Per Ballon aus dem Saloon

HUNGARY JOSE CURA
HUNGARY JOSE CURA(c) EPA
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Nina Stemme ist wieder Puccinis „Mädchen aus dem Goldenen Westen“, José Cura erstmals ihr mehr als veristischer Lover.

„Hello!“, „Hello!“, rufen sich wieder die armen Goldgräber-Schlucker in Puccinis goldenem Westen zu. Die Staatsoper hat nach den fünf Vorstellungen der Premierenserie vor knapp einem Jahr dessen „La fanciulla del West“ wieder ins Programm genommen. Im Lager der kalifornischen Glücksritter hat es inzwischen einen Schichtwechsel gegeben, zahlreiche der kleineren und kleinen Männerpartien sind neu besetzt, darunter Carlos Osuna als neuer Nick, Alexandru Moisiuc als Ashby oder Gabriel Bermúdez erstmals als Jake Wallace und José Castro. Sie fügen sich bestens in Marco Arturo Marellis repertoiretaugliche Inszenierung. Der hat geschickt den von Puccini fast schlagerfrei, doch höchst wirkungsvoll in moderne und originelle Musik gesetzten Western-Schinken aus dem Wildwestmilieu in ein Heute geholt. Aus dem Saloon Polka ist eine Containerstadt mit einem Imbisswagen in der Mitte geworden.

Hier musste sich wie schon zur Premiere Nina Stemme als Minnie wieder in ihre Jeans-Latzhose werfen, um als einziges Mädchen im Lager den Kumpels Mama-Ersatz und Objekt der Begierde zu sein. Auch Tomasz Konieczny hat sich als Jack Rance zum sechsten Mal den Sheriffstern an die Brust gesteckt und steigt erneut der ihn abweisenden Minnie nach. Neu ist der Räuber Dick Johnson, in den sich Minnie verliebt: José Cura hat die Partie von Jonas Kaufmann übernommen. Diese drei Hauptfiguren stürzen sich mit großem Einsatz in das Dreiecksspiel aus Liebe und Eifersucht. Und öffnen damit für die Staatsoper ungeahnte Verismo-Kategorien: Stemme beeindruckt, freilich eher Wagner- als Puccini-geeicht, mit machtvollen Höhen, aber auch feinen Zwischentönen, ist ein leidenschaftliches und mächtig großes Mädchen, das sich weder vorm eifersüchtigen Sheriff noch vorm geliebten Räuber fürchten muss. Konieczny zeichnet mit vielen Zwischentönen schillernd den zerrissenen Charakter des unerwidert Liebenden. Cura setzt ebenfalls ganz auf geradezu überveristische Zeichnung. Zwischen Parlando und stark gepressten Höhen, von Lethargie bis Eruption, ist auch er ein vom Schicksal arg Gebeutelter.

Das sorgt vor allem im zweiten Akt für spannende Musiktheatermomente, bis endlich der Regenbogenballon vom Bühnenhimmel schwebt, um Minnie und Dick in eine schönere Zukunft entschweben zu lassen. Dazu schürfen auch die Musiker im Orchestergraben unter der umsichtigen Aufsicht von Graeme Jenkins tüchtig orchestrales Puccini-Gold. (mus)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2014)

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