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Salzburger Festspiele 2016

Die Liebe der Danae

Heitere Mythologie in drei Akten op. 83
Libretto unter Benutzung eines Entwurfs von Hugo von Hofmannsthal von Joseph Gregor
Musik von Richard Strauss

In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3' 30 h (zwei Pausen)

Premiere der Neuinszenierung im Großen Festspielhaus am 31. Juli 2016
(rezensierte Aufführung: 5. August 2016)


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Salzburger Festspiele
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Ein Märchen?

Von Thomas Tillmann / Fotos © Salzburger Festspiele (Forster und Michael Pöhn)

Auf einer Kunst-Litfaßsäule von Reinhold Bidner kann man nicht weit vom Mirabellgarten entfernt den Satz lesen: "What is the value of money compared to the value of life?" Und der in Salzburg allgegenwärtige Georg Trakl schrieb: "Und man wird immer ärmer, je reicher man wird" (gesehen als Aufkleber an einem der zahllosen Geschäfte der Innenstadt). Um die Verlockungen des Goldes, die Menschen erstarren lassen, um Ziele und Lebensperspektiven, die Menschen ihrer Wesensart entfremden, geht es in Richard Strauss' gar nicht heiterer Mythologie Die Liebe der Danae, die so eng mit der Geschichte der Salzburger Festspiele verbunden ist (1944 fand hier nach dem Ausruf des Totalen Krieges nur noch die öffentliche Generalprobe statt, 1952 dann die verspätete eigentliche Uraufführung, erst fünfzig Jahre später gab es eine weitere Produktion in der Regie von Günter Krämer und mit Fabio Luisi am Pult) - ein dankbares Thema allemal für einen spannenden Opernabend gerade an dem exklusiven Ort der Hochkultur, nicht zuletzt auch wenn im Libretto wiederholt Syrien als Ort der Handlung genannt wird. Das heißt nicht zwangsläufig, dass das Flüchtlingsdrama auf die Bühne gebracht werden oder eine Parabel über den Fluch des Goldes dem schicken Festspielpublikum entgegengeschleudert werden muss, aber etwas mehr als die fade Ausstattungsorgie von Alvis Hermanis und seinem Kostümbildner Juozas Statkevicius hätte man im Jahre 2016 doch wohl erwarten dürfen.

Die Liebe der Danae verbindet den Mythos von Danaes Verführung durch Zeus in Form eines Goldregens mit jenem von König Midas, der alles, was er berührt, in Gold zu verwandeln vermag. Diese Gabe opfert Midas für die Liebe Danaes. Indem er seine alchemistischen Kräfte aufgibt - und Danae ihrerseits auf ihre Liebe zum Gold verzichtet - triumphiert Midas über Jupiters Ansprüche auf die von ihm wahrhaft geliebte Danae und zieht sich dauerhaft aus der Menschenwelt zurück.

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Danae (Krassimira Stoyanova) liebt das Gold (© Salzburger Festspiele / Forster).

Hermanis will diesen komplexen Stoff als Märchen erzählen. Der Blick ins Libretto liefert ihm wichtige Ideen, da heißt es etwa als Regieanweisung im letzten Aufzug: "Das Innere der Eseltreiberhütte, mit großer Bescheidenheit, aber ordentlich gehalten. Großes Lager, niederer Tisch mit Sitzen, viele bunte Tücher in der Art des Orients. Alter Teppich als Tür." Und so bestimmen, obwohl sich Hermanis in seiner Inszenierung nach eigenen Angaben weder räumlich noch zeitlich festlegen will, "Teppiche als orientalischer Topos schlechthin" den Bühnenraum und symbolisieren zu Beginn der Oper den vergangenen Reichtum des Pollux. Aber der Teppich kann noch mehr, er stellt "als poetologische Metapher den Bezug her zum Entstehungsprozess der Oper, des Verknüpfens und Verwebens von Themen und Motiven". Im letzten Aufzug befinden sich sogar Webrahmen auf der Bühne, oft steht Danae auf der einen, Jupiter auf der anderen Seite eines solchen sich gegenüber - was für eine eindringliche Visualisierung ihrer unterschiedlichen Lebensentwürfe. Ergänzend werden gelegentlich Ornamente auf die Bühne projiziert, die mich in ihrer Schlichtheit an die im Moment so populären Erwachsenenmalbücher erinnern (an denen nichts falsch ist), und so entsteht im Verbund mit den aufwändigen Kostümen, die denjenigen nachempfunden sind, die Léon Bakst im 20. Jahrhundert für Djagilews Balletts Russes kreiert hatte, ein Farbenfeuerwerk aus Rot-, Orange-, Pink- und Gelbtönen und funkelnd goldenen Überwürfen, das, entzündet vor einer weiß gekachelten Bühne mit einem pyramidenartigen Aufbau, in der Tat an orientalische Märchen denken lässt. A propos Djagilew: Auch einige Gesten nehmen das tänzerische Element auf, was die Figuren noch künstlicher wirken lässt als sie ohnehin schon daherkommen, besonders aber der zentrale Einfall, diese von etwa zehn Tänzerinnen in wechselnden Outfits begleiten zu lassen - ein sehr hilfloser, durchschaubarer Versuch, von szenischem Stillstand und der Unfähigkeit abzulenken, Sängerinnen und Sänger zu führen und echtes, berührendes Spiel anzuleiten. Stattdessen betrachtet man schnell gelangweilt eine lose Folge zuckrig glitzernder, aber unspannender, seelenloser Kitschbilder, die mehr als einmal unfreiwillige Komik entwickelten, etwa wenn ein echter Esel über die Bühne geführt wird (hier war die Aufmerksamkeit des Festspielpublikums am größten) oder Jupiter - welch subtiler Hinweis auf seinen höheren Stand - auf einem meterhohen weißen Elefanten auftritt. Gerade ein Märchen will eben gut erzählt sein, da braucht es Spannung, einen roten Faden, Figuren, mit denen man mitfühlt, die faszinieren und sich entwickeln. Folgerichtig dauerte hier der Applaus nach dem ersten Aufzug gerade einmal ein paar Sekunden, zu Solovorhängen kam es am Ende gar nicht erst.

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Jupiter (Tomasz Konieczny) liebt Danae (© Salzburger Festspiele / Forster).

"Die Wirkung des letzten Bildes, von Danae und Jupiter ergreifend gesungen und gespielt, kann schon aus dem Klavierauszug allein deutlich erkennbar sein", lautete Strauss' Urteil, der den zweiten und dritten Aufzug zu dem Besten zählte, das er geschrieben hat (er sah seine Komposition "auf den besten Ehrensockel der Musikgeschichte placiert"). Dass Krassimira Stoyanova eine wunderbare Sängerin mit einem herrlichen Sopran ist, steht außer Frage, aber eine große Straussinterpretin ist sie für mich leider noch immer nicht. Und das hat auch wenig mit dem Umstand zu tun, dass sie arg damit beschäftigt war, permanent unglücklich künstliche Gesten ausführen zu müssen, oder dass es bei der Textverständlichkeit noch erheblichen Verbesserungsbedarf gibt (auch wenn das natürlich bei der häufig exponierten Lage nicht immer einfach ist). Damit die genannte Szene wirklich berühren kann, bräuchte es auf der Bühne faszinierendere Künstlerpersönlichkeiten als Stoyanova, die stets kalkuliert, diszipliniert und tonschön singt und die lyrischen Momente mit großartigen Piani zelebriert, aber ansonsten nie richtig loslässt und einfach einmal das ganz große Sopranglück entfaltet, die Stimme wirklich aufblühen lässt und dieses wunderbare Leuchten entwickelt, wie es Viorica Ursuleac, Annelies Kupper, Arlene Saunders, Leonie Rysanek, Deborah Voigt oder Anne Schwalmewilms taten (oder auch Julia Varady und Renée Fleming in ihren Aufnahmen der Soloszene des dritten Aufzugs), und Konieczny, der sich als Jupiter im Wesentlichen auf die Kraft seines mächtigen, durchaus glanzvollen und bis in die Extremhöhe strahlenden Organs verlässt, von einer echten interpretatorischen Durchdringung des gesungenen Wortes dieser Wotan-Partie, die nicht zuletzt auch Züge des Komponisten trägt, meilenweit entfernt ist und vielleicht auch aufgrund seines Alters von der Regie viel mehr Hilfe gebraucht hätte. Es tut mir leid, ich verstehe nach diesem Abend nicht, warum sich die größten Häuser um diesen Regisseur reißen, der nach dem Salzburger Trovatore eine weitere Produktion vorlegt, die weit hinter den Erwartungen zurückbleibt.

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Bevor Jupiter Midas mit der Gabe bedacht hat, alles in Gold verwandeln zu können, war er ein gemeiner Eseltreiber (© Salzburger Festspiele / Forster).

Gerhard Siegel ist mit Ausnahme eines hässlichen Kieksers ein durchaus verlässlicher Midas/Chrysopher, der ebenso wie Wolfgang Ablinger-Sperrhacke als Pollux auch wirklich viel aus dem Text machte. Letzteres wird man auch Norbert Ernst nicht absprechen können, der mit schlankem, prägnanten, nicht über die Maßen höhenstarken Charaktertenor den Merkur gab und mit seiner Leistung nicht nachvollziehbar machte, warum die Decca ihn ein in Salzburg überall angepriesenes Album mit Heldentenorpartien hat aufnehmen lassen (er singt die großen Szenen von Florestan, Max, Rienzi, Lohengrin, Tannhäuser und Parsifal, was für eine Anmaßung) und warum man ihn im Oktober in Montpellier für die Titelpartie von konzertanten Aufführungen des Lohengrin engagiert hat.

Keinen schlechten Eindruck hinterließ Regine Hangler mit ihrem durchdringenden, wenn auch nicht gerade liebenswürdig timbrierten Sopran als Xanthe im Dialog mit Danae, der natürlich an das Schwesterduett aus Arabella erinnert, für das plumpe Kostüm konnte sie ja nichts. A propos: Ungeheuer subtil fand ich, dass in die Kostüme der vier Königinnen ausladende Brüste eingelassen waren, damit auch der letzte verstand, dass Jupiters Verflossene in die Jahre gekommen sind. Von ihnen blieb vor allem Mária Celeng als Semele mit ihrem beweglichen Sopran in Erinnerung, besonders blass fand ich wie schon in ihren Rollen am Aaltotheater Michaela Selinger, und auch als Leda kann man mehr vokale Präsenz entfalten als Jennifer Johnston es mit wenig markantem Alt tat. Festspielwürdig sang dagegen die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor unter der Leitung von Ernst Raffelsberger.

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Danae (Krassimira Stoyanova) liebt trotz eines Lebens in Armut nur noch Midas, Jupiter (Tomasz Konieczny) begreift, dass er gegen die Liebe zweier Menschen nichts ausrichten kann und nimmt Abschied (© Salzburger Festspiele / Michael Pöhn).

Auch nach langer, intensiver Beschäftigung mit dem Werk, das der musikalische Leiter für die schwierigste Strauss-Partitur hält, komme ich zu dem Schluss, dass die Danae einfach nicht so eingängig ist wie andere Opern des Komponisten - in den Pausen erwischte ich mich dabei, Motive aus Daphne und Frau ohne Schatten zu summen. Daran konnte auch das natürlich wieder einmal großartige Spiel der Wiener Philharmoniker unter der kompetenten, engagierten Leitung von Franz Welser-Möst wenig ändern, dessen Zürcher Frau ohne Schatten oder auch seinen Salzburger Rosenkavalier (ebenfalls mit einer mir zu unterkühlten Stoyanova) ich einfach in besserer Erinnerung habe. Aber natürlich freute man sich über die Klarheit und die Feinheiten, die er herauszuarbeiten verstand, und natürlich ließ er vor allem in den herrlichen Zwischenspielen die Farben des "Orchesters noch einmal im alten Glanz aufleuchten", wie Strauss es nach der Generalprobe 1944 selber formuliert hat.


FAZIT

Leider trug diese uninspirierte Produktion in ihrer szenischen Hilflosigkeit nichts dazu bei, Die Liebe der Danae vom Ruf zu befreien, ein schwer verdaulicher "Nebenstrauss" zu sein - die verhaltenen Publikumsreaktionen schienen mir dafür ein gutes Indiz zu sein. Die Anwesenheit des schwedischen Königspaars jedenfalls war das beherrschende Thema in den beiden Pausen und nach dem sehr kurzen Schlussapplaus, nicht die Belanglosigkeiten der vergangenen Stunden. Aber auch musikalisch blieb manches hinter dem zurück, was man sich erwartet hat. Nichtsdestotrotz: Dieses Werk gehört aufgeführt, und Salzburg mit seinen besonderen Möglichkeiten ist der richtige Ort. Warten wir auf einen neuen Anlauf in ein paar Jahren.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Franz Welser-Möst

Regie und Bühne
Alvis Hermanis

Kostüme
Juozas Statkevicius

Licht
Gleb Filshtinsky

Videodesign
Ineta Sipunova

Choreografie
Alla Sigalova

Dramaturgie
Ronny Dietrich

Choreinstudierung
Ernst Raffelsberger



Konzertvereinigung
Wiener Staatsopernchor

Wiener Philharmoniker


Solisten

Danae
Krassimira Stoyanova

Jupiter
Tomasz Konieczny

Merkur
Norbert Ernst

Pollux
Wolfgang Ablinger-Sperrhacke

Xanthe
Regine Hangler

Midas alias Chrysopher
Gerhard Siegel

Vier Könige
Pavel Kolgatin
Andi Früh
Ryan Speedo Green
Jongmin Park

Semele
Mária Celeng

Europa
Olga Bezsmertna

Alkmene
Michaela Selinger

Leda
Jennifer Johnston

Vier Wächter
Hacik Bayvertian
Konrad Huber
Michael Wilder
Csaba Markovits


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