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Premiere von "La Favorite": Mit Donizetti im Stau

Noch mehr Staraufgebot in Salzburg: Elina Garanca und Juan Diego Flórez singen Donizetti ohne Szene.

Premiere von "La Favorite": Mit Donizetti im Stau
Premiere von "La Favorite": Mit Donizetti im Stau
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Premiere von "La Favorite": Mit Donizetti im Stau

Zunächst hieß es am Freitag um 16 Uhr warten, bei voller Orchester- und Chorbesetzung auf der Bühne des Großen Festspielhauses. Ein Bus hatte sich wegen Staus verspätet, und dessen Fahrgäste hinterließen zunächst sichtbar Lücken auf den zusätzlichen Sitzen im exponierten Orchestergraben. Schließlich seien sie Besitzer "teurer Karten", beschied ein entschuldigender Sprecher die anderen, also hätten diese sich in Geduld zu üben. Ob die Festspielleitung auch für unverschuldet zu spät Kommende in billigeren Kategorien den Anfang der Vorstellung angehalten hätte, beschäftigte wohl manch murrende Besucher, welche dann der Intendant höchstpersönlich zu beruhigen trachtete.

Sei´s drum: Das Münchner Rundfunkorchester saß brav da und geriet während der Ouverture unter der musikalischen Leitung von Roberto Abbado dann selbst in den Stau. Man musste sich - und das dauerte seine Zeit - erst selbst (wieder) sammeln.Eine krude HandlungAngesetzt war eine konzertante Aufführung von Donizettis 1840 in Paris uraufgeführter vieraktiger Oper "La Favorite", und man fragte sich in den nicht wenigen Staulagen der folgenden dreieinhalb Stunden, wie wohl Peter Stein dieses seltsame Libretto inszeniert hätte. Vielleicht ist es nicht ganz so "grauenvoll" wie Schuberts "Fierrabras".

Im Mittelpunkt steht der junge Novize Fernand, der im Kloster in Leidenschaft für eine Frau entbrannt ist, Leonor. Für sie verlässt er die Kirche, wird erfolgreicher Militär in Diensten des Königs Alphonse XI., dessen "Favoritin" (also Mätresse) Leonor ist, die Fernand zur Frau begehrt. Er weiß bis zu seiner Hochzeit nichts von ihrem Status, was ihn bei Hof zum Spielball werden lässt. Weshalb Fernand nach dem Schock der Enthüllung wieder in die schützenden Mauern des Klosters flieht, wo er in einem neuen, verkleideten "Novizen" die todkranke Frau seines Lebens zu spät wiederfindet.

Gerade dieser letzte Akt hat die schönste, empfindsamste, zudem tief dramatische Musik: mit strengen, erhabenen Mönchsgesängen, der zärtlichen Romanze Fernands vom reinen Engel, "Ange si pur", und einem breit ausgeführten Schlussduett. Zuvor muss man sich durch manche Längen (inklusive Ballettmusik) kämpfen.Alle hörten auf die ProtagonistenAber aller Augen und Ohren waren ohnedies auf das Protagonistenpaar gerichtet. Elina Garanca weiß ihren wunderbaren Mezzo mit gleichsam rubinrotem Timbre aufzuladen und bruchlos strömen zu lassen, sonor auf Linie und Ausdruck, leidenschaftlich und dramatisch ohne Überdruck. Das war in jeder Hinsicht eine "runde" Leistung.

Der peruanische Tenor Juan Diego Flórez verabschiedet sich langsam von den quecksilbrigen Rossini-Lagen und mühelos in Serie produzierter Hoch- und Höchstton-Artistik. Mit dem französischen Repertoire erobert er sich Neuland für seine voller gewordene, jetzt metallischer und ausdrucksintensiver ausstrahlende Stimme, die gleichwohl immer noch die charakteristische tenorale Wendigkeit und leichte Ansprache in der hohen Lage hat.

Der Rest der aufgebotenen Besetzung war gediegen, mit Eva Liebau als Ines auf der verbleibenden weiblichen Seite hochrangig, in den tieferen Registern der Männerrollen mit Ludovic Téziers markantem, aber bulligem Bariton als König und der mitunter rauhen Bassdeklamation von Carlo Colombara als Prior Balthazar wenig aufreizend besetzt. Ein Versprechen: der wendige, helle Tenor von David Portillo als Don Gaspar.Brillanz hört sich anders anMit dem sehr hölzern agierenden Dirigenten Roberto Abbado durfte man hadern. Er längte Donizettis nicht uninteressante, dem Pariser Geschmack angepasste und doch eigenwillig "italienisch" bleibende Partitur, statt ihr einen dringlicheren, auch flexiblen Zug zu geben, was zu manchen Aufmerksamkeitsdefiziten in der Orchestersprache führte. Prickelnde Brillanz, die das Werk zumal auf der konzertanten Bühne erfordern würde, hört sich anders an. Dass die dreieinhalb Stunden nicht langweilig wurden, dafür garantierten dann doch die Stars. Gleichwohl könnte man vor der zweiten Aufführung am Dienstag manches an Klangraffinessen noch nachjustieren. Der obligate Jubel stellt sich so oder so ein.

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