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Eine qualvolle Dreiecksgeschichte nimmt in einem Museum ihren tragischen Lauf: Placido Domingo
(als Luna), Anna Netrebko (als Leonora) und Francesco Meli (als Manrico).

Foto: APA/Gindl

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Salzburg - Salzburg war zuletzt für surreale Regiefantasien ein Inspirationsort. Es träumte sich Falstaff bei Damiano Michieletto in einem Altersheim durch seine eigene Geschichte. Und bei Wagners Meistersingern von Nürnberg lud Stefan Herheim quasi in Hans Sachs' komponierenden Kopf, in dem die Geschichte dann so märchenhaft wie virtuos erstrahlte.

Alvis Hermanis wiederum, in Alexander Pereiras Salzburger Intendantenzeit der Mann für die Opernmoderne (Die Soldaten, Gawain), legt über Verdis Il trovatore die Wachträume jener Existenzen, die in Tempeln der spanischen Kunstgeschichte dafür sorgen, dass Gemälde unbeschädigt wie unberührt bleiben.

Wie es also ruhig und dunkel wird im Museum, entledigt sich eine Wärterin ihrer Brille und der blauen Arbeitskleidung und mutiert zur edlen Leonora, die ihren Manrico herbeisehnt. Auch Luna, der sie heftig begehrt, hat einen Job. Als Nachtwächter mit Taschenlampe stellt Plácido Domingo wohl den Weltrekord in flinkem Kostümtausch auf, der ihn zur historischen Opernfigur werden lässt. Im Großen Festspielhaus nährt dies zu Beginn durchaus die Hoffnung, Hermanis würde den angestoßenen Wechsel der Realitätsebenen fantasievoll-leicht zur Entfaltung bringen.

Mühsame Verwandlung

Mit Fortdauer der hitprallen, gesanglich fordernden Oper schmilzt der Charme der Museumsidee jedoch leider dahin: Mühsam wird Wärterin Netrebko von hilfreichen Einkleidungsdamen zwischendurch wieder in Leonora verwandelt. Hilflos steht der Chor (profund die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor) in der Regel historisch kostümiert herum. Und auch die zu transparenten Umbaupausen befruchten nicht gerade den Erzählfluss dieser längst legendär wirren Geschichte von mörderischer Liebes- und Racheraserei.

Also, schöne Bilder hin, Hermanis' reizvolle Ausgangsidee her: Es schrumpft die Inszenierung letztlich zum obligaten Konzert in Kostümen, bei dem vor allem Gemälde - in einer Art Ballett der Wände - für Bewegung sorgen. Und dass sich die eigentliche Opernstory nach und nach in historischer Kostümform der Museumsrealität bemächtigt, ohne einer Schlusspointe zu weichen, spricht auch nicht für konsequente Konzeptumsetzung.

Es gibt da keine sinnvolle Rückkehr zur Museumsrealität, keine Rückführung der Figuren in ihren Alltag. Vor leeren, nun bildbefreiten Wänden enthüllt Azucena (solide Dramatik Marie-Nicole Lemieux) dem rasenden Luna, dass er gerade seinen Bruder Manrico hinrichten ließ. Ende. Hermanis dekonstruiert also sein eigenes Konzept, erweckt dabei aber nicht den Eindruck bewussten Gestaltens. Es riecht eher nach einer Regiesackgasse, aus der er nicht mehr herausgefunden hat.

Vielleicht hätte er statt einer Gemäldesammlung eine Skulpturengruppe wählen sollen. Womöglich wäre auch der fantasievolle Einsatz filmischer Mittel dem Wechsel zeitlicher Perspektiven dienlicher gewesen. Hermanis kredenzte jedenfalls ein paar szenische Verlegenheitslösungen zu viel.

Vokale Meisterleistung

Wenn Anna Netrebko in dieser Form singt, wird allerdings alles irgendwie unerheblich. Zum einen sind bei ihr Spuren einer bewussten Figurengestaltung durchaus erkennbar - auch in jenen Momenten, da sie Plácido Domingo als Luna intensiv umgarnt. Zum anderen verschmelzen bei ihr makellose Technik, Klangpracht und Gestaltungssensibilität zu einer Performance, die jeden Regieansatz zur Petitesse, zum akzeptablen Rahmen werden lässt: Ansatzlos im Piano gehauchte Töne und sichere Koloraturen vereinen sich mit dramatischem Aufbäumen zu einem vokalen Ereignis, das in lyrischen Passagen seinen Gipfel erreicht. Netrebko nimmt bei Spitzentönen die Dynamik zurück und lässt im Pianissimo Töne von tiefreichender Schönheit schweben. Besseres ist kaum vorstellbar; daneben verblasst denn auch alles - auch das ziemlich Gute.

Tenor Francesco Meli (als Manrico) steht für das Gute. Er singt klar, elegant und verfügt über vokale Präsenz, wobei er bei Di quella pira etwas kraftlos bleibt. Plácido Domingo wiederum, der von der Mittellage aufwärts nach wie vor erstaunlich intensiv klingt, konnte den Eindruck eines Grenzgangs nicht verbannen. In tiefen Lagen wirkt er nicht als Gestalter, schon eher als Gehetzter, dessen Töne recht grob klingen. Ein bewundernswertes Phänomen reizte seine Möglichkeiten über die Maßen aus.

Daniele Gatti und die Wiener Philharmoniker gaben sich wiederum sängerfreundlich, genossen recht breite Tempi, versäumten es allerdings nicht, pointierte Akzente zu setzen wie auch klanglich für atmosphärischen Reichtum zu sorgen. Applaus für alle - ein paar Buhs dann für die Regie. (Ljubiša Tošić, DER STANDARD, 11. 8. 2014)