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Der Rosenkavalier

Komödie für Musik in drei Aufzügen
Text von Hugo von Hofmannsthal
Musik von Richard Strauss


in deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 4h 30' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Dortmund am 25. Januar 2015




Theater Dortmund
(Homepage)

Einstürzende Altbauten

Von Stefan Schmöe / Fotos von Thomas Jauk / Stages Pictures GmbH

Zunächst ist da ein prunkvolles Bett unterm Sternenhimmel. Darinnen die Frau des k.u.k.-Feldmarschalls Werdenberg mit ihrem jugendlichen Geliebten Octavian, und dass es da nicht um Sternbeobachtungen geht, zeigt nicht nur die Musik, sondern auch die nicht eben um Subtilität bemühte Regie. Nein, sagen wir es ganz deutlich: Es geht natürlich um Sex, und zwar den ganzen Abend über. Dabei verspricht die hübsche Bett-unter-Sternen-Metapher doch eigentlich Höheres, und wenn bei Tagesbeginn die Wände herein fahren und das Paar wie ein Gefängnis umgeben (ein Gefängnis aus gesellschaftlichen Konventionen, ist man geneigt schön zu formulieren), ergibt das ja auch tieferen Sinn. Auch später werden die Protagonisten immer dann, wenn es um wahre Liebe geht, aus dem Bühnenbild heraus treten. (Dummerweise steht dann aber immer so viel Bühnenbild herum, dass das nur notdürftig funktioniert.)

Szenenfoto

Ein Bett unterm Sternenhimmel: Die Marschallin (links) und Octavian

Der Regie führende Dortmunder Intendant Jens-Daniel Herzog - oder zumindest sein Bühnenbildner Matthias Neidhardt - möchte aber offenbar noch eine weitere Geschichte erzählen, und zwar die einer vergehenden Epoche. Nach einem passablen ersten Akt versinkt der einengende Rokoko-Salon schräg im Boden, und der neureiche Großbürger Faninal hat darin eine schicke Neubauwohnung einziehen lassen, schlüsselfertig, aber noch nicht möbliert: Zu Beginn des zweiten Aufzugs werden ziemlich klamaukig eine mondäne Ledergarnitur nebst Designer-Stehlampe hereingetragen. Eigentlich ein Denkfehler der Regie, denn der Strauss'sche-Hofmannsthal'sche Faninal würde niemals solche Bausünden begehen. Schließlich will er ja genau da hin, in die Palais der Aristokratie - Geld hat er ja genug als kaiserlicher Heereslieferant, aber der soziale Aufstieg in die höchsten Wiener Kreise fehlt. Nur dazu verheiratet er schließlich seine Tochter Sophie an den dekadenten Ochs auf Lerchenau. Nun muss eine Inszenierung das Libretto nicht unbedingt beim Wort nehmen, wenn die Idee stimmt - aber der Abgesang auf eine Epoche (die für Strauss und Hofmannsthal 1911 die eigene war) macht nur Sinn, wenn diese Epoche verklärt, zumindest positiv besetzt ist. Herzog karikiert aber bereits im ersten Akt diese Märchen-Kaiserwelt mit schrillen Farben - etwa einem italienischen Sänger (musikalisch beeindruckend: Lucian Krasznec) in grellem Pink. Nein, der Untergang dieser Rokoko-Parodie löst keine Wehmut aus. Nicht einmal besonderes Interesse daran.

Szenenfoto

Ziemlich handfestes Wetteifern um die Gunst der vermeintlichen Kammerzofe "Mariandl", in Wirklichkeit Octavian (Mitte): Ochs und die Marschallin

Im dritten Aufzug bleibt nur noch eine Ruine, selbst die Faninal'sche Eigentumswohnung scheint Vergangenheit. Ein Endzeit-Szenario. (Das aber wird durch die ziemlich böse Schlusspointe wieder aufgehoben - wozu also?) Der Rosenkavalier hat ja einige Untiefen, sobald er komödiantisch wird, und darüber will Herzog so schnell wie möglich weginszenieren. Aus dem "Beisl", dem Wiener Vorstadtgasthof, wird ein makabres Stundenzimmer in Ruinenlandschaft, und der als Kammerzofe "Mariandl" verkleidete Octavian agiert mit Peitsche wie eine Domina, woran der angebliche Verführer Ochs durchaus Gefallen findet. Das ist so gruselig, dass es den im Libretto vorgesehenen (und, zugegeben, immer etwas peinlichen) Spuk ersetzt. Eine diskutable Idee, stünde sie nicht so beziehungslos im Raum. Letztendlich scheint da auch der Regisseur nicht mehr weiter gewusst zu haben, lässt als letzte Notlösung den Vorhang fallen und fast die gesamte Schluss-Szene quasikonzertant an der Rampe spielen. Dank der recht genauen Personenregie funktioniert das sogar einigermaßen. Ein wirklich gelungenes Regiekonzept hätte freilich andere Lösungen gefunden.

Szenenfoto

Überreichung der silbernen Rose: Octavian (links) und Sophie

Immerhin gibt es zwei bildhübsche Frauen auf der Bühne - angesichts der erotisch aufgeladenen Inszenierung nicht unwesentlich. Emily Newton ist eine junge, sehr attraktive Marschallin (sie gestaltet die Partie alternierend mit der Wagner-erprobten Christiane Kohl, die eigentlich in der Premiere singen sollte, aber kurzfristig erkrankt war). Der hellen, recht leichten Stimme fehlt es an Fülle und damit an aristokratischer Aura für die Partie, aber Emiliy Newton gestaltet die Rolle szenisch wie musikalisch sehr nuanciert und zeigt Sinn für die Strauss'schen Zwischentöne und auch für den Text. Bei der ebenfalls sehr attraktiven Ashley Thouret in der Rolle der Sophie ist die leichte Stimme angemessen (beide Frauen sind sich im Timbre aber letztendlich zu ähnlich), und sie singt das auch akkurat aus. Bei den Spitzentönen wäre ein etwas schwebenderer, entrückterer Klang schön. Während Kostümbildnerin Sibylle Gädecke diese beiden Frauen effektvoll und mit viel Sexappeal in Szene setzt, ist der Octavian von Ileana Mateescu ein wenig die traurige Gestalt des Abends und mit ziemlich scheußlichen Kostümen bedacht - in der Verkleidung als Kammerzofe sowieso, denn da setzt die Regie ganz auf derbe Karikatur, aber auch als junger Mann wird die Sängerin nicht sehr geschickt eingekleidet - das wirkt doch im Bemühen um maskulines Auftreten ziemlich unfertig. Musikalisch bemüht sich die Sängerin um ein abgedunkeltes Timbre, das mitunter recht gekünstelt wirkt, und insgesamt klingt die Stimme recht angestrengt. Andererseits ist es ureigenste Aufgabe eines Stadttheaters wie Dortmund, junge Sängerpersönlichkeiten wie hier Ileana Mateescu in solche anspruchsvollen Partien hineinwachsen zu lassen - und gut möglich, dass sie mit ein paar Aufführungen die noch fehlende Souveränität gewinnt. Das Premierenpublikum jedenfalls, das zeigte der intensive Beifall, war auf ihrer Seite.

Szenenfoto

Alles nur eine wienerische Maskerade: Die Marschallin (links), Ochs (Mitte) und Octavian

Karl-Heinz Lehner (als alternierende Besetzung ebenfalls kurzfristig eingesprungen, in diesem Fall für Christian Sist) gibt einen eleganten Ochs weitab Wiener Betulichkeit - ein taktierender Machtmensch im feinen Anzug ohne Volkstümlichkeit, mit schlanker Stimme tadellos gesungen. Die Regie kennt keine Gnade mit ihm, am Ende ist er womöglich sogar physisch vernichtet (weshalb eigentlich?). Eindrucksvoll stimmgewaltig gestaltet Sangmin Lee einen ebenfalls kühl kalkulierenden Faninal. Stephanie Weiss ist eine sehr präsente Leitmetzerin, und Maria Hiefinger als Annina und Fritz Steinbacher ein auch stimmlich sehr agiles Intrigantenpaar - wie überhaupt die Nebenrollen erfreulich gut besetzt sind. Auch der Chor (üppig ausstaffiert, aber inszeniert wie ein lästiges Übel) singt überzeugend. Die Dortmunder Philharmoniker spielen ordentlich, und unter der Leitung von Chefdirigent Gabriel Feltz gibt es viele schöne Momente, vor allem in den geschlossenen "großen" Szenen wie dem Monolog der Marschallin im ersten Akt oder dem (recht flott genommenen) Schlussterzett. Nicht ganz so überzeugend gelingen die Übergänge. Immerhin: Feltz dirigiert sängerfreundlich, ohne dem Orchesterpart das Gewicht zu nehmen - und ermöglicht fast durchweg gute Textverständlichkeit.

FAZIT

Musikalisch ist das ein recht ordentlicher Rosenkavalier, der szenisch durchaus vielversprechend beginnt, sich aber immer mehr verzettelt und ziemlich konzeptionslos endet.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Gabriel Feltz

Inszenierung
Jens-Daniel Herzog

Bühne
Mathis Neidhardt

Kostüme
Sibylle Gädeke

Choreinstudierung
Granville Walker

Dramaturgie
Hans-Peter Frings
Georg Holzer


Statisterie des Theater Dortmund

Kinderchor der Chorakademie Dortmund

Opernchor des Theater Dortmund

Die Dortmunder Philharmoniker


Solisten

* Besetzung der Premiere

Die Feldmarschallin
* Emily Newton /
Christiane Kohl

Baron Ochs auf Lerchenau
* Karl-Heinz Lehner /
Christian Sist

Octavian
Ileana Mateescu

Herr von Faninal
Sangmin Lee

Sophie
Ashley Thouret

Jungfer Marianne Leitmetzerin
* Stephanie Weiß /
Emily Newton

Valzacchi
Fritz Steinbacher

Annina
Maria Hiefinger

Ein Polizeikommissar
Carl Kaiser

Ein Sänger
Lucian Krasznec

Der Haushofmeister der Feldmarschallin
Blazej Grek

Der Haushofmeister bei Faninal
Darius Scheliga

Ein Notar
Carl Kaiser

Ein Wirt
Blazej Grek

Drei adelige Waisen
Hasti Molavian
Engjellushe Duka
Elena Petrushevska

Eine Modistin
Jutta Nigge

Ein Tierhändler
Savo Pugel

Vier Lakaien der Marschallin
Thomas Günzler
Henry-Ryall Lankester
Min Lee
Ian Sidden

Vier Kellner
Mario Ahlborn
Hiroyuki Inoue
Marvin Zobel
Darius Scheliga

Die Lerchenau'schen
Hans Werner Bramer
Geronti Cernisev
David Cheong
Thomas Günzler
Hiroyuki Inoue
Ian Sidden

Hausknecht
Johannes Knecht

Kutscher/Musikanten
Hans Werner Bramer
Geronti Cernisev
David Cheong
Thomas Günzler
Ian Sidden
Edward Steele


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Informationen

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Theater Dortmund
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