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Musikfestspiele
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Salzburger Festspiele 2014

Don Giovanni
Dramma Giocoso in zwei Akten
Libretto von Lorenzo da Ponte
Musik von Wolfgang A. Mozart


In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 30' (eine Pause)


Premiere am 27. Juli 2014 im Haus für Mozart
(rezensierte Aufführung: 3. August 2014 - dritte Aufführung)

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Salzburger Festspiele
(Homepage)

Quickie in der Hotellobby

Von Stefan Schmöe / Fotos © Salzburger Festspiele / Michael Pöhn

Alle paar Jahre ist der Don Giovanni dran. Nicht, weil der Bedarf an Neudeutungen ausgewiesen groß wäre, aber Mozart gehört natürlich zum Kerngeschäft der Salzburger Festspiele. Blöd nur, wenn dem Regisseur wie in diesem Fall Sven-Eric Bechtolf, aktueller Schauspielchef und für die nächsten beiden Jahre künstlerischer Leiter der Festspiele, nichts festspielgerecht Erhebendes dazu einfällt. Der schreibt vorsichtshalber gleich ins Programmheft, dass diese Oper heutzutage verdammt schwer über die Rampe geht, wo doch alle Tabus längst gebrochen sind und die Pornoindustrie den Lüstling von Mozarts Gnaden ziemlich altmodisch aussehen lässt. Ob Mozart und sein Librettist Lorenzo da Ponte da nicht gehörig unterschätzt werden, und das Publikum gleich mit dazu?

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Das Prinzip Eros, um das alle kreisen: Don Giovanni (Ildebranco D'Arcangelo)

Als Einheitsbühnenbild hat sich Bechtolf von Rolf Glittenberg eine imposante Hotellobby bauen lassen, mit Blick auf etliche Zimmertüren. Nur wird den ganzen (gefühlt ziemlich langen) Abend über nicht klar, was dieses Bild in diesem Zusammenhang sagen will. Als realistischer Rahmen für die Handlung taugt das Ambiente nicht, das zeigt sich schnell, und so muss man das wohl mehr metaphysisch betrachten. Ein Hotel als Ort des Ankommens und Weggehens - das wäre ebenso banal wie die nahe liegende Assoziation, hier die vielfältige Gelegenheit zum schnellen Sex zu finden, auch wenn das mitunter ziemlich direkt angedeutet wird. Da bleibt dieses Hotel ein beliebig austauschbarer Raum, und ein ziemlich unpraktischer noch dazu, der letztendlich mehr stört als zur Wirkung beiträgt. Auch wenn Zerlina und Masetto hier zwar nicht das im Original geforderte Bauernpaar, aber als Zimmermädchen und Barkeeper in der sozialen Hierarchie formal unten angeordnet sind, heben die Kostüme von Marianne Glittenberg eben diese Hierarchie schnell wieder auf. Die in Libretto und Musik so genau gezeigten Standesunterschiede fehlen dadurch, ohne dass diese Leerstelle gefüllt würde. Überhaupt verlieren sich viele Einfälle im Nichts: Da gibt Giovanni der vor aller Augen gerade mehr verführten als vergewaltigten Donna Anna ein Messer und führt deren Hand zum tödlichen Stoß gegen den Komtur – eine Prise Vatermord also, was aber nicht erkennbar aufgegriffen wird. Letztendlich bleibt nur ein Aspekt, der sich als roter Faden durch die Regie zieht: Don Giovanni ist ganz konventionell die Personifizierung des Eros, dem alle erliegen. Das allerdings hätte Bechtolf auch weniger umständlich zeigen können.


Vergrößerung in neuem Fenster Der Ort des Geschehens: Ein Hotel.

Dabei ist Ildebrabdo d'Arcangelo ein blendend aussehender Don Giovanni wie aus dem Opernbilderbuch – viril und dynamisch im Auftreten, mit sonor tönender Riesenstimme auftrumpfend. Sein „Fin ch'an dal vino“ (aus Wunschkonzertzeiten als „Champagnerarie“bekannt) ist Programm und auch musikalischer Höhepunkt, das Energiezentrum des Abends. Die Regie könnte viel stärker diesem grandiosen Sängerdarsteller (und der Musik) vertrauen. Und an seiner Seite (auch diese Rollenbeziehung bleibt ziemlich unklar) hat er mit Luca Pisaroni einen ebenfalls ganz hervorragenden Leporello, klangschön und präsent und ebenfalls stimmlich sehr voluminös. Das sind schon zwei Herren, die klare Ansage machen – allerdings den Lautstärkepegel für die anderen Darsteller auf ziemlich hoch voreinstellen.

Das liegt natürlich auch an Dirigent Christoph Eschenbach. Der setzt mit den Wiener Philharmonikern auf ein großformatiges, trotzdem transparentes Klangbild, und oratorisch wuchtig ist nicht nur die Ouvertüre, sondern in gewisser Hinsicht auch die Gesamtdisposition, die Eschenbach vorgibt. Ist Giovanni und in dessen Gefolge auch Leporello ein sattes und durchaus dramatisches Forte als charakteristisch wiederkehrendes Klangbild zugeordnet, so steht als Gegenpol Don Ottavio mit einem introvertierten Piano (sowohl die für die Prager Uraufführung komponierte Arie „Il mio tesoro“ als auch die für Wien nachkomponierte „dalla sua pace“ werden gesungen). Andrew Staples, dessen gedecktes, dennoch sehr helles Timbre ein wenig gewöhnungsbedürftig ist, gestaltet das sehr schön als Ruhepunkte der Oper. Tomasz Konieczny als kraftvoller, aber poltriger Komtur ist naturgemäß ebenso statisch wie laut angelegt.

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Giovannis Widersacher: Donna Anna (Lenneke Ruiten) und Don Ottavio (Andrew Staples)

Die Donna Anna umgibt Eschenbach in einem sehr verhaltenem, getragenen Duktus mit der Aura einer mater dolorosa - allerdings ist Lenneke Ruiten mit schönem Piano, aber ohne besondere dramatische Reserven eine zu leichte, lyrische Besetzung, um das mit der nötigen stimmlichen Souveränität auszufüllen: Da fehlt es am erforderlichen „großen“ Ton auch in den exaltierten Ausbrüchen. Bei der Donna Elvira dagegen treibt Eschenbach die Musik voran, setzt der eher statischen Donna Anna hier die pulsierend bewegte Frau entgegen. Leider lässt Annett Fritsch sich zu oft zu Lautstärken verleiten, die ihre Stimme nicht hergibt, dadurch ungenau fokussiert ist und uneinheitlich klingt, und so stehen mitreißende Passagen neben recht ungeschliffenen. Groß dimensioniert ist die Zerlina von Valentina Nafornita, die hier kein soubrettenkeckes junges Mädchen ist, sondern mit interessantem Timbre Ansprüche auf größere Partien deutlich macht, tadellos der schlanke und präsente Masetto von Alessio Arduini.


Vergrößerung in neuem Fenster Finales Duell: Giovanni (Ildebranco D'Arcangelo, rechts) und der Komtur (Tomasz Konieczny)

Diese musikalisch-dirigentische Typisierung der zentralen Figuren ist nicht ohne Reiz und sorgt für faszinierende Momente, geht allerdings auf Kosten der dramatischen Entwicklung. Natürlich ist es großartig, den Wiener Philharmonikern mit ihrem wunderbar samtigen Klang zuzuhören. In der Summe erinnert das an die Statik einer Barockoper mit fest umrissenem Stimmungsgehalt innerhalb einer einzelnen Arie – aber die mozartschen Zwischentöne, auch der Witz, geht oft verloren. Auch die Rezitative hat man sicher schon inspirierter, vielschichtiger, ironischer gehört – hier bleibt vieles, obwohl souverän gestaltet, an der klangschönen Oberfläche. Das ist immer noch große Oper, aber eine, die ihrem Giovanni manches schuldig bleibt – der indes kümmert sich nicht groß darum und läuft, während die anderen in der scena ultima den vermeintlichen Tod des Bösewichts besingen, bereits wieder quicklebendig dem nächstbesten Zimmermädchen nach. Auf dass sich in ein paar Jahren, wenn diese Inszenierung längst vergessen ist, der nächste Regisseur an ihm abarbeitet.


FAZIT

Sven-Eric Bechtolf wirft ziemlich planlos mit Ideen um sich, ohne zu treffen – die Musik hat unbeeindruckt davon ihre festspielreifen Augenblicke, löst aber bei Weitem nicht alles ein, was Mozarts und da Pontes Genialität fordert.






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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Christoph Eschenbach

Inszenierung
Sven-Eric Bechtolf

Bühne
Rolf Glittenberg

Kostüme
Marianne Glittenberg

Licht
Friedrich Rom

Chor
Walter Zeh

Dramaturgie
Ronny Dietrich



Mitglieder der
Angelika-Prokopp-Sommerakademie
der Wiener Philharmoniker

Philharmonia Chor Wien

Die Wiener Philharmoniker


Solisten

Donna Anna
Lenneke Ruiten

Donna Elvira
Anett Fritsch

Zerlina
Valentina Nafornita

Don Giovanni
Ildebrando D’Arcangelo

Leporello
Luca Pisaroni

Il Commendatore
Tomasz Konieczny

Don Ottavio
Andrew Staples

Masetto
Alessio Arduini


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