollt ihm noch einmal der rote Ball entgegen. Tadzio ist allerdings nicht mehr zu sehen. Aschenbach ergreift den Ball und will ihn zurückwerfen, findet allerdings keine Kraft mehr dazu, sondern stirbt einsam in seinem Sessel. Für die Partie des Aschenbach ist Raymond Very verpflichtet worden, der im Rahmen des Britten-Zyklus an der Deutschen Oper am Rhein bereits als Captain Vere in Billy Budd zu erleben war. Mit sauber geführtem Tenor und bewegendem Spiel gestaltet er die Partie des alternden Künstlers und begeistert dabei mit großen dramatischen Ausbrüchen. Mit Peter Savidge steht ihm als Reisender ein Gegenspieler zur Seite, der die Diabolik der Figur wunderbar ausspielt und mit markantem Bariton zu punkten weiß. Yosemeh Adjei stattet den Apollo mit einem weichen Altus aus. Auch die anderen zahlreichen kleineren Partien sind mit Ensemble-Mitgliedern der Deutschen Oper am Rhein und des Opernstudios, sowie dem von Christoph Kurig einstudierten Chor gut besetzt. Lukas Beikircher arbeitet mit den Düsseldorfer Symphonikern die farbenreiche Partitur sorgfältig heraus, so dass es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Auch wenn das Stück musikalisch einige Längen aufweist, gelingt es Karaman und seinem Team beeindruckende Bilder für die einzelnen Szenen zu finden, so dass man sich diese Umsetzung einer relativ selten gespielten Britten-Oper nicht entgehen lassen sollte.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Lukas Beikircher

Inszenierung
Immo Karaman

Choreographie
Fabian Posca

Bühne
Kaspar Zwimpfer

Kostüme
Nicola Reichert

Licht
Franz-Xaver Schaffer

Chorleitung
Christoph Kurig

Dramaturgie
Sonja Westerbeck

 

Chor der Deutschen Oper am Rhein

Düsseldorfer Symphoniker


Solisten

*rezensierte Aufführung

Gustav von Aschenbach
Raymond Very 

Der Reisende (der auch ist: Der Ältliche Geck /
Der Alte Gondoliere / Der Hotel-Manager /
Der Friseur / Der Führer der Straßensänger /
Die Stimme des Dionysos
Peter Savidge

Die Stimme Apollos
Yosemeh Adjei

Junger Mann / Hotelportier
Florian Simson

Junger Mann / Hotelkellner /
Bootsmann am Lido / Kellner

Attila Fodre

Junger Mann / Fremdenführer / Priester /
Clerk im englischen Reisebüro
Torben Jürgens

Straßensängerin / Erdbeerverkäuferin /
Zeitungsverkäuferin
Alma Sadé

Straßensänger / Junger Mann /
Gondoliere / Glasbläser
Cornel Frey

Englische Lady / Spitzenverkäuferin
Hagar Sharvit

Tadzio
Denis Popovich /
*Jarod Rödel

Jaschiu
Talib Jordan /
*Nikolai Petrak

Mutter
Bettina Fritsche

Gouvernante
Victoria Wohlleber

Schwestern
Elodie Lavoignat
Anna Maldonado
Franziska Angerer

Handpuppe / Faun / Page
Francesco Pedone

Pagen / Faune / Friseurgehilfen
Michael Kitzeder
Toralf Vetterick

Pagen / Faune
Jochen Vogel
Ronaldo Navarro

Junger Männer
Cesar Dima
Franz-Martin Preihs
Ingmar Klusmann

Steward
Dong-In Choi

Französisches Mädchen
Helena Günther

Französische Mutter
Claudia Hildebrand

Amerikaner
Bo-Hyeon Mun
Eduardo Koch-Buttelli

Deutsche Mutter
Elisabeth Adrian

Deutscher Vater
Ortwin Rave

Pole
Manfred Klee

Dänische Lady
Simone Klostermann

Russische Kinderfrau
Manuela Kunze

Russische Mutter
Sibylle Eichhorn

Russischer Vater
Romualdas Urbonas

Bettlerin
Sylwia Rave

Hotelgäste
Cornelia Orendi
Elimar Köster
Klaus Walter
Martina Ramin


Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Deutschen Oper am Rhein
(Homepage)



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