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Mozart-Inszenierung in Köln
Ein harmloser "Don Giovanni"

Absperrgitter, Zäune, Käfige aus Chromstangen stellen die Bühne. Und transportieren nach Ansicht des Deutschlandfunk-Kritikers eine zu einfache Botschaft. Der "Don Giovanni" in Köln, inszeniert von Emmanuelle Bastet, überzeugt ihn auch auf anderen Ebenen nicht.

Von Christoph Schmitz | 06.03.2016
    Undatiertes Bild von Wolfgang Amadeus Mozart (Attribut Joseph Hickel um 1783).
    Porträt von Wolfgang Amadeus Mozart. (picture-alliance / dpa / epa Christie's / Ho)
    Pointiert und prägnant startet Francois-Xavier Roth seinen ersten "Don Giovanni" in Köln. Seit der laufenden Spielzeit ist er der neue Generalmusikdirektor der Rheinmetropole. So frisch und unpathetisch er die Ouvertüre hier beginnt, so frisch und optimistisch ist er bislang überhaupt mit den Verhältnissen des Spielbetriebs umgegangen, die extrem schwierig sind.
    Die Sanierung des Opernhauses zieht sich in die Länge. Die Ausweichspielstätten sind nur Provisorien, akustisch höchst problematisch. Keiner weiß, wann man endlich wieder ins Heimquartier zurückkehren kann, alle sehnen sich danach.
    Nach dem knackigen Giovanni-Beginn scheint Roth aber nach und nach der Mut zu verlassen. Sehr langsam und schleppend nimmt er die Tempi. Wenig abwechslungsreich gestaltet er die Abfolge der Arien, die doch ein Straßenfeger nach dem anderen bietet.
    Nur Gitter auf der Bühne
    Dabei hat Roth vor allem mit seinen weiblichen Sängersolisten ein teils gutes Ensemble - mit Aoife Miskelly eine charmante Zerlina, mit Regina Richter ein elegante und doch dramatische Donna Elvira und mit Vannina Santoni eine auch in Kummer und Leid strahlende Donna Anna. Wie hier, wenn sie sich an Don Giovannis nächtlichen Überfall in ihrem Zimmer erinnert.
    Auf der Bühne sieht man bis hier und auch weithin nur Gitter. Absperrgitter, Zäune, Käfige aus Chromstangen, die sich immer enger um Don Giovanni verdichten, mal zu einem Labyrinth, mal zu einer Art seelischer Folterkammer. Ständig ist es Nacht. Am Anfang und am Ende schneit es, keine Ahnung warum.
    Don Giovanni feiert seine individuelle Freiheit, treibt sich und alle anderen mit seiner Skrupellosigkeit jedoch in die Enge – diese Botschaft von Regisseurin Emmanuelle Bastet ist schnell klar. Und mehr hat sie auch nicht zu sagen. Mit der Psychologie der Figuren scheint sie nichts anfangen zu können. Soziale Dimensionen von Macht und Ohnmacht ignoriert sie vollständig. Wer ihr Don Giovanni eigentlich ist, erfährt man nie, sie weiß es wohl selbst nicht so genau. Brav inszeniert sie an der Oberfläche des Librettos entlang.
    Harmloser "Don Giovanni"
    Einen harmloseren "Don Giovanni" hat es lange nicht mehr gegeben. Da hilft es auch nichts, wenn der Titelheld ständig die Gitterstäbe hochklettern muss, um das Geschehen von oben zu beobachten – teuflisch wirkt das nicht, allenfalls vorwitzig. Jean-Sébastian Bou als Frauenheld gibt sich zwar alle Mühe, auch in seiner Champagnerarie.
    Manisches vermag Jean-Sébastian Bou leider nicht zu vermitteln, auch nichts Diabolisches. Der krasseste Fehlgriff der Regisseurin aber ist es, Don Giovanni als Schreibtischtäter zu inszenieren. Sein Schreibtisch, in der Mitte des Gitterwaldes, ist Planungszentrale und Tatort. Aber Mozarts sexbesessener Schurke ist kein Beamter, sondern ein hyperaktiver Draufgänger.
    Ein so großes und schwieriges Werk wie den "Don Giovanni" sollte man auf großer Bühne nicht von einer Anfängerin im Regiefach inszenieren lassen.
    Immerhin gibt es neben den Damen auch noch einen weiteren musikalischen Höhepunkt. Die stimmliche Wucht von Avtandil Kaspeli als Commendatore verschlägt einem den Atem, wenn der Geist des von Don Giovanni ermordeten Mannes vom Bühnenrand ruft und den Schwerenöter in den Tod zieht.
    Bei aller Komturgröße: Schade, dass dieser neue Kölner "Don Giovanni" unterm Strich so mäßig ausfällt. Denn die Oper schlägt sich seit Jahren tapfer unter widrigsten Umständen, die sie der Kölner Kulturpolitik zu verdanken hat. Immer wieder gelangten interessante und ambitionierte Inszenierungen auf die Bühne. Manchmal geht's eben daneben.