An der Bayrischen Staatsoper wurde an Silvester eine alte Tradition neu belebt: Zu den beschwingten Klängen der Fledermaus von Johann Strauss durfte das Münchner Publikum endlich wieder ins neue Jahr schunkeln. Am Pult stand erstmals Kirill Petrenko, der aus der betagten Inszenierung ohne Zweifel das Maximum herausholte: Satire, Schöngeist und Schwof – dem Publikum wurde mit einer absoluten Topbesetzung eine ganze Palette an musikalischen Glanzpunkten geboten.

Schon bei der Ouvertüre trumpfte der Generalmusikdirektor auf: Feingeistig und präzise dirigierte er den Dreivierteltakt und erntete dafür schon in den ersten Minuten stürmenden Applaus. Mit schnellem Tempo und sichtlich Spaß bei der Sache setze Petrenko seine Akzente. Das Orchester hatte er fest im Griff, scheute freilich nicht die großen Effekte, blieb aber, wie man das von ihm kennt, eher kammermusikalisch und subtil.

Ein weiteres Highlight boten an diesem Abend Marlis Petersen und Bo Skovhus als Ehepaar Eisenstein. Wer die beiden im Oktober in der Lulu gesehen hat, wusste bereits im Vorfeld, dass diese Fledermaus keine Enttäuschung werden konnte. Stimmlich souverän in allen Passagen stach insbesondere auch die hervorragende schauspielerische Leistung der beiden hervor. Parallel zum Ränkespiel der Fledermaus wurde die Bühnenvertrautheit von Skovhus und Petersen fast greifbar. Später, mit karmesinroter Maske als ungarische Gräfin verkleidet, schaffte Petersen einen erstaunlich authentischen Stimmwechsel und hauchte der Rolle mit Ihrem vollmundigen Sopran überzeugendes Leben ein. Höhen, Tiefen, Sprechpassagen – die Petersen konnte man an diesem Abend nur lieben.

Nicht ganz im Zentrum der Aufmerksamkeit, wenngleich mit einer durchweg soliden Darbietung, mimte Michael Nagy den Dr. Falke. Aufgefallen war auch Anna Prohaska in ihre Rolle als Kammerzofe Adele, die sie mit einer extra Portion Wiener Schmäh ausstatte. Stimmlich nicht immer ganz fest war Ihr so die Gunst des Publikums trotzdem sicher. Edgaras Montvidas als Alfred ging bei dieser überbordenden Klangvielfalt leider unter. Sprachlich war er der Operette einfach nicht gewachsen, und auch bei Michaela Selinger als gelangweilt-exzentrischer Prinz Orlofsky hätte ich mir deutlich mehr Volumen und eine etwas differenzierte Modulation gewünscht. So fehlte ihrer Rolle ein wenig das Alleinstellungsmerkmal.

Ganz im Gegensatz dazu blieb Burgschauspieler Cornelius Obonya in der Paraderolle als Gefängniswärter Frosch nachhaltig in Erinnerung. Den Sliwowitz immer in der Hand witzelte er über die Privatisierung von Gefängnissen in Hessen, über das Freihandelsabkommen TTIP, und schloss mit einer kleinen Gesangseinlage ab. Wirklich satirische Größe wurde dabei nicht erreicht, aber dem Publikum gefiel der etwas seichtere Einstieg in das neue Jahr sichtlich.

Dazu passte die 18 Jahre alte Inszenierung von Leander Haußmann und Helmut Lehberger. Trotz einiger Änderungen im zweiten Akt und der stimmungsmachenden Choreographie von Alan Brooks konnte das altbackene Feeling nicht abgeschüttelt werden. Die Bühne blieb umkränzt von einem altertümlichen Fernseher, der Kanal Fledermaus war eingeschaltet und die Reifröcke weit aufgespannt. Auch wenn zum Festakt beim Prinzorlen Orlofsky eimerweise Glitzerkonfetti von der Decke regnete, fehlt einfach Glamour und Klasse.

Dennoch: Petrenkos Strauss-Debüt soll damit keineswegs schlecht geredet werden. Zur (vielleicht nicht ganz so) großen Überraschung hat der Ausnahmedirigent gezeigt, dass er das musikalische Herz Wiens einfühlsam in München pochen lassen kann. Zusammen mit der tollen Besetzung entstand ein beschwingter Abend, der das große Potenzial des Ensembles eindrucksvoll in Szene setzte und Lust auf ein anspruchsvolles Opernjahr 2016 machte.

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