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Bühne und Konzert Donizetti in München

Hier wird eine Frau in den Irrsinn geschmettert

Vorsicht, diese Frau ist bewaffnet und irre: Diana Damrau als Lucia in Donizettis Wahnsinnsoper Vorsicht, diese Frau ist bewaffnet und irre: Diana Damrau als Lucia in Donizettis Wahnsinnsoper
Vorsicht, diese Frau ist bewaffnet und irre: Diana Damrau als Lucia in Donizettis Wahnsinnsoper
Quelle: Wilfried Hösl/Bayerisches Staatsooper
Humtata statt Italianità: Gaetano Donizettis „Lucia di Lammermoor“ war in München das Belcanto-Debüt des Dirigenten Kirill Petrenko. Überzeugend an der Premiere war nur Diana Damrau in der Titelrolle.

Es ist kein Geheimnis, dass Nikolaus Bachler ein besonderes Faible für das Italienische hat. Und weil München gerne als „nördlichste Stadt Italiens“ bezeichnet wird, möchte der Intendant der Bayerischen Staatsoper ein besonderes Augenmerk auf die italienische Oper legen – neben den drei traditionellen Hausgöttern Mozart, Wagner, Richard Strauss. Doch da gibt es ein Problem: Eine besonders glückliche Hand hat man am Münchner Nationaltheater für das Italienische nicht.

Jedenfalls lassen die musikalischen Leitungen auf diesem Gebiet allzu oft zu wünschen übrig. Umso mehr wurde nun mit Spannung erwartet, wie sich Kirill Petrenko auf diesem Gebiet schlägt. Für den Generalmusikdirektor der Staatsoper war die jetzige Premiere von Gaetano Donizettis „Lucia di Lammermoor“ zugleich das Debüt im Belcanto-Fach. Leider enttäuschte das Ergebnis insgesamt, bisweilen irritierte auch Petrenkos Leitung.

Einer Durchsichtigkeit des Orchestersatzes und präzisen Ausschattierung der Farben lauschte man bis zum dritten Akt vergeblich, obwohl sonst gerade hier die besonderen Stärken Petrenkos liegen. Über weite Strecken blieb das Spiel des Bayerischen Staatsorchesters viel zu laut und präsent, vor allem aber zu ungelenk in der Artikulation. Ganze Aufmärsche wurden aus dem Graben geschmettert, und oftmals beschränkte sich die Italianità auf eine Aneinanderreihung von Humtata-Klischees.

Die Schrift an der Wand sagt alles: Es ist was faul in der Ehe von Enrico (Dalibor Jenis) und Lucia Ashton (Diana Damrau)
Die Schrift an der Wand sagt alles: Es ist was faul in der Ehe von Enrico (Dalibor Jenis) und Lucia Ashton (Diana Damrau)
Quelle: © Wilfried Hösl/Bayerisches Staatsooper

Von dem farbenreichen Charme oder gar subtilen Humor in Donizettis Partitur war wenig zu erkennen. Dabei macht gerade dies den besonderen Reiz der Musik aus – zumal im Vergleich zur abgründigen Handlung, die auf Walter Scott zurückgeht. Die schöne Lucia (Diana Damrau) gerät zwischen zwei Männer, nämlich ihren Bruder Enrico (Dalibor Jenis statt des erkrankten Fabio Maria Capitanucci) und ihren Geliebten Edgardo (Pavol Breslik).

Weil sich Enrico politische Vorteile erhofft, zwingt er Lucia zur Heirat mit Lord Arturo Bucklaw (Emanuele D’Aguanno). Lucia tötet Arturo, verfällt dem Wahnsinn und stirbt; am Ende bringt sich Edgardo um. Statt sich am Blutrausch zu ergötzen, schafft Donizetti fragil-luzide, allenfalls schattenhaft gebrochene, überwiegend jedoch lichte Kontraste. So viel klingende Helligkeit in düsterem Kontext kann nördlich der Alpen verstören, ist aber eine Eigenart des kulturellen Erbes Italiens.

Hohle Effekte sind die Sache Donizettis nicht. Nur mit schlanker Eleganz und klar artikulierter Beweglichkeit lässt sich ein musikalischer Sieg erringen. Petrenko aber wählte schon die Tempi irritierend behäbig und altbacken. Wie schon bei seiner Münchner Mozart-Premiere in der vergangenen Spielzeit hatte man den Eindruck, dass Petrenko verstaubte Konvention erfüllen wollte. Von einem jungen, aufregenden Dirigenten aber darf man schonungsloses Befragen von Hörklischees erwarten. Erst im finalen dritten Akt blühte das Können Petrenkos auf, wobei die Wahnsinnsszene der Lucia ein Höhepunkt wurde – wenngleich Petrenko auch hier auf Altbewährtes setzte.

Falsches Instrument, echte Gefühle

Denn wie schon in der Münchner „Lucia“-Produktion von 1991 erklang statt der originalen Glasharmonika ein Verrophon von Sascha Reckert, der das Instrument auch jetzt wieder selber spielte. Zwar ist dieses Instrument der Glasharmonika verwandt, entwickelt aber eine stärkere Dynamik, um sich im modernen Orchester besser behaupten zu können. Den instabilen Klang des Verrückten aber, den Donizetti im Ohr hatte, vermittelt die Glasharmonika eindrücklicher als das kraftvollere Verrophon.

Dennoch verschmolzen unter der Leitung Petrenkos Streicher, Holzbläser und Verrophon einerseits sowie der Gesang von Damrau andererseits zu einem in sich geschlossenen Klangkörper. Einnehmend war das und berührte zutiefst. Generell konnte Damrau jetzt mehr überzeugen als auf dem Live-Mitschnitt von 2013, der aktuell als Doppel-CD beim Label Erato vorliegt. Mit feinen Differenzierungen in Ausdruck und Dynamik setzte Damrau die Verzierungen und Koloraturen.

Gleichwohl stellt sich die Frage, ob das eher dunkle Timbre der Damrau zum Belcanto von Donizetti und seiner Zeit passt. Hier kam Pavol Breslik als Edgardo mit seinem hellen, strahlenden Tenor zu stilsicheren Lösungen. In München kam das alles beim Opernpublikum gut an. Die überwältigende Bühnenpräsenz der Damrau rettete – ebenso wie Breslik – die recht einfältige, ideenlose Inszenierung von Barbara Wysocka.

Termine: 29. Januar; 1., 5., 8., 11. Februar

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