Selten wurde eine Produktion im Voraus so gehypt wie die diesjährige Inszenierung von Verdis Il Trovatore. Nach einem Blick auf die Besetzungsliste ist dies auch nicht verwunderlich, denn mit Anna Netrebko und Plácido Domingo in den Hauptrollen kann ja, zumindest gesanglich, schon ein mal fast nichts mehr schief gehen.

Der Vorhang hebt sich und schon befindet man sich in Mitten eines riesigen, kunsthistorischen Museums. Übergroße Gemälde von Botticelli und anderen Zeitgenossen zieren noch höhere, bordeauxrote Wände. Regisseur Alvis Hermanis inszeniert eine Welt, in der sich Gegenwart und Vergangenheit vermischen. Dabei wird an Details nicht gespart, jede Szene bekommt ein anderes Gemälde in den Hintergrund gestellt, Wände schweben quasi magisch über die Bühne und erzeugen in den verschiedensten Anordnungen große Säle und kleine Gänge des Museums. Tagsüber arbeiten die Protagonisten, bis auf Manrico, dort als Museumswächter, nachts träumen sie sich zurück in die Vergangenheit und werden selbst Teil davon. Dieser Mix führt leider mitunter zu Verwirrung, da niemals ein einheitlicher Übergang in die unterschiedlichen Zeiten herrscht. Plötzlich sitzen da Touristen in Turnschuhen, während Leonora im historischen Samtgewand (Kostüme von Eva Dessecker) ihren Troubadour besingt.

Gesanglich gibt es an diesem Abend so gut wie nichts zu bemängeln. Wie erwartet glänzt Anna Netrebko in der Rolle der Leonora. Mit einer unbeschreiblichen Leichtigkeit schwebt sie über jede noch so lange Linie, lädt einen Ton mit Spannung auf, um ihn im nächsten Moment im leisen Vibrato versinken zu lassen. Netrebko ist dramatisch, aber niemals übertrieben. Mit scheinbar endlosem Atem und den unterschiedlichsten Klangfacetten versieht sie ihre Leonora mit einer Ausdruckskraft, die den Seelenzustand dieser Figur von der verliebten bis zur gebrochenen Frau zu jedem Zeitpunkt genau erkennen lässt. Das Publikum ist außer sich von dieser Darbietung und belohnt mit reichlich Szenenapplaus.

Der zweite große Name an diesem Abend ist Plácido Domingo als Graf Luna. Seit einiger Zeit ist er nun im Bariton-Fach unterwegs und auch an diesem Abend merkt man, dass er dort gut aufgehoben ist. Trotz seines Alters kann Domingo noch gut mit seinen wesentlich jüngeren Kollegen mithalten: Sein unverwechselbares Timbre ist auch in der Bariton-Rolle nicht zu überhören und je weiter sich die Handlung zuspitzt, desto mehr Kraft scheint Domingo aus seinen Reserven zu schöpfen. In den Duetten mit Anna Netrebko entsteht so eine Energie, die jeden bis in den letzten Rang hin erfasst. Es wird gestritten, gelitten und letztlich gestorben. Mit unglaublicher Intensität verkörpern die beiden die Geschichte von Begierde und Hass.

Francesco Meli gibt den Troubadour Manrico und damit einen Verdi-Tenor wie er im Buche steht. Meli hat gerade in den Spitzentönen eine Ausdauer, die ihn das Orchester ohne Anstrengung bezwingen lässt. Einmal spielt er mit dem Ausdruck seines weichen Vibratos, dann wieder mit der Kraft des piano. An Facettenreichtum mangelt es dem Italiener keineswegs. Seine Mutter wird sehr dramatisch von Marie-Nicole Lemieux gesungen, was sich auch in ihrem Schauspiel widerspiegelt, und es muss doch erwähnt werden, dass sich während der gesamten Aufführung niemand so schön zu Boden schmeißt wie Lemieux.

Durch das dramatische Geschehen leitet die Sänger und die Wiener Philharmoniker Daniele Gatti. Bewusst setzt er Akzente und nutzt die klangliche Vielfalt der Philharmoniker, nimmt sie an den entsprechenden Stellen aber bewusst zurück, um den Sängern den Vortritt zu gewähren, ohne dass seine Musiker dabei an Ausdruckskraft verlieren. Auch wenn es sich bei der Musik Verdis um sehr gewaltige Klangeindrücke handelt, reizt Gatti die Wucht der Dynamik an manchen Stellen vielleicht ein wenig zu sehr aus. Ein deutliches Lob muss zum Schluss noch dem von Ernst Raffelsberger einstudierten Chor ausgesprochen werden. Dieser gibt mit viel Ausdruckskraft und Leidenschaft im Gesang das Paradebeispiel eines Verdi-Chors ab.

Der Trovatore der diesjährigen Salzburger Festspiele kommt also alles in allem sehr ausdrucksstark und dramatisch daher. Nichts anderes erwartet man aber auch von einer Verdi-Oper, die mit einer derartig hochkarätigen Besetzung aufwartet. Nirgends wird so schön gestorben wie bei Verdi. Nach dem zahlreichen, frenetischen Zwischenapplaus fällt der Schlussapplaus allerdings etwas schwächer aus als erwartet. Vielleicht ist das Publikum aber auch nur ebenso erschöpft von den dreistündigen Strapazen der Geschehnisse wie die sichtlich erleichterten Sänger.

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