Das Werk, das nach einer missglückten Aufführung an der Mailänder Scala für 143 Jahre in der Versenkung verschwand, wirft die große Frage auf, wie es möglich war, dass diese Oper vergessen werden konnte - was nun wahrlich nicht bei vielen Preziosen, die ausgegraben werden, der Fall ist. Als Star des Abends etablierte sich dabei Tenor Pavel Cernoch in der Titelpartie, der mit seiner stimmlichen wie schauspielerischen Dominanz deutlich macht, weshalb der einstige Wiederaufnahmeversuch an der Scala 1871 mit einem damals lädierten Tenor scheitern musste. Zugleich muss sich die große Mehrheit des übrigen Ensembles keineswegs hinter dem Tschechen verstecken.
Dieser geschlossenen Leistung bedarf allerdings nicht nur das Werk, sondern auch die Inszenierungsrichtung, die Regisseur Olivier Tambosi einschlägt. Er widersteht einerseits der Versuchung, die italienische Oper im Festspielhaus im Bühnenbombast zu ersticken. Stattdessen setzen er und sein Bühnenbildner Frank Philipp Schlößmann ganz auf den Raum an sich und lassen die Figuren vor minimalistischer Ausstattung atmen. Bisweilen gelingen dabei eindrückliche Bilder, bisweilen verliert sich das Geschehen ein wenig in blutleerer Commedia-dell'arte-Stilistik.
Fest die Zügel in der Hand hat im Graben Paolo Carignani, der heuer auch die zweite Saison der "Turandot" auf der Seebühne dirigiert. Der Italiener führt die Wiener Symphoniker mit Schwung, Spielfreude und Verve durch die noch weitgehend unbekannte Partitur - ein Umstand, der sich nach diesem Bregenzer Abend bald ändern sollte.