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Balz: Markus Brück und Susanne Großsteiner.

Foto: APA/DIETMAR STIPLOVSEK

Bregenz - Alles noch da? Mal schauen. Da ist der mächtige grüne Schildkrötenpanzer, auf dem sich das zentrale Geschehen abspielt: Die Gräser eines Zauberwaldes wachsen meterhoch aus ihm empor, und auch sonst birgt die flache Halbkugel jede Menge Überraschungen in sich.

Da sind natürlich auch die drei turmhohen Drachenhunde Marke Cerberus aus dem Kinderkanal: Die mythischen Figuren aus der südafrikanischen Heimat des Bühnenbildners Johan Engels stehen hier für die drei Tore von Sarastros Tempel, sind aber auch Blickfang und optische Trademark dieser im wahrsten Sinne des Wortes fantastischen Zauberflöten-Inszenierung des scheidenden Bregenz-Intendanten David Pountney - sie war im letzten Sommer erstmals zu sehen.

Von links hinten schippert schon eine Gondel übers Wasser, mit dem verblichenen Gemahl der Königin der Nacht, ihr Selbst sowie Sarastro, aus welchem in einer Art Geburtsakt Monostatos rauspurzelt - in Pounteys Sicht das diabolische Alter Ego des Predigers. Monostatos grabscht sich den Sonnenkreis und flitzt davon. Der Kampf um die Macht beginnt. Sarastros Sklavensoldateska fetzt sich im Spiderman-Outfit mit den Leuten der Königin. Raketensalven zischen über die Spielfläche: Ka-wumm! Sarastro siegt, Pamina wird einkassiert. Pountney hat zur Ouvertüre die Vorgeschichte zur Schikaneder-Story erzählt, das Spiel kann beginnen.

Ist das Ganze eine Hetz in Bregenz? Ein Spektakel, eine Action-Show? Ja. Aber auch ein Triumphzug der Fantasie, auch dank der tollen Kreationen von Jeanne-Marie Lecca, deren Drei Damen etwa als übergroße Puppen auf Science-Fiction-Drachen reiten.

Und es ist eine Inszenierung mit einer ganz klaren Botschaft: Weder im Reich des autoritären, frauenfeindlichen, salbungsvoll daherorgelnden Tugendterroristen Sarastro noch in der aristokratisch geprägten Welt der Königin der Nacht lebt der souveräne Mensch gerne: Pamina und Tamino verlassen am Ende den Streitplatz der zwei Autokraten und gehen übers Wasser ans Ufer der Freiheit und der Selbstbestimmung.

Die musikalische Umsetzung von Mozarts Märchenoper überzeugt bei der Premiere ebenso: Norman Reinhardts Tamino ist vokal ein wenig heldisch timbriert, fein Bernarda Bobros Sopran (Pamina). Alfred Reiter singt eher einen Allerwelts-Sarastro, Kathryn Leweks Stimme hat für einen Koloratursopran erstaunlich viel Substanz, Weichheit, ist mehr erdenschwer als sternennah, hat aber dramatische Power.

Ein bisschen Hippie, ein bisschen Raubein, ein komödiantisches Schwergewicht: Markus Brück als Papageno, süß Susanne Großsteiner als Papagena. Der tolle Alexander Kaimbacher kann als gehetzter, gepeinigter Monostatos mal einem irren Tempo nicht folgen, das Dirigent Patrick Summers im Festspielhaus (die Wiener Symphoniker spielen dort) anschlägt: egal. Sonst funktioniert die Koordination über die Bildschirme gut, und die Drei Damen, die Drei Knaben und der Chor (Prager Philharmonischer Chor) singen hier ja sowieso im Haus.

Viel Freude am Ende aller zauberhaften Kunst, und auch die Natur - der beeindruckendste Bühnenbildner hier - stellt jetzt ihre Arbeit ein: Nach einem Eins-a-Sonnenuntergang und einer wie gemalten Dämmerung wird jetzt für ein paar Stunden der Autopilot aktiviert, ein paar Sterne notbeleuchten den Nachthimmel. Wunderschön auch das. (Stefan Ender, DER STANDARD, 26./27.7.2014)