Gounods „Faust“ enttäuscht bei den Salzburger Festspielen

Will man die letzte große Opernpremiere der Salzburger Festspiele knapp charakterisieren, so ist „kaltes Dekor“ wohl die adäquate Beschreibung. Charles Gounods „Faust“ gehört zu den Publikumslieblingen, die auch kleinere und mittlere Häuser gern und oft stemmen. Wenn aber die Salzburger Festspiele das Stück erstmals auf den Spielplan setzen, darf und sollte man Bedeutsames erwarten. Leider blieben musikalische Umsetzung und Inszenierung dieser Premiere hinter mancher sogenannter Provinzaufführung zurück. Reinhard von der Thannen, der im Wesentlichen als Ausstatter von Hans Neuenfels bekannt ist, wurde als Regisseur verpflichtet. Zu sehen gibt es kalte bis eiskalte Räume, einen Chor in Tierkostümen (es soll sich um Flughunde handeln), aseptisches Mobiliar. Gounod und seine Librettisten Jules Barbier und Michel Carré schufen einen rasanten Trip durch Goethes „Faust I“, ein besonderer Hit ist die „ballettige“ Walpurgisnacht, die von der Thannen – gegen den anfänglichen Widerstand des Dirigenten Alejo Pérez – jedoch strich.

Jedenfalls gibt es immer wieder viel Chorgehampel zu sehen, manchmal glimmern dazu bunte Neonröhren. Faust sitzt anfangs in einer Studierstube voller Kopfkissen, mehrere schwarze Raben umgeben ihn. Der Teufel erscheint mit einem von Lakaien gezogenen Kleiderschrank, in dem sich auch ein Schminktisch befindet. Ansonsten taucht zu Beginn und beim Finale das Wörtchen „rien“ (zu Deutsch: nichts) auf, dazwischen erscheinen ein großes, kopfloses Skelett oder eine Riesen­blume. Unter dem Bett der von Faust angehimmelten Marguerite wuseln lemurenhafte Wesen, das vom Teufel beschworene Goldene Kalb ist ein Tänzer im Glitzerlook. Pathetische Momente bricht von der Thannen oft durch bewusstes Überzeichnen. Immer wieder denkt man, jetzt bräuchte es eben doch Hans Neuenfels, der die Sache in die Hand nimmt, auch weil es bei der Per­sonenführung hapert: Standardgesten sind die Regel.

Die ganze Bühne erinnert, je nach Blickwinkel, an ein gigantisches, abstraktes Auge oder an eine Showtreppe. Tänzer erweitern die Szenerie und bleiben doch nur Staffage. Als Schlussidee lässt die Regie Faust, Méphistophélès und sämtliche Choristen in einer grimmigen Menge aufgehen beziehungsweise untertauchen. Das ist eine der stimmigeren Ideen. Eindrucksvoll sind auch wie Waffen herabhängende Orgelpfeifen in der sonst nicht dargestellten Kirche.

Alejo Pérez müht sich am Pult der nur mäßig disponierten Wiener Philharmoniker nicht immer erfolgreich um Koordination mit Chor und Solisten, das Klangbild bleibt vorwiegend grob und wenig differenziert. Piotr Beczala singt den Faust in perfektem Französisch, Ildar Abdrazakov verkörpert seinen sinis­tren Widersacher vokal wie gestisch beeindruckend, Maria Agrestas Marguerite erfreut mit feiner Stimmführung, enttäuscht aber durch zu wenig eigenständigen Ausdruck.