Donizettis Dornenvögel von Kastilien

SALZBURGER FESTSPIELE 2014: GARANCA
SALZBURGER FESTSPIELE 2014: GARANCAAPA/FRANZ NEUMAYR
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Elīna Garanča, Juan Diego Flórez in "La favorite": Stilgerecht, nur ohne Kostüm.

„Ah! De mon sort que ne suis-je maîtresse!“, entfährt es Léonor de Guzman einmal. Sie, die nicht Herrin über ihr Schicksal sein darf, ist mehr und doch auch viel weniger, nämlich „Herrin“, sprich Mätresse des Königs. Alfons XI. von Kastilien liebt seine Favoritin sogar so sehr, dass er drauf und dran ist, die Staatsräson in den Wind zu schreiben und sich zu Léonors Gunsten scheiden zu lassen. Dagegen erhebt freilich die Kirche Einspruch – und so weit reicht ungefähr das Abbild der historischen Realität von 1340. Im Libretto, das Gaetano Donizetti fünfhundert Jahre später für Paris unter dem Titel „La favorite“ im Stil der Grand Opéra komponiert und damit einen anhaltenden Erfolg gelandet hat, fangen die Verwicklungen damit erst an...

Historische Verankerung, Standeszwänge, Religion und Doppelmoral, ein Dreiecksverhältnis, der Widerstreit zwischen Pflicht und Neigung, eine unglückliche Liebe: Mag man über diese Opernhandlung längst die Nase rümpfen, besitzt „La favorite“ doch alle Elemente eines veritablen Klassikers und prunkt durch Donizettis Musik mit einer souveränen Verbindung von französischem Esprit und italienischem Gusto. Ein opulenter Orchesterpart, große Finali, die obligate Ballettmusik und Lokalkolorit mit feierlichem Orgelklang im Kloster treffen auf gefühlvolle, im Lyrischen einnehmende Arien.

Kantilenen, wie auf Samt gebettet.
Zumindest im Fall der beiden Hauptpartien, also von Léonor und dem Novizen Fernand, der sich in sie verliebt, das Kloster aufgibt, dann von ihrer Vergangenheit entsetzt und hin- und hergerissen ist, fanden sich Donizettis Kantilenen bei dieser konzertanten Festspielaufführung wie auf Samt und Seide gebettet – und die Melomanen waren entzückt. Es hat in der Vergangenheit Interpretinnen gegeben, welche die unglückliche Favorite stilwidrig in der Nähe der veristischen Attacke einer Santuzza angesiedelt und etwa mit effektvoll dröhnenden, derben Brusttönen ausgestattet haben. Keine Spur davon bei Elīna Garanča: Die Noblesse ihrer Tongebung erstreckt sich bruchlos von der voluminösen, aber schön gerundeten Mezzosoprantiefe bis hinauf zu fulminanten, traditionell eingelegten Soprantönen. Gemeinsam mit Juan Diego Flórez, der Rossini langsam hinter sich lässt und der Opernwelt im französischen Repertoire noch so manche Offenbarung bescheren könnte, serviert sie jede Empfindungsnuance auf dem vokalen Silbertablett.

Töne bis über das hohe C hinaus bindet der Tenor in geschmeidige Phrasen ein, vermittelt Zärtlichkeit und Bitternis ohne Drücker oder gar Forcieren und beschwört mit keuschem Klang seinen „Ange si pur“: Damit konnten der kernig, doch etwas einförmig singende Bariton Ludovic Tézier (Alphonse) und Carlo Colombara (Balthazar) ebenso wenig mithalten wie Roberto Abbado, der mit dem Münchner Rundfunkorchester, dem Philharmonia Chor und guten Comprimari selten über etwas zäh anmutende Korrektheit hinauskam.

Restkarten für 26.8.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2014)

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