Umjubelter Einstand im bisher gemiedenen Genre

Kultur / 27.01.2015 • 19:33 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Sopranistin Diana Damrau begeisterte in der Titelrolle von „Lucia di Lammermoor“.  Foto: Staatsoper/Hösl  
Sopranistin Diana Damrau begeisterte in der Titelrolle von „Lucia di Lammermoor“. Foto: Staatsoper/Hösl  

Die Premiere von „Lucia die Lammermoor“ wurde für Diana Damrau und Kirill Petrenko zum Triumph.

München. Es beginnt mit einem Trauerzug, am Ende läutet wieder die Totenglocke, dazwischen aber strahlt die Musik aus dem Orchestergraben und von der Bühne pure Freude aus. Zweieinhalb Stunden Belcanto vom Feinsten liefert die Neuinszenierung von Gaetano Donizettis „Lucia di Lammermoor“ an der Bayerischen Staatsoper. Das liegt an einer glänzend aufgelegten Sängerriege, allen voran Diana Damrau in der Titelpartie. Und es liegt an Generalmusikdirektor Kirill Petrenko. Der Wahl-Vorarlberger bewies bei der Premiere am Montagabend an der Bayerischen Staatsoper, dass er nicht nur Richard Strauss und Wagner drauf hat, sondern auch Belcanto meisterlich kann.

Das in allen drei Akten kaum veränderte Bühnenbild zeigt ein Schloss, das schon bessere Zeiten gesehen hat. Lucia soll den einflussreichen Lord Arturo Bucklaw heiraten, um wieder an
Einfluss zu gewinnen, ihr Bruder Enrico und sein Clan wollen es so. Doch sie liebt dessen ärgsten Feind Edgardo, beide Familien sind verfeindet. Durch eine Intrige Enricos wird Edgardo der Untreue bezichtigt. Am Ende sind beide Männer tot, und auch Lucia stirbt, in ihrem Leid wahnsinnig geworden.

Gegen das Patriarchat

Die polnische Regisseurin Barbara Wysocka verlegt die Handlung vom Schottland des endenden 16. Jahrhunderts in die USA der 1960er- Jahre. Aus dem Machtkampf zweier verfeindeter Adelsgeschlechter wird ein gesellschaftspolitisches Drama um das Aufbegehren einer Frau in einem noch immer patriarchalisch geprägten 20. Jahrhundert. Edgardo – ganz James Dean – fährt mit dem Straßenkreuzer vor, lässig in T-Shirt und Fliegerjacke. Lucia ist mal Grace Kelly, mal Jackie Kennedy, immer eben die angeheiratete Frau einflussreicher Familien. Sie darf in der Deutung der jungen Regisseurin zwar eine starke Frau sein, letztlich wird aber auch sie Opfer skrupelloser Machtpolitik. Diana Damrau, die das Vorarlberger Publikum bestens durch die Schubertiade kennt, glänzt in der Titelpartie. Ihre Koloraturen, pianissimo angesetzt und ins Forte gesteigert, klingen perfekt. Sowohl im Liebesduett mit Edgardo als auch in der Wahnsinnsarie zeigt die Sopranistin, dass sie derzeit weltweit zu den Besten im italienischen Belcanto gehört. Sie spielt ihren Wahnsinn indes nicht im streng pathologischen Sinn, sondern wird in ihrer Verzweiflung über die Ausweglosigkeit ihrer Lage einfach verrückt.

Mit sichtbarer Freude

Kirill Petrenko kostet mit sichtbarer Freude am Genre des Belcanto jedes Detail der Partitur aus und führt Chor (Einstudierung: Stellario Fagone) und vor allem die Solisten auf der Bühne mit einer Intensität, die ihresgleichen sucht, durch ihre Partien. Als Sascha Reckert die äußerst selten zu hörende Glasharmonika spielt, recken die Zuschauer die Hälse, um im Orchestergraben einen Blick auf das Instrument zu erhaschen. Am Ende Ovationen für Diana Damrau, stürmischer Applaus für Kirill Petrenko und nur wenige Buhrufe für die Regisseurin.

Für Petrenko ist es die erste Auseinandersetzung mit einem Bühnenwerk des Belcanto.
Für Petrenko ist es die erste Auseinandersetzung mit einem Bühnenwerk des Belcanto.

Nächste Aufführung von „Lucia di Lammermoor“ in München am 29. Jänner, 19 Uhr, und zahlreiche weitere: www.staatsoper.de