Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Arabella

Lyrische Komödie in drei Aufzügen
Libretto von Hugo von Hofmannsthal
Musik von Richard Strauss

in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h' (eine Pause)

Premiere der Neuproduktion in der Oper am Dom am 25. April 2015
Besuchte Aufführung: 8. Mai 2015


Logo: Oper Köln

Oper Köln
(Homepage)

Geheimnisse eines Mädchenherzens am Vorabend des Ersten Weltkriegs

Von Thomas Tillmann / Fotos von Bernd Uhlig


Es steht nicht zum Besten mit den Waldners, es steht nicht zum Besten mit der k. u. k. Monarchie, ein riesiger, von der Decke gefallener (Plastik-)Lüster bestimmt die linke Hälfte der Szene, einzelne Steine findet man über die gesamte Bühne verteilt, die Wände des Hotels, in dem dem Grafen nur noch gegen Barzahlung serviert wird, hängen in der Luft samt dem zerfetzten habsburg-lothringischen Adler und einiger auf dem Kopf stehender Stühle, eine Glas- oder Eisfläche bildet die Rückwand (eine Illustration des Herzens der wählerischen Arabella?) - dies alles wirkte freilich nur wenige Sekunden imposant, aus der zweiten Parkettreihe sah die Bühne von André Barbe vor allem sehr zugestellt aus, daran änderte auch das ziemlich plakativ und konventionell eingesetzte Licht von Guy Simard nichts (vor Mandrykas Auftritt etwa wird es dunkel, wenn Arabella von ihm spricht, später steht er gern isoliert im Licht des Verfolgers, wenn er Bedeutendes zu singen hat). Häßlich fand ich in der Mehrzahl auch die an die Zeichnungen von Beardsley erinnernden Kostüme desselben Ausstatters, die vornehmlich in Schwarz und schmutzigem Weiß gehalten und mit Jugendstilornamenten verziert waren, eine Ausnahme war vielleicht Arabellas Cape, aber ihre Pelze im ersten und das Ballkleid im zweiten sahen sehr billig aus, pardon, und die schmutzig blonden Perücken und das bleich geschminkte Gesicht waren nicht besonders vorteilhaft für die Protagonistin (letzteres gilt für die Mehrheit der Mitwirkenden).


Szenenfoto

Arabella (Emma Bell) weiß, dass sie sich bald entscheiden muss, wem sie ihr Herz schenkt.

Ich bin immer skeptisch, wenn sich in Inszenierungen Ideen verselbständigen, die als Fußnote, als eine Zutat unter vielen vielleicht ihre Berechtigung hätten, stattdessen aber so stark in der Vordergrund treten und mit solcher Beharrlichkeit durchgezogen werden, dass sie von der eigentlichen Handlung ablenken, von der Konzentration auf die Hauptfiguren und das, was sie erleben. Natürlich muss man nicht verschweigen, wann Arabella geschrieben wurde, dass der Erste Weltkrieg noch nicht ewig vorbei war und der Zweite sich ankündigte, aber die Penetranz, mit der Renaud Doucet hier das Kriegsgeschehen der Handlung aufpfropfte, wurde im Laufe des Abends mehr und mehr ärgerlich, langweilig und vorhersehbar. Im zweiten Akt führt eine Treppe vom Ballsaal direkt auf ein veritables Schlachtfeld mit Schützengräben, herum liegenden Gliedmaßen und Köpfen, die Spielfläche wird durch Sandsäcke noch weiter verkleinert, auf die zum Souper flugs ein edles Tischtuch gebreitet wird, Champagnerkübel und Kristallschalen treffen auf Feldküche und Blechtassen, immer wieder laufen mehr oder weniger verwundete, zum Teil auch gräßlich entstellte Soldaten, Krankenschwestern und Zivilisten durchs Bild, auch die drei Grafen kommen im Rollstuhl, mit verbundenen Augen und heraushängenden Organen (von der Maske nicht wirklich überzeugend gelöst) zum Ball und sterben im dritten Aufzug in Lazarettbetten, bevor Arabella und Mandryka sich versöhnen. Der Tiefpunkt ist erreicht, wenn nach Mandrykas "So bist du mein und ich bin dein für ewige Zeit!" mit lautem Donnern Mohnblumen auf das Schlachtfeld knallen und dort stehen bleiben - große Teile des Publikums lachen anstatt zu realisieren, dass es die gleichen Mohnblüten sind, die die Kartenaufschlägerin als einzigen Farbtupfer bei den sonst schwarz-weißen Kostümen auf ihrem Kleid trug und die im englischsprachigen Raum als Symbol für das Gedenken an gefallene Soldaten gelten, was darauf zurückgeht, dass im Ersten Weltkrieg auf den frisch aufgeschütteten Hügeln der Soldatengräber als erstes der Klatschmohn zu blühen begonnen haben soll. Übrigens ist es auch verdächtig, wenn eine Nebenfigur wie die Wahrsagerin derart aufgewertet wird, wenn diese wie eine Art Todesbotin oder Schicksalsgöttin permanent durchs Bild schleicht, an den Aktschlüssen demonstrativ dem Publikum die Karten entgegenhält, den am Ende verstorbenen Grafen die Augen schließt und ihren Abtransport organisiert. Mir war nicht klar, ob dahinter wirklich ein Konzept stand oder ob man nicht doch nur Alexandra von der Weth einen Gefallen tun wollte, die nach langer Zeit einmal wieder auf einer Opernbühne stand und die man dann nicht nach ein paar Phrasen wieder nach Hause schicken wollte. Vokal bestätigte sich leider, was man bereits geahnt und gehört hatte: Man erinnerte sich bei einigen Tönen daran, was für eine Ausnahmestimme die Sopranistin vor zwanzig Jahren hatte, man fragte sich, was für eine wunderbare Zdenka und später Arabella sie selber hätte sein können, wenn sie mit dem Material vorsichtiger umgegangen wäre und nicht zu früh zu schwere Rollen gesungen hätte - ein Drama.

Ich wurde das Gefühl nicht los, dass Doucet und Barbe dem Stück letztlich misstraut haben, dass sie mehr aus der Lyrischen Kömodie machen wollten, als sie sein will. Und da passt dann auch das Happy end für das Paar nicht recht - konsequent wäre es bei diesem Ansatz gewesen, wenn Arabella und Mandryka, die die Bühne in Richtung Schlachtfeld verlassen, von einer Gewehrsalve oder eine Granate getroffen würden; das aber traut sich das Regieteam nicht.


Szenenfoto

Auf dem Fiakerball kommt es zur ersten Begegnung zwischen Arabella (Emma Bell) und Mandryka (Egils Silins).

Große Sorgfalt hatte man sich indes mit der Besetzung gegeben: Emma Bell, deren Einspielungen von Händel-Arien und Liedern von Strauss und Marx mir bereits gut gefallen hatten, war eine Idealbesetzung der Titelfigur, wenn man ein bisschen Geduld mitbrachte und wenn man nicht permanent Vergleiche zu der Maßstäbe setzenden Interpretation von Lisa Della Casa anstellte (nur um Missverständnissen vorzubeugen, der Rezensent liebt die Schweizerin, was aber nicht bedeutet, dass es keinen Platz für andere gäbe, und vor der Della Casa waren es nicht selten auch dramatische Soprane, die die Rolle geprägt haben, man denke an Maria Reining oder Christel Goltz). Die Stimme der Britin ist nicht mehr die eines jungen Mädchens, sie hat besonders in der üppigen Mittellage eine durchaus reife Färbung, bei manchem Ton besonders im ersten Aufzug war das Vibrato auch recht ausladend, aber was die Künstlerin aus dem Text machte, was sich in ihrem Gesicht abspielte, wie vollkommen natürlich sie die Titelfigur verkörperte, das war große Kunst, und dann kamen sie auch, die großen, runden, dunkel leuchtenden Spitzentöne, die wunderbar ausgespannten Phrasen, die Innigkeit des Ausdrucks, die einen das überflüssige Bühnengeschehen immer wieder für Momente vergessen ließen. Nicht zuletzt hörte man endlich auch einmal wieder einen deutlichen Unterschied zwischen den Stimmen der beiden Schwestern, eine leichte Zdenka und eine durchaus gewichtige Arabella, wie es sein soll, nicht zwei ähnliche Soprane, die letztlich auch die Partien tauschen könnten.


Szenenfoto

Arabella (Emma Bell) verabschiedet sich von Graf Dominik (Wolfgang Stefan Schwaiger) - er kann der Richtige nicht sein.

Auch Egils Silins war als Mandryka weder optisch noch vokal ein ungestümer Jungspund, sondern ein bereits ein wenig in die Jahre gekommener, eher überlegt und routiniert singender Verehrer, der aber nichtsdestotrotz weder in der imposanten Höhe noch in der Tiefe in Verlegenheit kam, der mir aber ein wenig zu distinguiert, zu distanziert, zu glatt, zu wenig direkt auftrat und gestaltete, das macht ja sonst eigentlich den Charme der Figur aus, dass er sich durch seine Bodenständigkeit vom Wiener Adel abhebt - dieser Mandryka hatte entgegen seiner Behauptung vermutlich keinen Körperkontakt mit einer Bärin, nicht seine Rippen werden von ihr zerquetscht, sondern die eines seiner zahllosen Angestellten. Bjarni Thor Kristinsson legte den Waldner als einen direkten Verwandten des Baron Ochs an, das kann man tun und das ging in dieser Produktion durchaus auf, und mit seinen kraftvoll-prächtigen Basstönen wusste der Isländer auch zu gefallen. Dalia Schaechter machte mit ihrer großen Erfahrung alles aus der Rolle der Adelaide, da freut man sich auf weitere Aufgaben im Charakterfach, Anna Palimina war eine höhensicher-silbrige, intensiv gestaltende Zdenka comme il faut, auch wenn nicht jedes Wort wirklich zu verstehen war, auch darstellerisch sicherte sie sich schnell die Sympathien des nicht gerade zahlreich erschienenen Publikums (im Rang war kaum ein Platz besetzt). Eine Enttäuschung war dagegen Ladislav Elgr als zwar optisch attraktiver, vokal aber vor allem im dritten Aufzug mit der hohen Tessitur grausam überforderter Matteo, auch das Timbre an sich ist kein Grund zum Jubeln, und der deutsche Text fiel ihm auch schwerer als manch anderem Ensemblemitglied. Schöne Momente und ein paar Jubeltöne hatte Jeongki Cho als Elemer anzubieten, als Dominik ließ das Opernstudiomitglied Wolfgang Stefan Schwaiger aufhorchen, und auch Lucas Singer machte gute Figur als Lamoral. Beate Ritter bot als Milli glasklare, bestechend perlende Koloraturen - wunderbar.


Szenenfoto

Zdenka (Anna Palimina) bekommt am Ende ihren Matteo (Ladislav Elgr).

Stefan Soltesz scheint sich erfreulicherweise von dem Hang, den Partituren von Richard Strauss mit aberwitzigen Tempi noch größere Brillanz abgewinnen zu wollen, verabschiedet zu haben, und so musizierte das Gürzenich-Orchester Köln unter seiner Leitung überzeugend präzis, flüssig und selbst in turbulenten Momenten transparent und die Stimmen auf der Bühne nicht überlagernd.


FAZIT

Zweifellos, musikalisch bleiben einem betörende Momente in Erinnerung, vor allem solche, in denen der leuchtende Sopran von Emma Bell beteiligt war, szenisch konnte ich mich mit dieser Schlachtfeld-Arabella nicht anfreunden.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Stefan Soltesz

Inszenierung
Renaud Doucet

Bühne und Kostüme
André Barbe

adaptiert für die Oper am Dom von
Christof Cremer

Licht
Guy Simard

Chor
Andrew Ollivant

Dramaturgie
Georg Kehren


Chor der Oper Köln
Statisterie der Oper Köln
Gürzenich-Orchester Köln


Solisten

Graf Waldner
Bjarni Thor Kristinsson

Adelaide, seine Frau
Dalia Schaechter

Arabella
Emma Bell

Zdenka
Anna Palimina

Mandryka
Egils Silins

Matteo, Offizier
Ladislav Elgr

Graf Elemer
Jeongki Cho

Graf Dominik
Wolfgang Stefan Schwaiger

Graf Lamoral
Lucas Singer

Die Fiakermilli
Beate Ritter

Eine Kartenaufschlägerin
Alexandra von der Weth

Welko, Leibhusar
des Mandryka

Alexander Fedin

Ein Zimmerkellner
Keith Bernard Stonum



Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Oper Köln
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2015 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -