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Kultur / Lesedauer: 4 min

Mozarts Oper „Così fan tutte“ an der Staatsoper Stuttgart neu inszeniert
Veröffentlicht:01.06.2015, 18:47

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So machen es derzeit zwar nicht alle, aber auf Opernbühnen hat Wolfgang Amadé Mozarts Buffa „Così fan tutte“ gerade Konjunktur. Am Ulmer Theater steht das Stück seit Ende März auf dem Spielplan. Das Münchner Gärtnerplatztheater folgt demnächst. Vor einigen Monaten sorgte ein „Così“-Projekt mit Flüchtlingen aus Syrien auf Bühnen von Biberach bis Berlin für Aufsehen. Die Neuinszenierung an der Staatsoper Stuttgart wurde nun vom Publikum begeistert gefeiert.

Nicht immer stieß Mozarts musikalisches Partnertausch-Experiment auf so viel Akzeptanz. Lange Zeit galt „Così fan tutte“ („So machen’s alle“) als problematisch in mehrfacher Hinsicht. Nicht von ungefähr hat Antonio Salieri, dem der Librettist Lorenzo da Ponte das Sujet zuerst angeboten hatte, eine bereits begonnene Komposition abgebrochen. Auch Mozart und da Ponte haben die Paarkonstellationen während ihrer Arbeit am Stück mehrfach umgestellt. Zu gewagt schien ihnen wohl die Fiktion, dass die beiden Bräute ihre verkleideten Verlobten nicht erkennen.

Moralische Bedenken

Dazu kommt die moralisch bedenkliche Botschaft genereller, im Doppelversuch bewi esener Untreue von Frauen. Zur Zeit eines Casanova mochte eine solche Handlung im Rahmen tragikomischer Operngaudi noch durchgehen. Schon Beethoven aber, der mit seinem „Fidelio“ ein Loblied auf die bürgerliche Gattentreue sang, verabscheute die in seinen Augen schlüpfrige „Così“. Entsprechend machte das ganze 19. Jahrhundert einen Bogen um dieses Werk, das nicht recht zum hehren Mozart-Bild der Epoche passen wollte.

Erst im freizügigen 20. Jahrhundert eroberte sich die letzte da-Ponte-Oper Mozarts einen Platz im Repertoire. In diesem Sinne hat der griechische Regisseur Yannis Houvardas die „Così“-Geschichte in die Moderne verlegt. Bühne (Herbert Murauer) und Kostüme (Anja Rabes) verweisen auf die Fifties und Sixties. Der Blick fällt in mehrere Zimmer eines zweistöckigen Stundenhotels oder Ferienheims mit Foyer im Vordergrund. Möbel, Tapeten und Lampen atmen den schäbigen Charme der Nierentischära.

Hier haben sich zwei junge Paare zu einem Wochenendkurs in Sachen Paartherapie beim dubiosen Guru Don Alfonso und seiner Assistentin Despina eingefunden. In überwachten Rollenspielen sollen sexuelle Verklemmtheiten abgebaut werden. Gab es auch vor der Anreise von Guglielmo, seinem Freund Ferrando und den beiden Schwestern Fiordiligi und Dorabella bereits Eifersüchteleien, vielleicht gar Seitensprung-Fantasien? Wissen die Verliebten schon vorab nicht so recht, wer zu wem gehört? Wollen sie Klarheit über ihre Beziehungen finden?

Bei Houvardas sind die Frauen von vornherein über den Partnertausch im Bilde. Gemeinsam sitzt man zu Beginn im Foyer und bespricht bevorstehende Übungen. Alfonso und Despina sind fast die ganze Oper über beobachtend dabei. Auch die vier Probanden bekommen viel von dem mit, was in den Zimmern bei den anderen gerade läuft und gesungen wird. Jeder belauscht jeden, vernimmt jedoch an hellhörigen Wänden letztlich meist seine eigene Schand’. Auf raffinierte Weise bleibt offen, was die Horcher jeweils wissen und was sie nur vermuten.

Verblüffende Perspektiven

Diese Version der Geschichte fördert bisweilen verblüffende Perspektiven zutage, widerspricht aber stellenweise dem Libretto. Im Grunde hat Houvardas die Unsicherheiten der Autoren hinsichtlich der Paarkombinationen in seine Inszenierung aufgenommen. Mozart und da Ponte erwogen während der Entstehung der Oper vorübergehend, dass die beiden jungen Männer verkleidet jeweils die eigene Verlobte verführen. Auch bei Houvardas schwanken sie immer wieder, welcher Partnerin sie sich zuwenden sollen.

Leider macht zudem die permanente Gleichzeitigkeit paralleler Vorgänge auf der Bühne die Handlung unübersichtlich. Auch die Rückkehr der Verlobten am Ende wirkt in diesem Kontext überflüssig, weil sie die bereits erfolgte Ernüchterung der Paare lediglich verdoppelt. Störend ist darüber hinaus die Reduktion auf sexuelle Avancen. Zu allem Überfluss scheinen bei Houvardas auch Alfonso und Despina noch offene Rechnungen zu haben. Insgesamt mutet seine Deutung zu verkopft an.

Auch der musikalischen Interpretation fehlt es an Spritzigkeit und Tempo. Viele Nummern nimmt Sylvain Cambreling zu langsam. Aus dem Graben tönt es über weite Strecken zu massiv, zu dick und schwerfällig. Mozarts Musik tut dieses klassisch-romantische, sinfonisch aufgeladene Klangbild nicht gut, obschon einzelne Passagen betörend musiziert werden. Gelegentlich hapert es auch an exakter Koordination von Gesang und Orchester. Brillant meistert hingegen Alan Hamilton (Hammerklavier) die Begleitung der Rezitative.

Mandy Fredrich (Fiordiligi), Ronan Collett (Guglielmo), Shigeo Ishino (Alfonso) und Yuko Kakuta (Despina) überzeugen vokal und szenisch. Einige Intonationstrübungen in Ensembles werden sicher noch behoben. Gergely Németi (Ferrando) bezaubert mit schöner Tenorstimme, klingt aber im hohen Register etwas angestrengt und setzt manche Töne zu tief an. Auch Diana Haller (Dorabella) ist stellenweise das Rollendebüt anzumerken. Etwas mehr Schwung, Leichtigkeit und Transparenz bei der Umsetzung der Partitur käme den Sängern sicher entgegen.

Weitere Vorstellungen: 3., 8., 10., 21. und 30. Juni und 3. Juli, Kartentelefon Staatsoper Stuttgart (0711) 202090

www.oper-stuttgart.de