"West Side Story": Bartolis Jugendtraum

West Side Story mit Cecilia Bartoli
Wiederaufnahme in Salzburg von Bernsteins "West Side Story" von den Pfingstfestspielen

Schon zu Pfingsten hat sich Cecilia Bartoli in Salzburg ihren Jugendtraum erfüllt und die Maria in Leonard Bernsteins "West Side Story" gesungen. Nun wurde die erfolgreiche und bereits ausverkaufte Produktion in der Fel-senreitschule von den Sommerfestspielen übernommen.

Die Bartoli zählt zu den weltbesten und intensivsten Sängerinnen. Auch die Maria singt sie höhensicher, blitzsauber und wunderbar innig, inklusive dem Ohrwurm "Somewhere". Denn sie hat sich wieder einmal mit Haut und Haaren einer neuen Rolle verschrieben. Nur legt sie diese Partie viel zu opernhaft an, ihre Stimme wirkt zu schwer, ihr Vibrato ist dafür zu stark.

Broadway-Feeling

Besser kann da Norman Reinhardt als schon sehr erwachsener Tony seine Opernstimme zügeln. Er singt und spielt ihn eindringlich mit lyrisch-expressivem Tenor. Karen Olivo als Anita ist eine Klasse für sich!

Hervorzuheben sind noch George Akram (Bernardo) und Dan Burton (Riff). Exzellent gecastet ist auch das übrige Ensemble, das zudem in der Choreografie von Liam Steel mitreißend tanzt.

Für Broadway-Feeling sorgt auch Gustavo Dudamel am Pult des Simón Bolívar Symphony Orchestra of Venezuela nicht nur bei den Hits "Tonight", "Maria", "America". Da wird mit Klangfrische und Intensität musiziert und auch demonstriert, welche jazzige Kraft und swingende Elemente in dem Werk stecken.

Ganz auf die Bartoli zugeschnitten ist das Konzept des Broadway-erfahrenen Regisseurs Philip Wm. McKinley: Es gibt zwei Marias, eine ältere, die sie verkörpert und die alles singt, aber sonst nur die omnipräsente und mitleidende Beobachterin der Geschichte ist, an die sie sich 20 Jahre später erinnert. Und eine junge Maria, die sehr berührend und zerbrechlich wirkende Michelle Veintimilla, die ausschließlich spielt.

Der Kunstgriff, der in erster Linie auf Bartolis ständige Anwesenheit abzielt, ist jedoch weder besonders schlüssig noch zwingend und lässt sie in der Szene öfter verloren wirken.

Ausufernde Dialoge

Bei der sonst flotten, packenden Inszenierung der in den 50er-Jahren spielenden, topaktuellen Version des "Romeo und Julia"-Klassikers stören noch ausufernde Dialoge in einem oft schwer verständlichen Amerikanisch-Englisch, die speziell im ersten Teil zu einem gewaltigen Spannungsabfall führen. Da hätten Striche gut getan.

Aufwendig ist das mehrstöckige Stahlgerüst (Bühne: George Tsypin), dessen mit Graffiti besprühte Vorderseite sich öffnen und schließen kann und das den Blick auf mehrere Zimmer freigibt. Zum Finale wählt Maria, nachdem sie den Tod des Geliebten nochmals durchleben musste, den Freitod auf den U-Bahn-Geleisen, um mit ihm wenigstens im Jenseits vereint zu sein. Also dort ist "Somewhere".

Von Helmut Christian Mayer

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