Villazóns Mamma Agata richtet nicht alles

Volksoper. Donizettis „Viva la Mamma“ in der Regie von Rolando Villazón und mit Martin Winkler in der Travestierolle der Mamma Agata wird trotz allzu vieler Pointenabsichten szenisch ein größerer Erfolg als musikalisch.

Gesetze sind wie Würste, heißt es: Bei beiden sollte man lieber nicht dabei sein, wenn sie gemacht werden. Das gilt auch für Opern. Spätestens, seit sich die fragile Kunstform auf dem freien Markt zu behaupten hat, also seit über dreieinhalb Jahrhunderten, häufen sich die Anlässe dafür, alle ihre Protagonisten aufs Korn zu nehmen – am besten natürlich wieder in Form einer Oper. Wenn nun kein Geringerer als Rolando Villazón, der Licht und Schatten des Betriebs wahrlich kennengelernt hat, eine solche Satire an der Wiener Volksoper inszeniert, dann pilgert „tout Vienne“ an den Gürtel und amüsiert sich dabei, wie Mamma Agata alles richtet.

Und das ist auch dringend nötig: Sopran-Allüren, Tenor-Beschränktheit und allerlei verletzte Eitelkeiten auf und hinter der Bühne führen nicht nur zu erbosten Abreisen und verzweifelten Umbesetzungen, sondern kollidieren auch noch mit plötzlichen Budgetproblemen. Aber Mamma Agata, die trampelhaft-resolute Mutter der schüchternen zweiten Sopranistin und dann selbst als Einspringerin vom Rampenlicht berauscht, rettet die Chose, indem sie ihren Schmuck verpfändet: „Viva la Mamma“ – So lautet auch der heute gängige, griffigere Titel von Gaetano Donizettis ursprünglich einaktiger Farce „Le convenienze ed inconvenienze teatrali“ („Sitten und Unsitten am Theater“), die er nach der Uraufführung 1827 selbst noch zur zweiaktigen Opera buffa erweitert hat. Sie lebt nicht zuletzt davon, dass die Titelrolle einen Bariton verlangt.

Löwinger-Bühne und „Star Wars“

Angesichts von Martin Winkler als Agata ist man versucht, ein Bonmot Ernst Kreneks über Alma Mahler-Werfel zu paraphrasieren: Der Stil dieser Mamma ist jener von Wagners Brünnhilde, transferiert in die Atmosphäre der Löwinger-Bühne. Auch wenn Winkler es schafft, nicht zu outrieren, wird es selbstredend kein Abend der Subtilität. Als eine Hilde Rom des Belcanto trippelt er treppauf und treppab, nestelt an der Frisur, rückt den Busen in Form – und lässt zugleich keinen Moment Zweifel daran aufkommen, dass das Dirndlkleid für Agata ein Kampfanzug ist. Muss sie dann Prinzessin Leia spielen, zeigt sie Bein beinah bis zum Nabel und wird zum Zentrum des großen „Star Wars“-Balletts – wahrscheinlich sogar der Höhepunkt dieser Volksopern-Aufführung.

Dirndl? „Star Wars“? Ja. Rolando Villazón hat sich von Alexander Kuchina für sein Wiener Regiedebüt eine eigene Version der gängigen Übersetzung anfertigen lassen. Nun spielt das Stück an einem heimischen Provinztheater der Gegenwart, Komponist und Librettist mutieren zu Dirigent und Regisseur. Das bietet im Bühnenbild von Friedrich Despalmes und inmitten eines dichten Gewusels an Personal und Pointen, das verblüffenderweise doch nie wirklich zu viel wird, allerlei Gelegenheiten für bissige Aperçus und Running Gags – und steigert sich in dem auf Italienisch gesungenen Stück im Stück gar zur Sci-Fi-Ausstattungsrevue. Wer eine spritzige Donizetti-Buffa erwartet, wird freilich eher enttäuscht sein, dazu stellt der deutsche Gesangstext unangenehm hohe Hürden auf und ist das sängerische Niveau allgemein nicht gleichmäßig genug: Anja-Nina Bahrmann lässt als Primadonna jedenfalls die kostbarsten Töne hören; Julia Koci sekundiert brav als Agatas Tochter Luisa.

Klischees bleiben Klischees

Villazón, der Detailverliebte, zeigt dagegen zumindest im ersten Akt eher ein Theaterstück mit Musikeinlagen und lässt die Klischees der Vorlage getrost Klischees bleiben: In den langen Dialogen gibt es viele Witze, aber genuin musikalischer Witz bleibt Mangelware – daran können auch der Chor und das wackere Orchester unter Kristiina Poska nichts ändern. Jörg Schneider blödelt als ebenso beleibter wie dummer russischer Tenor, darf aber im zweiten Akt noch eine Schmeichelnummer zum Besten geben, Tostis „Ideale“. Marco di Sapia mimt herrlich schnöselhaft den pseudointellektuellen Regiegott; Andreas Mitschke stapft als sonorer Theaterdirektor schulterklopfend einher und findet doch alles und jeden furchtbar; Günter Haumer gibt als Dirigent innerlich bald auf; Daniel Ochoa ist der Agent, den es selbst auf die Bühne zieht. Am Ende freundlicher Jubel mit ein paar Buhs für das Regieteam.

Noch am 20., 22., 26.1., 19 Uhr und weitere sieben Vorstellungen bis 4.3.; www.volksoper.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2015)

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