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Ewig jung und hoffnungslos einsam
Von Joachim Lange /
Fotos von
Wilfried Hösl
Es steht dem aktuellen Opernhaus des Jahres, der Bayerischen Staatsoper in München, gut zu Gesicht, die neue Spielzeit mit einer Oper von Leoš Janáček zu beginnen. Dabei bietet Die Sache Makropulos genügend Raum für die musikalische Prachtentfaltung des in diesem Jahr ebenfalls an die Spitze des Rankings gelobten Bayrischen Staatsorchesters. Auch wenn diesmal nicht der russische Wunderknabe Kirill Petrenko (ebenfalls der Dirigent des Jahres) am Pult steht, sondern sein tschechischer Kollege Tomás Hanus. Nun sind die Werke Janáčeks längst vom böhmisch-mährischen Spezialfall der Operngeschichte zum europäischen Allgemeingut geworden. Doch dürfte es der Klangfarbe und der Verschränkung mit dem gerade bei diesem Komponisten zwingenden tschechischen Gesang, nicht schaden, wenn ein Landsmann des Komponisten mit Muttersprachgefühl am Pult steht. So gibt es denn aus dem Graben ein packendes Breitbandkino für die Ohren, obendrein in einer kritische Neuausgabe.
Die Anwaltskanzlei - eine Bürokratie-Installation mit Effekt
Zur suggestiven, emotional dräuenden Orchesterverführung kommt ein exzellentes Solistenensemble, bei dem Nadja Michael als Emilia Marty mit ihrem intensiven Spiel und einer vokalen Glanzleistung die Hauptlast schultert. Auch sonst wird auf münchentypisch hohem Niveau gesungen. Von Pavel Černochs smart fordernden, jugendlich Albert Gregor über die Krista von Tara Erraught und John Lundgrens markantem Jaroslav Prus bis hin zum Veteranen Reiner Goldberg als schrulliger (aber kein bisschen peinlicher) Altliebhaber Hauk-Sendorf. Der junge Albert Gregor bedrängt Emilia ohne zu wissen, wer sie ist Aber nicht nur die musikalische Seite dieser Produktion überzeugt. Der vom Schauspiel kommende ungarische Regisseur Árpád Schilling und sein Ausstatter Márton Ágh lösen die Geschichte der Frau, die in ihren 337 Lebensjahren tatsächlich höchstens Ende Dreißig werden konnte, aus dem allzu konkreten Ambiente der staubigen Anwaltskanzlei, der Garderobenrückseite des Theaters und der Hotelzimmerenge, in der sie, Karel Čapeks Komödie folgend, eigentlich spielt. In München sind es eher kafkaesk metaphorische Räume. Die Drehbühne beherrscht zunächst eine vertikale Installation aus unzähligen Stühlen, die zwischen zwei Mauerblöcken für das Sitzfleisch der Bürokraten stehen mag. Die Unmassen an geschreddertem weißen Papier auf der gesamten Bühne lassen nicht nur an Anwalts-Output, sondern gar an Wolken denken. Wenn die Garderobe von Blumen übersät ist, assoziiert das die Bühne, auf der Emilia unter all' ihren wechselnden Namen ihre Erfolge gefeiert hat. Und wenn dann Pfleger in grüner Krankenhauskluft Hauk-Sendorf abführen, lassen die gepolsterten Wände an das Innere von Gummizellen denken. So recht wollen sie der Marty die Enthüllung ihres Geheimnisses allesamt nicht abnehmen ... Emilia bei ihrer großen Lebensbeichte - und keiner will ihr glauben. Diese in der Konkretheit sparsame, in ihrer Stilisierung aber effektvolle Ästhetik rückt die Sänger ganz von selbst in den Mittelpunkt. Woraus vor allem Nadia Michael Kapital schlägt. Sie vermeidet das Rollenklischee der großen Diva, taucht in der Kanzlei in Jeans und Lederjacke auf, als wäre sie Madonna; ist dann die zerbrechliche, hoch attraktive Frau (Typ Sunnyi Melles), die in ihrem überlangen Leben die Männer hauptsächlich von ihrer gewalttätigen Seite kennengelernt hat. Und in ihrer Beinahe-Unsterblichkeit hoffnungslos vereinsamt ist. Auch am Ende ihres Lebens wird Emilia gepeinigt von den Männern Bei Schilling schnappt sich das Nachwuchstalent Krista am Ende den Pelzmantel und das Jugendrezept von Kaiser Rudolfs Hofalchimisten, steht auf der Bühne auf der Emilia gerade wie in einem Alptraum noch einmal rituell misshandelt wurde, während sich der Raum von oben schließt. Mit einer Decke aus Eisbergen. In denen steht dann Krista gleich mitten in der eiskalten Einsamkeit. Auch die Frauen sind halt nicht per se klüger als der Rest der Menschen. Das ist nur eine der Weisheiten, die man von diesem gelungenen Münchner Spielzeitauftakt mit nach Hause nimmt. FAZITMünchen ist mit dieser Janaček-Inszenierung ein musikalisch intensiver und auch szenisch interessanter Saisonauftakt gelungen. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne und Kostüme
Licht
Chor
Dramaturgie
Solisten
Emilia Marty
Albert Gregor
Vítek
Krista
Jaroslav Prus
Janek
Dr. Kolenatý
Ein Theatermaschinist
Eine Aufräumefrau
Hauk-Sendorf
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