Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Zur Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Berenike, Königin von Armenien
(Il Vologeso)

Dramma per musica in drei Akten
Libretto nach Lucio Vero von Apostolo Zeno
Musik von Niccolò Jommelli

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Dauer: ca. 3h 30' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus am 15. Februar 2015

 

 



(Homepage)

Verspäteter Jubiläumsgruß

Von Thomas Molke / Fotos: A. T. Schaefer

Obwohl (oder weil?) Niccolò Jommelli im gleichen Jahr wie Christoph Willibald Gluck geboren ist und sich sein Geburtstag 2014 zum 300. Mal jährte, wurde diesem bedeutenden Repräsentanten der Neapolitanischen Schule im Jubiläumsjahr auf den deutschen Bühnen nicht allzu viel Aufmerksamkeit geschenkt. Das Festival Winter in Schwetzingen stellte seine Oper Fetonte, das letzte Werk, das er als Hofkapellmeister am württembergischen Hof komponierte, auf den Spielplan, und Jossi Wieler, Intendant der Oper Stuttgart hat gemeinsam mit Sergio Morabito zumindest in der Spielzeit, in der sich der Geburtstag Jommellis zum 300. Mal jährt, ein Werk ausgegraben, das 1766 im Herzoglichen Theater in Ludwigsburg seine Uraufführung erlebte und im Gegensatz zu den anderen Opern Jommellis aus seiner Zeit am württembergischen Hof hier nur ein einziges Mal aufgeführt worden ist. Grund dafür war aber nicht der mangelnde Erfolg, sondern die Tatsache, dass der kunstliebende Herzog Carl Eugen von der musikalischen Ausgestaltung so ergriffen gewesen sein und geäußert haben soll, dass er eine weitere Aufführung nicht überleben werde. So gab es von diesem Werk nach Jommellis Zeit in Stuttgart 1769 nur noch eine weitere szenische Produktion in Portugal, bevor es dann in einen tiefen Dornröschenschlaf fiel, aus dem es erst Frieder Bernius 1998 mit einer konzertanten Aufführung und einer anschließenden CD-Einspielung erweckte. Warum die Oper Stuttgart das Dramma per musica nicht unter seinem eigentlichen Titel Il Vologeso spielt und den Namen der armenischen Königin Berenike auch noch eindeutscht, wird weder im Programmheft noch im Einführungsvortrag nachvollziehbar erläutert.

Bild zum Vergrößern

Lucio Vero (Sebastian Kohlhepp) zwischen seiner Verlobten Lucilla (Helene Schneiderman, rechts) und der armenischen Königin Berenice (Ana Durlovski, links)

Die Handlung geht zurück auf das Libretto Lucio Vero von Apostolo Zeno, das im 18. Jahrhundert über 80 Mal vertont wurde, und spielt zur Zeit des römischen Kaisers Marc Aurel im zweiten Jahrhundert nach Christus in Ephesus. Lucio Vero (Lucius Verus), Mitregent des Kaisers Marc Aurel, hat im Feldzug gegen die Parther deren König Vologeso besiegt und sich in dessen Verlobte Berenice, die Königin von Armenien, verliebt. Doch diese steht treu zu ihrem Geliebten Vologeso und ist selbst unter dem Versprechen, dass Vologeso die Freiheit und das Partherreich gewährt werde, nicht bereit, sich auf eine Ehe mit Lucio Vero einzulassen. Hinzu kommt, dass Lucio Veros Verlobte Lucilla, die Tochter des Kaisers Marc Aurel, nach Ephesus reist und gemeinsam mit dem Gesandten Flavio ihre Ansprüche auf Lucio Vero geltend macht. Schließlich ist die Ehe mit Marc Aurels Tochter die Bedingung für seinen Herrschaftsanspruch. Aniceto, Lucio Veros Vertrauter, der heimlich in Lucilla verliebt ist, setzt alles daran, dass Lucio Vero Lucilla zugunsten Berenices aufgibt, und redet Lucio Vero ein, dass das Heer hinter ihm stehe und Marc Aurel folglich nichts gegen seine Macht unternehmen könne. Doch Flavio bringt das Heer auf seine Seite und befreit Vologeso, so dass es zum Putsch gegen Lucio Vero kommt. Lucilla verhindert, dass Lucio Vero getötet wird und bittet ihn erneut, sie zu heiraten. Schließlich willigt Lucio Vero ein und gibt Berenice und Vologeso frei.

Bild zum Vergrößern

Berenice (Ana Durlovski) liebt den Partherkönig Vologeso (Sophie Marilley).

Das Regie-Team um Jossi Wieler und Sergio Morabito siedelt die Geschichte nicht im zweiten Jahrhundert nach Christus an, sondern bezieht unterschiedliche Zeitebenen ein, die sich im Bühnenbild und den Kostümen von Anna Viebrock widerspiegeln. Inspiriert von dem Gemälde "Die Fußwaschung" von Tintoretto hat Viebrock einen beeindruckenden Raum geschaffen, der mit antik anmutenden Säulen und einer riesigen Treppe, die in den Orchestergraben hinabführt, durchaus an eine längst vergangene Zeit erinnert. Dahinter befinden sich auf einer großen Fotoleinwand vom Krieg beschädigte Häuser aus unterschiedlichen Epochen, die bis in die Gegenwart reichen. Aus dieser Gegenwart strömen die Figuren zu Beginn der Ouvertüre auf die Bühne und greifen zu den Kostümen, mit denen sie gewissermaßen wie Schauspieler im Theater in die einzelnen Rollen schlüpfen. Welche Funktion dem Tintoretto-Gemälde dabei zukommen soll, erschließt sich nicht. So bleibt auch in der Personenregie unklar, wieso Berenice im zweiten Teil, wenn Lucio Vero immer noch krampfhaft versucht, sie zu erobern, verträumt durch die Fragmente des Bildes wandelt.

Bild zum Vergrößern

Aniceto (Igor Durlovski, hinten) versucht aus Eigeninteresse, Lucio Vero (Sebastian Kohlhepp, vorne) zu überreden, sich gegen Lucilla und für Berenice zu entscheiden.

Ansonsten besticht die Inszenierung durch eine pointierte Personenführung, die sich vor allem in der Umsetzung der einzelnen Arien äußert. Wie Wieler und Morabito dabei die Solisten mit den während der Arie stummen Figuren in Aktion treten lassen, überzeugt auf ganzer Linie und ruft bisweilen auch komische Momente hervor. So bleibt es durchaus offen, ob Aniceto wirklich vergeblich auf Lucilla hoffen muss. Wenn Lucilla im dritten Akt in ihrer Arie "Amor non sa che sia" davon singt, dass sie Lucio Vero nicht vergessen kann, nähert sie sich dabei Aniceto immer mehr, bis die beiden sich am Ende leidenschaftlich küssen, und auch beim lieto fine scheint Lucilla es mit der Treue gegenüber ihrem wiedergewonnen Verlobten nicht ganz so genau zu nehmen. Auch Vologesos Kampf mit dem wilden Löwen in der Arena wird vom Regie-Team mit einem Augenzwinkern umgesetzt. Die Arena befindet sich im Parkett und Vologeso kämpft sich durch die Reihen, während man aus dem Lautsprecher im Zuschauersaal das Brüllen eines Löwen vernimmt. Berenice und Lucio Vero steigen dann durch den Orchestergraben ebenfalls in die Arena herab, wo Vologeso dann mit dem zur Verfügung gestellten Schwert den imaginären Löwen im Parkett zur Strecke bringt. In der eindringlichen Schatten-Szene im dritten Akt trägt Berenice einen weißen Schleier vor dem Gesicht, der ihren Blick im wahrsten Sinne des Wortes vernebelt. Das schwarze Tuch, unter dem sie zunächst das Haupt ihres Geliebten vermutet und das aber nur ihre Herrschaftsinsignien verhüllt, befindet sich in dem antik anmutenden Podest, das zuvor als Tisch oder auch Springbrunnen fungierte und nun wie eine Grabkammer unheilvoll geöffnet wird. Dass Berenice kurz vor der Enthüllung zu einem Giftfläschchen greift, wird von der Regie allerdings nicht konsequent zu Ende geführt. Schließlich bleibt der Schluck, den sie aus der Flasche nimmt, ohne Wirkung. Stattdessen legen beim lieto fine die Figuren wieder ihre Kostüme ab und kehren zurück in die Gegenwart, aus der sie in die Geschichte gekommen sind.

Bild zum Vergrößern

Vologeso (Sophie Marilley) inmitten der Fragmente des Tintoretto-Gemäldes "Die Fußwaschung"

Musikalisch bewegt sich die Aufführung auf sehr hohem Niveau. Ein überzeugendes Debüt als neues Ensemble-Mitglied gibt in der Partie des Lucio Vero Sebastian Kohlhepp, der zuvor an der Wiener Staatsoper verpflichtet war. Mit höhensicherem und in den Koloraturen absolut beweglichen Tenor begeistert er als römischer Herrscher auf ganzer Linie. Einen Höhepunkt stellt sicherlich seine große Arie im dritten Akt "Uscir vorrei d'affano" dar, in der er Lucilla sein Leid über seine unerfüllte Liebe zu Berenice klagt, die wie ein Sturm in seinem Herzen wütet. Als Gast begeistert Igor Durlovski als Aniceto, der in der Partie zwischen Altus und Bass changiert. Als Vertrauter des Lucio Vero singt er mit dunkel gefärbter Kopfstimme, während er immer dann, wenn er seine Gefühle für Lucilla bekennt, in einen markigen Bass wechselt. Die anderen Rollen sind mit Ensemble-Mitgliedern hochkarätig besetzt. Sophie Marilley stattet den Partherkönig Vologeso, die eigentliche Titelfigur des Stückes, mit dunklem Mezzo aus, der für die Hosenrolle absolut angemessen ist. Ana Durlovski legt die Königin Berenice mit einem dunkel gefärbten Sopran an und überzeugt durch intensives Spiel. Kammersängerin Helene Schneiderman besticht als Lucilla mit warmem Mezzo und enormer Bühnenpräsenz. Catriona Smith gefällt als Flavio mit weichem Sopran. Gabriele Ferro lotet mit dem Staatsorchester Stuttgart Jommellis vielschichtige Partitur differenziert aus, so dass es am Ende frenetischen Beifall für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Die Oper Stuttgart hat einen guten Beweis dafür geliefert, dass Jommellis Opern zu Unrecht in den Archiven schlummern und durchaus die Berechtigung hätten, für die Bühne wiederentdeckt zu werden.



Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Gabriele Ferro

Regie und Dramaturgie
Jossi Wieler
Sergio Morabito

Bühne und Kostüme
Anna Viebrock

Licht
Reinhard Traub

Dramaturgie
Ann-Christine Mecke

 

Staatsorchester Stuttgart

Continuo
Michael Groß (Violoncello)
Alan Hamilton (Hammerklavier)


Solisten

*Premierenbesetzung

Lucio Vero, Mitregent des Kaisers Marco Aurelio
Sebastian Kohlhepp

Vologeso, König der Parther
*
Sophie Marilley /
Maria Theresa Ullrich

Berenice, Königin von Armenien
Ana Durlovski

Lucilla, Tochter des Kaisers Marco Aurelio
Helene Schneiderman

Flavio, Gesandter des Marco Aurelio
Catriona Smith

Aniceto, Vertrauter des Lucio Vero
Igor Durlovski

Kaiserliche Diener
Thembinkosi Mgetyengana
Thomas Elwin

 


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Staatstheater Stuttgart
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Zur Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum

© 2015 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -