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"Turandot" bei den Bregenzer Festspielen: Die Kritik

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Giacomo Puccinis „Turandot“ mit imposanten Video-Effekten.
Giacomo Puccinis „Turandot“ mit imposanten Video-Effekten. © Bregenzer Festspiele/ Karl Forster

Bregenz - Marco Arturo Marellis Inszenierung von „Turandot“ für die Bregenzer Festspiele wurde jetzt auf der Seebühne wiederaufgenommen. Hier lesen Sie die Kritik.

Könnte sein, dass der Mann abendelang an der Promenade entlang spaziert ist. Immer mit Blick links an Lindau vorbei, das von fern mit seinen zwei Türmen grüßt, direkt Richtung Sonnenuntergang. Dorthin, wo Orange in Rot verfließt, schließlich ins Bläuliche driftet. Hoffentlich, so pflegte der frühere Intendant Alfred Wopmann zu sagen, gebe es Wolken – gegen das Himmelsschauspiel sehe doch jedes Seebühnen-Projekt alt aus. Auf hohem Niveau wird in Bregenz gern gestöhnt.

Regisseur und Bühnenbildner Marco Arturo Marelli stellt sich bei Giacomo Puccinis „Turandot“ dem vermeintlichen Problem auf seine Weise: Er nimmt die Farben einfach auf. Natur und ein kühn geschwungenes Zitat der chinesischen Mauer, das in perfekter Lichtregie erglüht, werden hier eins. Bei der Premiere der Wiederaufnahme ziehen noch Wolkenschleier vorbei, die das Firmament sanft melieren. Ein lästerlicher Gedanke beschleicht einen da: Ob die Installation auch ohne Oper funktioniert?

Im zweiten Jahr ist Marellis „Turandot“ heuer zu erleben. Ein paar Änderungen gibt es, deren Details sich nur Mitstenografen erschließen. Es scheint, als ob das Geschehen etwas mehr in die Breite organisiert ist. Das Kräftedreieck Turandot-Liu-Calaf wirkt intensiver, was aber auch andere Gründe haben kann. Wenn eine Produktion einen Sommer lang läuft, verdichtet sich vieles von selbst. Vor allem eilt dieser zweite Durchgang sehr flott dem brünstigen Finale entgegen. Dirigent Paolo Carignani, schon tags zuvor bei der spektakulären Wiederbelebung von Franco Faccios „Hamlet“ aktiv, verweigert mit den Wiener Symphonikern die Sahnetortennummer.

Schmucklos, fast lakonisch klingt das, ist angesichts der Brutalität des Stücks passender als die Deutung jener Kollegen, die bei jeder schönen Stelle lustvoll Fahrt (und Dramatik) herausnehmen.

Immer wieder in Bregenz überraschend: Wo an normalen Opernhäusern Riesenensembles schnell ins Klappern geraten, staunt man hier über die Präzision. Und das, obwohl die Massen sogar geteilt sind. Der Prager Philharmonische Chor wird wie das Orchester aus dem Festspielhaus klanglich eingespeist, der Bregenzer Festspielchor singt von der Bühne. Für dramatische Stimmen ist die Mikrofonierung eine heikle Sache. Wer mit angezogener Handbremse singt, kommt schwer auf Betriebstemperatur. Mlada Khudoley packt als Turandot in der Premiere diese Aufgabe (alle Rollen sind bis zu dreifach besetzt), nutzt das für Lyrismen. Rafael Rojas muss sich als Calaf erst vokal justieren, ist aber spätestens beim „Nessun dorma“ in Prachtform. Guanqun Yu, die eine selbstbewusste, nuancenreiche Liu singt, überholt locker die Kollegen. Dafür darf sie sich auch bei Puccini bedanken – die Rolle ist eine Art Beifallsautomat.

Auf der Gratwanderung zwischen Show und Tiefe schlägt sich Regisseur Marelli ausgesprochen gut. Ein paar Konzeptfäden hängen heraus. Alles als Imagination Puccinis zu begreifen, der von seinem letzten Stück überrollt wird, ist keine üble Idee, wird aber nicht zu Ende gedacht. Aufgewogen wird das mit anderem. Eine berstende Mauer, eine Terrakotta-Armee, die lebendig wird, dazu Feuerjongleure, ausgetüftelte Videos (Aron Kitzig) – die Schauwerte bewegen sich im oberen Pegelbereich. Dass am Ende noch Wasserfontainen orgasmisch aufschießen, geht aufs Konto von ungewollter Komik. Aber gut: Wer bei „Turandot“ grübeln will, muss sich an einschlägige Häuser à la Frankfurt oder Stuttgart wenden.

"Turandot" bei den Bregenzer Festspielen

Weitere Aufführungen bis 21. August; Telefon: 0043/ 5574/ 4076.

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